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BGH v. 9.2.2021 - I ZR 59/19

Im Internet zugänglich gemachte Stellungnahme von privatem Bauinteressenten in bauplanungsrechtlichem Verfahren kein amtliches Werk i.S.d. § 5 UrhG

Die Stellungnahme eines privaten Bauinteressenten in einem bauplanungsrechtlichen Verfahren, die die Behörde im Zuge der Beteiligung der Öffentlichkeit im Vorfeld einer bauplanungsrechtlichen Entscheidung mittels Verlinkung auf ihren Internetauftritt öffentlich zugänglich macht, ist kein amtliches Werk i.S.d. § 5 UrhG. Macht eine Behörde im Rahmen eines Verfahrens der Bauleitplanung eine bei ihr eingegangene Stellungnahme eines privaten Bauinteressenten im Internet mittels Verlinkung auf ihren Internetauftritt öffentlich zugänglich, handelt es sich um eine nach § 45 Abs. 1 und 3 UrhG zulässige Verwendung in einem Verfahren vor einer Behörde, wenn die Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht nach § 4a Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB vorliegen und ein hinreichender sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zum bauplanungsrechtlichen Verfahren besteht. 

Der Sachverhalt:
Die Klägerin bietet unter ihrer Internetadresse Landkarten und Stadtpläne an. Nutzer können sich nach Eingabe einer Adresse kostenfrei bestimmte Kartenausschnitte anzeigen lassen. Eine darüberhinausgehende Nutzung, etwa die Verwendung von Kartenausschnitten im Rahmen von Internetauftritten, bietet die Klägerin zur Lizenzierung an.

Die Beklagte, die Verbandsgemeinde Kastellaun, stellte auf der von ihr für die verbandsangehörige Stadt Kastellaun betriebenen Internetseite eine Karte ein, an der die Klägerin die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte hat. Die Beklagte hatte das Kartenmaterial im Rahmen eines bauplanungsrechtlichen Verfahrens zur Umgestaltung eines Supermarkts als inhaltlichen Bestandteil des von einem Bauwilligen beauftragten Exposés eines privaten Planungsbüros erhalten, mit dem eine "atypische Fallgestaltung" i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO geltend gemacht wurde. Hiermit wollte die Beklagte der sie gem. § 4a Abs. 4 BauGB treffenden Pflicht genügen, Planungsunterlagen in das Internet einzustellen. Die Beklagte verfügte über kein Nutzungsrecht an dem Kartenausschnitt. 

Nach erfolgloser Abmahnung erhob die Klägerin Klage. Sie beantragte, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, den betreffenden Kartenausschnitt der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich zu machen.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch gem. § 97 Abs. 1 UrhG i.V.m. § 19a UrhG nicht zugesprochen werden. Zwar ist der betroffene Kartenausschnitt ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk, an dem die Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte innehat, und kein nach § 5 Abs. 1 und 2 UrhG vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossenes amtliches Werk. Die angegriffene Handlung stellt auch einen Eingriff in das der Klägerin zustehende Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung gem. § 19a UrhG dar. Das OLG hat allerdings nicht geprüft, ob die Schrankenbestimmung des § 45 UrhG dem geltend gemachten Anspruch entgegensteht.

Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des OLG, dass der als Bestandteil des Exposés veröffentlichte Kartenausschnitt kein amtliches Werk i.S.d. § 5 UrhG ist. Dieses Vorbringen steht mit den Feststellungen des OLG nicht in Einklang, nach denen die Beklagte das Exposé veröffentlicht hat, um ihrer Pflicht zur Veröffentlichung von Unterlagen im bauplanungsrechtlichen Verfahren gem. § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB im Vorfeld der Entscheidungsfindung über den Bebauungsplan zu genügen, um also über den Inhalt einer bei der Beklagten eingegangenen Stellungnahme zu informieren.

Das OLG hat nicht geprüft, ob die Schrankenregelung des § 45 Abs. 1 und 3 UrhG dem geltend gemachten Anspruch entgegensteht. Der Senat konnte nicht abschließend entscheiden, da noch Feststellungen zu treffen sind. Danach war das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückzuverweisen. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren wird auf Folgendes hingewiesen:

Das OLG wird zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen der Schrankenregelung des § 45 Abs. 1 und 3 UrhG vorliegen. Macht eine Behörde im Rahmen eines Verfahrens der Bauleitplanung eine bei ihr eingegangene Stellungnahme eines privaten Bauinteressenten im Internet mittels Verlinkung auf ihren Internetauftritt öffentlich zugänglich, handelt es sich um eine nach § 45 Abs. 1 und 3 UrhG zulässige Verwendung in einem Verfahren vor einer Behörde, wenn die Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht nach § 4a Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB vorliegen und ein hinreichender sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zum bauplanungsrechtlichen Verfahren besteht.

Das OLG wird auch zu prüfen haben, ob der für die Verwendung in Verfahren vor einer Behörde i.S.d. § 45 UrhG erforderliche sachliche und zeitliche Zusammenhang mit dem behördlichen Verfahren besteht. Im Falle der öffentlichen Zugänglichmachung über das Internet ist ein hinreichender sachlicher Zusammenhang zum behördlichen Verfahren gegeben, wenn sie mittels einer Verlinkung auf den behördlichen Internetauftritt erfolgt und durch die Art der Präsentation ein Bezug zum konkreten Verwaltungsverfahren hergestellt wird. Der erforderliche anfängliche zeitliche Zusammenhang besteht jedenfalls, wenn das behördliche Verfahren bereits begonnen hat. Mit dem Abschluss des behördlichen Verfahrens endet die Zulässigkeit der von § 45 UrhG erfassten Handlungen.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.03.2021 11:18
Quelle: BGH online

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