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Aktuell in der Beilage zu ZIP 33

Das neue Bundesstiftungsrecht - Darstellung und Analyse sowie Vorschläge für notwendige Reformen der Landesstiftungsgesetze (Hüttemann/Rawert, ZIP 2021, S3)

Auf den letzten Metern der zu Ende gehenden 19. Legislaturperiode hat die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien vereinbarte Reform des Stiftungsrechts über die parlamentarischen Hürden gebracht. Damit hat der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht, das Stiftungsprivatrecht abschließend im BGB zu regeln. Mit Inkrafttreten des neuen Rechts am 1. 7. 2023 endet eine über einhundert Jahre alte Rechtszersplitterung, die vor allem die Voraussetzungen für Grundlagenänderungen bei rechtsfähigen Stiftungen des Privatrechts betraf. Zweck- und Satzungsänderungen, Zusammenlegung und Zulegung von Stiftungen sowie die Umwandlung einer Ewigkeitsstiftung in eine Verbrauchsstiftung sind künftig bundeseinheitlich geregelt. Insbesondere sogenannte „notleidende Stiftungen“, d.h. solche, die wegen Unterkapitalisierung faktisch funktionslos geworden sind, werden dadurch neue Perspektiven eröffnet. Neben zahlreichen Klarstellungen, die etwa die Erhaltung und Verwaltung des Vermögens einer Stiftung oder die Maßstäbe für die Haftung ihrer Organe betreffen, bringt die Reform auch die Einführung des seit Jahrzehnten geforderten Stiftungsregisters, dem verlässliche Informationen über die Vertretungsbefugnisse von Stiftungsvorständen entnommen werden können. Obschon die meisten der Regelungsziele des Gesetzes Beifall verdienen, schreckt die Regelungsdichte, die es angenommen hat. Schon jetzt ist vorhersehbar, dass die Anwendung des neuen Rechts zahlreiche Fragen aufwirft und weitere rechtspolitische Diskussionen auslösen wird. Vor allem die Landesstiftungsgesetze stehen nun erneut auf dem Prüfstand.

