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Aktuell in der ZIP

Die Begründung von Masseverbindlichkeiten im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nach dem SanInsFoG (Klinck, ZIP 2021, 1189)

Der Gesetzgeber hat mit dem Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) auch den Zugang zum Eigenverwaltungsverfahren und das „vorläufige Eigenverwaltungsverfahren“ – so nun die amtliche Überschrift des § 270c InsO – reformiert. Dabei hat er auch die Ermächtigung des Schuldners durch das Insolvenzgericht, im Eröffnungsverfahren Masseverbindlichkeiten zu begründen, neu geregelt. Der Beitrag befasst sich mit den Fragen, die diese Neureglung aufwirft.

I.  Die Änderungen im Überblick und offene Fragen
1.  Ein kurzer Blick zurück
2.  Abschaffung der Globalermächtigung...
3.  ... und dennoch oktroyierte Masseverbindlichkeiten
II.  Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren als allgemeines Regelungsproblem
III.  Die Anordnung nach § 270c Abs. 4 Satz 1 InsO n. F.

1.  Wortlaut und Abgrenzung zur Globalermächtigung
2.  Oktroyierte Masseverbindlichkeiten, § 270c Abs. 4 Satz 3, § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO
IV.  Ermächtigung zur Begründung einzelner Masseverbindlichkeiten
1.  Zulässigkeit
2.  Geltung des § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO
V.  Zusammenfassung und Fazit


I. Die Änderungen im Überblick und offene Fragen

1. Ein kurzer Blick zurück

Das Recht der Eigenverwaltung kommt nicht zur Ruhe. Mit dem ESUG waren die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung stark abgesenkt worden; die mit dem SanInsFoG in Kraft getretenen Änderungen erhöhen nun jedenfalls die formellen Anforderungen: Nach § 270a Abs. 1 InsO n. F. muss der Schuldner mit seinem Antrag eine detaillierte Eigenverwaltungsplanung vorlegen, insbesondere auch einen Finanzplan, der die nächsten sechs Monate abdeckt.

Ursprünglich hatte die InsO kein besonderes „Eigenverwaltungs-Eröffnungsverfahren“ vorgesehen. Mit dem ESUG war der in § 270a Abs. 1 InsO a. F. normierte Grundsatz eingeführt worden, dass das Insolvenzgericht bei einem nicht offensichtlich aussichtlosen Eigenverwaltungsantrag kein Verfügungsverbot und auch keinen Zustimmungsvorbehalt anordnen und nur einen vorläufigen Sachwalter einsetzen darf. § 270b InsO a. F. hatte ferner für das „Schutzschirmverfahren“ einige besondere Bestimmungen getroffen; im Übrigen aber galt für das Eigenverwaltungs-Eröffnungsverfahren über den Verweis des § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO die allgemeine Vorschrift des § 21 InsO. Dass das Insolvenzgericht den Schuldner ermächtigen konnte, Masseverbindlichkeiten zu begründen, hatte das Gesetz in § 270b Abs. 3 InsO a. F. nur für das Schutzschirmverfahren ausgesprochen und dort auch nur eine Globalermächtigung normiert. Nach herrschender Ansicht aber konnte sich die Ermächtigung, Masseverbindlichkeiten zu begründen, auch im Schutzschirmverfahren auf einzelne Verbindlichkeiten beschränken; ferner waren jedenfalls Einzelermächtigungen auch zulässig, wenn das Insolvenzgericht zwar nach § 270a Abs. 1 InsO a. F. nur einen vorläufigen Sachwalter bestellt, aber keinen Schutzschirmbeschluss nach § 270b Abs. 1 InsO a. F. gefasst hatte.

2.  Abschaffung der Globalermächtigung
§ 270c InsO n. F. trifft nun erfreulicher Weise allgemeine – schutzschirmunabhängige – und detailliertere Regelungen für das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren. In diesem allgemeineren Rahmen ist mit § 270c Abs. 4 InsO auch die Ermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten geregelt. Der Wortlaut der Norm entspricht dem des § 270b Abs. 3 a. F., doch wurde zwischen dessen beide Sätze eine Einschränkung eingeschoben: „Soll sich die Ermächtigung auf Verbindlichkeiten erstrecken, die im Finanzplan nicht berücksichtigt sind, bedarf dies einer besonderen Begründung“. Der hier angesprochene Finanzplan ist derjenige, den der Schuldner nach § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO n. F. mit seinem Eigenverwaltungsantrag vorzulegen hat. Diese Norm hebt zwar nur hervor, dass der Finanzplan „eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen“ enthalten muss, „durch welche die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sichergestellt werden soll“. Zu einer Finanzplanung gehört aber natürlich auch eine Aufstellung darüber, welche Verbindlichkeiten im Prognosezeitraum fällig werden und bedient werden müssen, damit der gewöhnliche Geschäftsbetrieb fortgeführt werden kann. Davon geht offenkundig auch die Regelung des § 270c Abs. 4 Satz 2 InsO aus.

Ordnet das Gericht nach § 270c Abs. 4 Satz 1 InsO an, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet, erfasst diese Anordnung also ohne weiteres nur solche Forderungen, die im Finanzplan berücksichtigt sind, und andere nur bei „besonderer Begründung“. Um eine „Globalermächtigung“ im bisherigen Sinne kann es sich damit nicht handeln, denn bei dieser sind schlechthin alle Forderungen, die der Schuldner begründet, Masseverbindlichkeiten. So sieht es auch der Gesetzgeber. In der Entwurfsbegründung heißt es: „Das Gericht hat auf Antrag des Schuldners auch künftig anzuordnen, dass dieser Masseverbindlichkeiten begründet. Dies aber nur, wenn die entsprechende Verbindlichkeit ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.06.2021 10:03
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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