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Aktuell in der ZIP

Zur Frauenquote im Vorstand (Redenius, ZIP 2021, 1365)

Das Thema Frauenquote für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gehört zu jenen Themen, die, obwohl das Aktienrecht betreffend, sehr emotional geführt werden. Im Koalitionsvertrag hatten die Regierungsparteien verabredet sich nach der Quote für den Aufsichtsrat auch jener für den Vorstand zu widmen. Nach langem Ringen beschloss das Kabinett im Januar 2021 den RegE-FüPoG II, der in erster Lesung im Bundestag am 25.2.2021 und im Bundesrat am 5.3.2021 diskutiert wurde. Auf einen finalen Gesetzesentwurf konnten sich die Koalitionsparteien erst am 28.5.2021 einigen. Dieser wurde am 11.6.2021 vom Bundestag beschlossen. Am 25.6.2021 fand die zweite Beratung im Bundesrat statt. Das Gesetz wird als gesellschaftspolitischer Erfolg gefeiert. Der Beitrag wirft auch deshalb die kritische Frage auf, ob die Zielsetzungen der FüPoG II überhaupt erreicht werden können.

I.  Einleitung 2
II.  Rechtslage nach dem FüPoG I 4

1.  Verpflichtende Quote AR große Unternehmen 4
1.1  DAX 30 4
1.2  MDAX 5
1.3  Zwischenergebnis 6
2.  Unternehmensindividuelle Quotenregelungen 6
2.1  DAX 30 6
2.1.1  Absolute Anzahl an Frauen im Vorstand 7
2.1.2  Zunehmender Frauenanteil – interne oder externe Besetzungen? 7
2.1.3  Selbstbestimmte Zielgröße 8
2.1.4  Ressortverteilung im Vorstand 8
2.2  MDAX 8
2.2.1  Absolute Anzahl an Frauen im Vorstand 8
2.2.2  Zunehmender Frauenanteil – Interne oder externe Besetzung? 9
2.2.3  Selbstbestimmte Quote 9
2.2.4  Ressortverteilung im Vorstand 9
2.3  Zwischenergebnis 10
III.  Reform durch das FüPoG II 10
1.  Verbindliche Quote für börsennotierte und mitbestimme Unternehmen 13
1.1  Geltung ab vier Vorstandsmitgliedern 13
1.2  Mindestbeteiligung eines Mitglieds beider Geschlechter 14
1.3  Beschränkung auf börsennotiert und paritätisch mitbestimmte Unternehmen 14
1.4  Rechtspolitischer Vorschlag: 40 %-Quote mit Opt-Out Möglichkeit 15
1.5  Verfassungsrechtlich eingriffsintensiv und wirkungsarm 16
1.6  Zwischenergebnis 16
2.  Eigene Quotenregelungen bei Börsennotierung oder Mitbestimmung 17
IV.  Perspektivisch: Rückbau der Aufsichtsratsquote 18
V.  Fazit 18


I.  Einleitung

Das Gesellschaftsrecht, insbesondere das Aktienrecht als das Recht der größten deutschen Unternehmen, ist immer wieder auch Gegenstand emotionaler Diskussionen. In der jüngeren Vergangenheit standen insbesondere die Themen Organhaftung und Vorstandsvergütung im Zentrum der öffentlichen und wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. In den letzten Jahren kam ein weiteres, auch außerhalb der unternehmensrechtspolitischen Diskussion hitzig debattiertes Thema hinzu: die Geschlechterquote. Knapp fünf Jahre nach Einführung einer verbindlichen Quote des unterrepräsentierten Geschlechts im Aufsichtsrat durch das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG I) wird die Frage erneut aufgeworfen, diesmal bezogen auf die Besetzung des Vorstandsgremiums.

So hat sich die Regierungskoalition erst Ende Mai 2021 und damit kurz vor Ende der Legislaturperiode, nachdem sie sich im Januar 2021 auf einen Kompromiss für das Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigten Teilhaben von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Zweites Führungspositionen-Gesetz – FüPoG II) verständigt hatte, final geeinigt. Das Gesetz verpflichtet einen Teil der Aktiengesellschaften und öffentlichen Unternehmen zu einer verbindlichen Beteiligung mit mindestens einem Mitglied im Vorstand des unterrepräsentierten Geschlechts.

Nachfolgend soll die Frage der Sinnhaftigkeit einer Quotenregelung bewusst nicht aufgeworfen werden, sondern vielmehr gefragt werden, ob die Zielsetzungen der Neuregelungen in Aktiengesellschaften durch den vorgesehenen Reformvorschlag überhaupt erreicht werden können. Zunächst sind die geltende Rechtslage und die Auswirkungen der Einführung einer Quotenregelung auf die Vorstands- und Aufsichtsratsbesetzungen zu untersuchen. Anschließend wird das FüPoG II im Lichte dieser Erkenntnisse kritisch hinterfragt. Auch sollen verhaltenswissenschaftliche Aspekte berücksichtigt werden, um abschließend rechtspolitische Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.

II.  Rechtslage nach dem FüPoG I
Durch das seit dem 1.1.2016 geltende FüPoG I ist der Aufsichtsrat paritätisch mitbestimmter und börsennotierter Gesellschaften gem. § 96 Abs. 2 Satz 1 AktG zu je mindestens 30 % aus Frauen und Männern zu bilden. Zudem hat der Aufsichtsrat gem. § 111 Abs. 5 Satz 1 AktG. Zielgrößen für Frauen im Vorstand und im Aufsichtsrat festzulegen. Gem. § 76 Abs. 4 Satz 1 AktG hat der Vorstand Zielgrößen für die ersten beiden Ebenen unterhalb des Vorstands festzulegen.

Für Unternehmen, die paritätisch mitbestimmt oder börsennotiert sind, gilt gem. § 111 Abs. 5 Satz 1 AktG, dass der Aufsichtsrat für sich und den Vorstand Quotenziele mit einer festzulegenden Frist festsetzen muss, die, soweit sie unter 30 % liegen, zumindest nicht unter der Quote im Zeitraum vor der Zielsetzung gem. § 111 Abs. 5 Satz 2 AktG a. F. liegen dürfen. Der Vorstand hat auch hier Zielgrößen für die ersten beiden Ebenen unterhalb des Vorstands festzulegen, wobei diese ebenfalls, sollten sie unter 30 % liegen, nicht mehr unter den bereits erreichten Stand fallen dürfen.

Am Beispiel der DAX 30 und des MDAX ist empirisch einzuordnen, welche Auswirkung die Regelungen des FüPoG I seit Inkrafttreten vor etwas über fünf Jahren hatten.

1. Verpflichtende Quote AR große Unternehmen
Zunächst sind die Auswirkungen der verpflichtenden Quote gem. § 96 Abs. 2 Satz 1 AktG für paritätisch mitbestimmte und börsennotierte Unternehmen in den DAX 30 und dem MDAX zu untersuchen. Dies betrifft derzeit 106 Unternehmen in Deutschland, der Frauenanteil im Aufsichtsrat liegt bei durchschnittlich 35,9 %.

1.1  DAX 30
Wenig überraschend ist, dass die 30%ige Quote von Unternehmen, die gesetztlich dazu verpflichtet sind, eingehalten wird. Eine hiergegen verstoßende Wahl wäre gem. § 96 Abs. 2 Satz 6 AktG nichtig; der Stuhl würde "leer bleiben". Aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung ist die Befolgung nur bedingt als Erfolg zu werten, denn Organe dürfen ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.07.2021 13:23
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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