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BGH v. 8.12.2020 - KZR 124/18

Zum Konkurrenzschutz für Schilderpräger

Ein privater Vermieter, der aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung vor einer Vermietung den aktuellen Bedarf im Wege der Ausschreibung ermitteln muss, ist nicht verpflichtet, ein förmliches, die Vorschriften des Vergaberechts beachtendes Ausschreibungsverfahren durchzuführen und dessen Grundsätze einzuhalten. Bei Verträgen, die aufgrund der Länge ihrer Laufzeit gegen das Behinderungs- oder Diskriminierungsverbot des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB verstoßen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sie im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion auf das zeitlich zulässige Maß zurückzuführen. Die berechtigte Verkehrserwartung der Besucher einer Kfz-Zulassungsstelle, dass sich in dem Gebäude oder in unmittelbarer räumlicher Nähe Ladenlokale von Schilderprägern befinden, bei denen sie im Anschluss an die behördlich erteilte Zulassung zügig die erforderlichen Kfz-Kennzeichen erwerben können, kann zur Folge haben, dass einem in dem Gebäude tätigen Schilderpräger kein vertragsimmanenter Konkurrenzschutz zukommen kann.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin einer im Jahr 2013 errichteten Immobilie in Zweibrücken, in der sich die örtliche Kraftfahrzeugzulassungsstelle befindet. Die Beklagte ist ein als Schilderpräger tätiges Unternehmen, das u.a. Kfz-Kennzeichen herstellt. Ende 2013 führte die Klägerin eine formlose Ausschreibung bzgl. zweier in der Immobilie befindlicher Ladenlokale für den Betrieb von Schilderprägerwerkstätten durch. Die ausgeschriebenen Flächen mit einer Größe von jeweils gut 20 qm lagen vis-à-vis der Zulassungsstelle. Die Beklagte gab für beide Ladenlokale ein Angebot ab. Mangels weiterer Bewerber wurden die Flächen nach Durchführung der Ausschreibung neu zugeschnitten, wobei eine der Flächen auf 30 qm vergrößert und Gegenstand des im Februar 2014 zwischen den Parteien geschlossenen schriftlichen Mietvertrags wurde. In dem - dem Mietvertrag beigefügten - Gebäudeplan war ein zweites Schilderpräger-Ladenlokal nicht mehr vorgesehen; vielmehr war darin der Rest der ursprünglich ausgeschriebenen zweiten Fläche dem neben dem von der Beklagten angemieteten Raum gelegenen Café zugeschlagen worden.

In dem schriftlichen Mietvertrag, der in der Präambel Bezug darauf nahm, dass die Beklagte auf die vom Vermieter durchgeführte Ausschreibung das wirtschaftlichste Angebot abgegeben und damit den Wettbewerb gewonnen habe, vereinbarten die Parteien eine mtl. Netto-Kaltmiete von 4.650 € zzgl. Nebenkostenvorauszahlungen von 60 €. Hinsichtlich der Laufzeit enthielt der Vertrag in § 3 folgende Regelung:
"1. Die Laufzeit dieses Mietvertrags beginnt frühestens mit Eröffnung der Zulassungsstelle im Objekt. Die Fertigstellung erfolgt spätestens zum 30.6.2014. Als Mietbeginn wird der 1.7.2014 anvisiert. Bei vorzeitiger Fertigstellung hat der Mieter das Recht, nicht jedoch die Pflicht den Mietbeginn entsprechend vorzuverlegen. Die Laufzeit dieses Mietvertrages beträgt für beide Seiten 5 Jahre fest.
2. Der Mieter ist berechtigt, die Laufzeit dieses Vertrages durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Vermieter zu den Bedingungen dieses Mietvertrags zu verlängern ("Option"). Die Option ist automatisch ausgeübt, wenn der Mieter nicht 3 Monate vor Ablauf der Frist schriftlich per Einschreiben kündigt."

In § 24 des Mietvertrags wurde eine salvatorische Klausel mit folgendem Inhalt vereinbart:
"Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrags unwirksam oder nichtig sein oder werden, so bleiben die übrigen Bestimmungen gleichwohl in Kraft. Die Vertragsparteien sind verpflichtet, unwirksame oder nichtige Bestimmungen durch eine andere Regelung zu ersetzen, die dem mit der unwirksamen oder undurchführbaren Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck am nächsten kommt."

