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BGH v. 11.5.2021 - VI ZR 154/20

Dieselskandal: Sekundäre Darlegungslast bzgl. der Kenntnis des Vorstands von der unzulässigen Abschalteinrichtung kann den Fahrzeughersteller treffen

Zur sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Frage, wer die Entscheidung über den Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei dem beklagten Fahrzeughersteller getroffen und ob der Vorstand hiervon Kenntnis hatte.

Der Tatbestand:
Der Kläger nimmt den beklagten Fahrzeughersteller auf Schadensersatz wegen Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.

Der Kläger beantragte zuletzt die Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs. Das LG hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Der BGH hat nun der Revision überwiegend stattgegeben.

Die Gründe:
Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, ein Anspruch aus § 826 BGB scheide deshalb aus, weil der Kläger nicht habe beweisen können, dass der von ihm als Zeuge benannte damalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten, dessen Handeln sich die Beklagte gemäß § 31 BGB zurechnen lassen müsste, den deliktischen Tatbestand verwirklicht habe.

Zwar trägt im Grundsatz derjenige, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Bei der Inanspruchnahme einer juristischen Person hat der Anspruchsteller dementsprechend auch darzulegen und zu beweisen, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter (§ 31 BGB) die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat.

Dieser Grundsatz erfährt aber eine Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis von den maßgeblichen Umständen und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen.

In diesem Fall trifft den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast, im Rahmen derer es ihm auch obliegt, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen. Genügt er seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

Nach diesen Grundsätzen traf die Beklagte die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Fragen, wer die Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung bei ihr getroffen und ob ihr Vorstand hiervon Kenntnis hatte.

Die Fragen, wer die Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung bei der Beklagten getroffen und ob der Vorstand hiervon Kenntnis hatte, betreffen unternehmensinterne Abläufe und Entscheidungsprozesse, die sich der Kenntnis und dem Einblick des Klägers entziehen. Demggü. war der Beklagten Vortrag hierzu möglich und zumutbar.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.06.2021 15:58
Quelle: BGH online

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