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Aktuell in der ZIP

Vorfälligkeitsentschädigung beim Immobiliar-Verbraucherdarlehen (Reifner, ZIP 2021, 1417)

Die Vorfälligkeitsentschädigung gem. § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB wird zurzeit ausschließlich nach der Aktiv-Passiv-Methode berechnet. Neben den Voraussetzungen für den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung muss auch die Berechnungsmethode gem. Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB i.V.m § 492 Abs. 2 BGB „klar und verständlich“ erläutert sein. Wie nachfolgend gezeigt wird, ist dies angesichts der Komplexität der sog. Aktiv-Passiv-Methode nahezu unmöglich. Anderes gilt, wenn man stattdessen dem Verbraucher gem. Art. 16 Abs. 4 Buchst. b) RL 2008/48/EG, § 307 Nr. 5b BGB gestattet, auch bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen der Schadensersatzforderung eine Berechnung entgegenzuhalten, die auf der vom BGH anerkannten alternativen Aktiv-Aktiv-Methode beruht. 1 Der EU-Gesetzgeber sieht in Art. 16 Abs. 4 Buchst. b) RL 2008/48/EG den zu entschädigenden "Verlust in der Differenz zwischen dem ursprünglich vereinbarten Zinssatz und dem Zinssatz, zu dem der Kreditgeber den vorzeitig zurückgezahlten Betrag auf dem Markt zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung als Kredit ausreichen kann und zwar unter Berücksichtigung der Auswirkung der vorzeitigen Rückzahlung auf die Verwaltungskosten." Diese Beschreibung reicht im Gegensatz zur Aktiv-Passiv-Methode zur Berechnung wie zur Aufklärung aus.

I.  Die Vorfälligkeitsentschädigung in der Praxis
II.  Wiederanlage- oder Refinanzierungsschaden
III.  Pfandbriefrenditen
IV.  Berechnung nach der Aktiv-Passiv-Methode
V.  Berechnung nach der Aktiv-Aktiv-Methode
VI.  Vergleich der Methoden
VII.  Anspruch auf Aktiv-Aktiv-Vergleich
VIII. Ergebnis


I.  Die Vorfälligkeitsentschädigung in der Praxis

Verbraucher, die ein Zinsbindungsangebot ihrer Bank eingehen, können entweder mit einmonatiger Frist zum Ende dieser Zinsbindung oder bei längeren Bindungen nach Ablauf von zehn Jahren der Laufzeit (§ 489 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 BGB) mit einer Frist von weiteren sechs Monaten kündigen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach Abs. 3 die geforderte Restschuld innerhalb von 2 Wochen zurückzahlen. Dagegen besteht ein jederzeitiges Kündigungsrecht mit drei monatiger Frist gem. § 490 Abs. 2, § 488 Abs. 2 Satz 2 BGB bei Vorliegen eines berechtigten Interesses, wie Not, Standortwechsel oder Schuldenregulierung. Es gilt nicht in den ersten 6 Monaten. Kündigt der Verbraucher, so ist er jedoch verpflichtet, „denjenigen Schaden zu ersetzen, der ... aus der vorzeitigen Kündigung entsteht (Vorfälligkeitsentschädigung).“ Wegen des Ausschlusses des § 490 Abs. 2 BGB im ersten halben Jahr ist wohl davon auszugehen, dass die Regeln auch nicht analog auf eine Nichtabnahmeentschädigung Anwendung finden. Praktisch hat dort aber das Widerrufsrecht gem. § 495 Abs. 1, 355 Abs. 3 Satz 1 BGB das Kündigungsrecht vor Auszahlung verdrängt. Die Entschädigungspflicht ist ausgeschlossen, wenn der Kreditgeber wegen Zahlungsverzugs kündigt. § 497 Abs. 1 BGB enthält insoweit eine abschließende Regelung.

Gem. § 502 Abs. 1 Satz 1 BGB soll nur eine „angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden“ verlangt werden können. Dem Kreditnehmer ist dabei das Recht einzuräumen, einen geringeren Schaden nachzuweisen (§ 502 Abs. 1 Satz 1, § 309 Nr. 5 b) BGB).

Der Anspruch ist zudem ausgeschlossen, wenn „die Angaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind“ (§ 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Da das Gesetz nach h. M. keine Regeln für die Berechnung aufstellt, soll die Information schon dann „klar und verständlich (sein), wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt.“ „Die Darstellung und Erläuterung komplexer finanzmathematischer Formeln selbst, ... die sog. Aktiv-Aktiv-Methode und die sog. Aktiv-Passiv-Methode“, soll für den Verbraucher keinen Mehrwert haben.

Sowohl die Gerichte als auch die Wissenschaft vermeiden konkrete Berechnungen. Der Rechenservice der Verbraucherzentralen bietet nur eine kostenpflichtige rechnerische Überprüfung der Bankberechnung nach der Aktiv-Passiv-Methode an, die regelmäßig nur zu kleineren Abweichungen führt.

Auch die Finanzinstitute erwähnen in ihren Schadenspauschalierungsklauseln zur Vorfälligkeitsentschädigung nur die „Aktiv-Passiv-Methode“. Sie entspreche, so die Sparkassen-AGB, „aktuell ... den gesetzlichen Vorgaben und der höchstrichterlichen Rechtsprechung“. Zur Berechnung heißt es dort:

„Für die Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung wird von einer Anlage der vorzeitig zurückgezahlten Darlehensmittel in sichere Kapitalmarkttitel (Pfandbriefrenditen der Deutschen Bundesbank) ausgegangen. Zunächst wird der Betrag ermittelt, der zum Ablösestichtag erforderlich ist, um ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.07.2021 11:17
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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