Zum 1.10.2015 vermietete die Klägerin das als Café bezeichnete Ladenlokal an einen anderen Schilderpräger. Die Beklagte zahlte von Juli 2015 bis August 2016 keine Miete und von September bis November 2016 nur einen reduzierten Betrag. Im Dezember 2016 räumte die Beklagte das Ladenlokal und gab es an die Klägerin heraus. In den Jahren 2015 und 2016 sandte die Beklagte mehrere Schreiben an die Klägerin, die sie als Kündigung des Mietvertrags ansieht. Sie hält den Mietvertrag zudem wegen Verstoßes gegen das Kartellrecht insgesamt für nichtig.

Das LG gab der auf Zahlung der offenen Miete für den Zeitraum Juli 2015 bis November 2016 gerichteten Klage überwiegend statt; das OLG gab ihr vollumfänglich statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Mietvertrag ist nicht wegen Verstoßes gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot des § 19 Abs. 1 GWB nach § 134 BGB insgesamt nichtig.

Ein Verstoß gegen § 19 Abs. 1 GWB ist weder in dem Umstand zu sehen, dass die Klägerin das an die Beklagte vermietete Ladenlokal formlos ausgeschrieben hat, noch darin, dass sie es im Anschluss an die Ausschreibung neu zugeschnitten und abweichend von der Ausschreibung (zunächst) nur eine Mieteinheit an einen Schilderpräger vermietet hat. Ein privater Vermieter, der aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung vor einer Vermietung den aktuellen Bedarf im Wege der Ausschreibung ermitteln muss, ist nicht verpflichtet, ein förmliches, die Vorschriften des Vergaberechts beachtendes Ausschreibungsverfahren durchzuführen und dessen Grundsätze einzuhalten.

Der BGH hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass bei Wettbewerbsbeschränkungen, deren Unzulässigkeit aus der vereinbarten Dauer folgt, grundsätzlich die Möglichkeit besteht, sie im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion auf das zeitlich zulässige Maß zurückzuführen. Dies gilt auch für Verträge, die gegen das Behinderungs- oder Diskriminierungsverbot des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB verstoßen. Das Missbrauchsverbot soll in dieser Konstellation nicht den Vertragsschluss als solchen, sondern lediglich die Bevorzugung einzelner Marktteilnehmer durch die Einräumung langfristiger vertraglicher Rechte verhindern. Die missbilligte Beeinträchtigung der Betätigungsmöglichkeiten anderer Unternehmen im Wettbewerb wird aber dadurch beseitigt, dass die verbotswidrige Klausel - sofern dies vertraglich möglich ist (§ 139 BGB) - auf ein erlaubtes und von den Wettbewerbern hinzunehmendes - hier: zeitliches - Maß zurückgeführt wird.

Das OLG hat das frei von Rechtsfehlern unter Abwägung der im konkreten Fall zu berücksichtigenden Interessen der Klägerin als Vermieterin, der Beklagten als Mieterin wie auch der berechtigten Verkehrserwartung entschieden, dass kein vertragsimmanenter Konkurrenzschutz zugunsten der Beklagten besteht. Es hat berücksichtigt, dass Ladenlokale in einem Gebäude, in welchem sich die Kfz-Zulassungsstelle befindet, gerade für Schilderpräger besonders attraktiv sind, und daraus geschlossen, dass diese für die Vermieter solcher Einheiten besonders wertvolle, weil in höherem Maß zahlungsbereite Kunden darstellen.

Die Berücksichtigung dieses Interesses des Vermieters, welches sich zudem mit der Verkehrserwartung deckt, ist nicht zu beanstanden. Die Konsequenzen der Zulassung eines Konkurrenzunternehmens für die Beklagte und die Besonderheiten des Geschäftsgegenstands von Schilderprägern hat das OLG dabei durchaus in den Blick genommen, ist aber zu dem Ergebnis gekommen, dass die Interessen des Mieters eines Schilderprägerlokals gerade wegen dieser besonderen Machtverhältnisse keinen Vorrang haben und dass die Beklagte durch das Entstehen der Konkurrenzsituation nicht unbillig belastet werde. Auch hat es zutreffend erkannt, dass in der vorliegenden Konstellation die Beurteilung des "Ob" nicht vom Umfang des Konkurrenzschutzes getrennt werden kann.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.04.2021 16:06
Quelle: BGH online

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