I.  Einführung und Gesetzgebungsgeschichte
1.  Von der Einsetzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“ zum Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts
2.  Anlass und Ziele der Reform
3.  Aufbau des Gesetzes
4.  Gang der weiteren Darstellung
II.  Stiftungsbegriff, Entstehung der rechtsfähigen Stiftung, kirchliche Stiftungen (§§ 80, 88 BGB-neu)
1.  Stiftungsbegriff
1.1  Legaldefinition in § 80 Abs. 1 BGB-neu
1.2  Verbot der Stiftung auf Zeit
1.3  Definition der Verbrauchsstiftung
2.  Entstehung der rechtsfähigen Stiftung (§ 80 Abs. 2 BGB-neu)
2.1  Entstehung durch staatliche Anerkennung
2.2  Entstehungsfiktion bei Anerkennung der Stiftung nach dem Tod des Stifters
3.  Kirchliche Stiftungen (§ 88 BGB-neu)
III.  Stiftungsgeschäft und -satzung, Widerruf, Anerkennung, Vermögensübertragung (§§ 81 bis 82 BGB-neu)
1.  Inhalt des Stiftungsgeschäfts (§ 81 Abs. 1 BGB-neu)
1.1  Satzung und Vermögenswidmung
1.2  Zwingende Bestimmungen der Satzung
1.3  Vermögenswidmung
2.  Besonderheiten bei Verbrauchsstiftungen (§ 81 Abs. 2 BGB-neu)
3.  Form des Stiftungsgeschäfts (§ 81 Abs. 3 BGB-neu)
4.  Behördliche Ergänzung des Stiftungsgeschäfts (§ 81 Abs. 4 BGB-neu)
5.  Widerruf des Stiftungsgeschäfts (§ 81a BGB-neu)
6.  Anerkennung der Stiftung (§ 82 BGB-neu)
6.1  Lebensfähigkeitsprognose
6.2  Keine Gemeinwohlgefährdung
IV.  Stiftungsverfassung, Stifterwille, Verwaltungssitz (§§ 83, 83a BGB-neu)
1.  Stiftungsverfassung (§ 83 Abs. 1 BGB-neu)
2.  Bedeutung des Stifterwillens (§ 83 Abs. 2 BGB-neu)
2.1  Bedeutung und Definition des Stifterwillens
2.2  Mutmaßlicher Stifterwillen
3.  Verwaltungssitz im Inland (§ 83a BGB-neu)
3.1  Keine Sitzverlegung ins Ausland
3.2  Weiterhin keine Regelung zum Verhältnis von Rechts- und Verwaltungssitz
V.  Stiftungsvermögen, Vermögenserhaltung und –verwaltung (§§ 83b, 83c BGB-neu)
1.  Stiftungsvermögen (§ 83b BGB-neu)
1.1  Überblick
1.2  Begriff des Stiftungsvermögens (§ 83b Abs. 1 BGB-neu)
1.3  Zusammensetzung des Grundstockvermögens (§ 83b Abs. 2 BGB-neu)
1.4  Teilweise Widmung als sonstiges Vermögen (§ 83b Abs. 3 BGB-neu)
1.5  Getrennte Verwaltung des Stiftungsvermögens und Bindung an den Stiftungszweck (§ 83b Abs. 4 BGB-neu)
2.  Verwaltung des Grundstockvermögens (§ 83c BGB-neu)
2.1  Überblick
2.2  Vermögenserhaltungsgrundsatz, Verwendungen von Nutzungen und von Zuwächsen aus Umschichtungen (§ 83c Abs. 1 BGB-neu)
2.2.1  Grundsatz der Vermögenserhaltung (§ 83c Abs. 1 Satz 1 BGB-neu)
2.2.2  Verwendung von Nutzungen für die Erfüllung des Stiftungszwecks (§ 83c Abs. 1 Satz 2 BGB-neu)
2.2.3  Exkurs: Rücklagenbildung
2.2.4  Zuwächse aus Vermögensumschichtungen (§ 83c Abs. 1 Satz 3 BGB-neu)
2.3  Satzungsklauseln über einen vorübergehenden Teilverbrauch (§ 83c Abs. 2 BGB-neu)
2.4  Vorbehalt landesrechtlicher Regelungen (§ 83c Abs. 3 BGB-neu)
2.5  Exkurs: Rückgabe von Kulturgut durch Stiftungen
VI.  Stiftungsorgane, Beschlussfassung, Notmaßnahmen (§§ 84 bis 84c BGB-neu)
1.  Überblick
2.  Stiftungsvorstand
2.1  Vorstand als notwendiges Organ
2.2  Vorstand als zwingendes Vertretungsorgan
2.3  Verweisung auf das Vereinsrecht
2.4  Rechte und Pflichten der Organmitglieder
2.5  Haftungsprivilegierung für ehrenamtliche Stiftungsvorstände
3. Beschlussfassung der Organe
4.  Notmaßnahmen bei fehlenden Organmitgliedern
4.1  Regelungsgehalt und Überblick
4.2  Notmaßnahmen der Stiftungsaufsichtsbehörden
VII.  Satzungsänderungen (§ 85, 85a)
1.  Voraussetzungen für Satzungsänderungen
1.1  Zweckänderungen, Zweckbeschränkungen, Umgestaltung in eine Verbrauchsstiftung
1.2  Andere Zweckänderungen und Änderungen prägender Bestimmungen
1.3  Sonstige Satzungsänderungen
2.  Verfahren bei Satzungsänderungen
VIII.  Zulegung und Zusammenlegung (§§ 86 bis 86h)
1.  Allgemeines
2.  Tatbestandsvoraussetzungen
3.  Verfahrensfragen
IX.  Auflösung, Aufhebung, Insolvenz, Vermögensanfall und Liquidation (§§ 87 bis 87c)
1.  Allgemeines
2.  Auflösung der Stiftung durch die Stiftungsorgane
3.  Aufhebung der Stiftung
4.  Auflösung der Stiftung bei Insolvenz
5.  Vermögensanfall und Liquidation
6.  Verfahrensfragen
X.  Namensführung und Stiftungsregister (§§ 82b bis 82d, 84d, 85b, 86i, 87d BGB)
1.  Allgemeines
2.  Stiftungsregister und Anmeldung der Stiftung
3.  Publizität
4.  Der Ersteintragung nachgelagerte Anmeldungen
5.  Verfahrensfragen
6.  Einsichtnahme in das Stiftungsregister
7.  Stiftungsregister und Transparenzregister
XI.  Inkrafttreten und Übergangsregelung (Art. 2, 9)
1.  Inkrafttreten der §§ 80 ff. BGB-neu
2.  Inkrafttreten des Stiftungsregistergesetzes
XII.  Konsequenzen für die Landesstiftungsgesetze
1.  Befund
2.  Modellentwurf eines Landesstiftungsgesetzes
XIII.  Schlussbemerkungen

I.  Einführung und Gesetzgebungsgeschichte

1.  Von der Einsetzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“ zum Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts

Zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Stiftungsrechts am 1.9.2002 und der nachfolgenden Anpassung der Landesstiftungsgesetze setzte in Wissenschaft und Praxis eine neue Diskussion über weiteren Reformbedarf im Stiftungsrecht ein. Angeregt durch diese Debatte und eine Initiative der Hamburger Justizsenatorin Jana Schiedek beschloss die Ständige Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder (IMK) im Juni 2014 die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“ unter der Federführung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV). Nur wenige Wochen später sprachen sich auch die Justizministerinnen und Justizminister für eine „ergebnisoffene Überprüfung“ des Stiftungsrechts aus, um die „Arbeit gemeinnütziger Stiftungen zu erleichtern und zusätzliche Anreize für Stifterinnen und Stifter zu schaffen“. Die im November 2014 eingesetzte Arbeitsgruppe legte unter dem 9. 9. 2016 der IMK einen umfangreichen Bericht vor, der größeren Reformbedarf aufzeigte und konkrete Formulierungsvorschläge für eine abschließende bundesrechtliche Regelung des Stiftungsrechts unterbreitete. Diese Vorschläge bildeten im April 2017 den Gegenstand einer zweitägigen Anhörung, an der sowohl Vertreter der Stiftungspraxis als auch Wissenschaftler teilnahmen. In der Folgezeit erarbeitete die Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen Diskussionsentwurf für ein „Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ einschließlich Begründung, den sie unter dem 27.2.2018 veröffentlichte. In ihrem Koalitionsvertrag vom März 2018 beschlossen die Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD, das Stiftungsrecht auf der Grundlage dieses Vorschlags zu ändern. Da sich die Vorlage eines Referentenentwurfs zunächst verzögerte, legte eine Gruppe von elf Professoren im März 2020 einen „Professorenentwurf zur Stiftungsrechtsreform 2020“ vor, der zwar das Grundanliegen des Diskussionsentwurfs – die abschließende bundesrechtliche Regelung des materiellen Stiftungsrechts – teilte, aber in zentralen Fragen – u. a. der Abstimmung mit dem Vereinsrecht und der Einführung eines Stiftungsregisters – abweichende Vorschläge unterbreitete. Nachdem zwischenzeitlich unsicher war, ob das Reformvorhaben noch in der 19. Legislaturperiode realisiert werden würde, veröffentlichte das BMJV unter dem 28.9.2020 den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ (RefE), der weitgehend den Vorschlägen des Diskussionsberichts folgte. Abweichend davon sah er jedoch die Schaffung eines bundesweiten Stiftungsregisters mit Publizitätswirkung vor. Dieser RefE wurde – nicht zuletzt wegen gewisser Einschränkungen der Stifterautonomie und der konkreten Ausgestaltung des Stiftungsregisters – von Verbänd
en und Fachöffentlichkeit überwiegend kritisch aufgenommen. Der von der Bundesregierung am 3.2.2021 beschlossene Regierungsentwurf (RegE) berücksichtigte einige dieser Kritikpunkte. Nach der Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung wurde der Gesetzentwurf in der 1. Lesung des Bundestages am 15.4.2021 zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz verwiesen. Dieser führte am 5.5.2021 eine öffentliche Anhörung durch, an der Sachverständige aus der Wissenschaft und Stiftungspraxis teilnahmen. Unter Berücksichtigung der Stellungnahmen hat der Rechtsausschuss dann in seiner Sitzung vom 22.6.2021 mit den Stimmen der Koalitionsparteien noch einige inhaltliche Änderungen beschlossen, den Gesetzentwurf um eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes ergänzt und dem Gesetzentwurf die neue Bezeichnung „Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes“ gegeben. Diese Vermischung der Stiftungsrechtsreform mit aktuellen infektionsschutzrechtlichen Änderungen nach Art eines „Omnibusgesetzes“ ist bei den Oppositionsparteien auf deutliche und verständliche Kritik gestoßen. Gleichwohl haben Bundestag und Bundesrat den Entwurf in ihren Sitzungen am 24. und 25.6.2021 mit diesen Änderungen abschließend beraten und beschlossen. Nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten ist das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom 16.7.2021 (StiftRVG) am 22.7.2021 im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Das Gesetz tritt – mit Ausnahme der Regelungen zum Stiftungsregister – am 1.7.2023 in Kraft. Die Vorschriften zum Stiftungsregister sollen erst zum 1.1.2026 wirksam werden.

2.  Anlass und Ziele der Reform
Es entspricht der communis opinio in Wissenschaft und Praxis, dass das deutsche Stiftungsrecht reformbedürftig ist. Der Regierungsentwurf fasst die zentralen Probleme wie folgt zutreffend zusammen:

„Das Stiftungszivilrecht, das die Entstehung und die Verfassung der rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts bestimmt, beruht derzeit auf Bundesrecht und Landesrecht. […] Die landesrechtlichen Vorschriften sind nicht einheitlich, so dass die Rechtsform der rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts durch die Landesstiftungsgesetze in den einzelnen Ländern verschieden ausgeprägt ist. Dieses Nebeneinander von Bundesrecht und Landesrecht führt immer wieder zu Streitfragen und Rechtsunsicherheiten bei Stiftern und Stiftungen. Für Stiftungen gibt es anders als für die meisten anderen juristischen Personen des Privatrechts kein Register mit Publizitätswirkung, sondern nur Stiftungsverzeichnisse, die bei den Stiftungsbehörden geführt werden. […]. Um die Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder nachzuweisen, benötigen Stiftungen behördliche Vertretungsbescheinigungen.“

Durch das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (StiftRVG) sollen die aufgezeigten Probleme des geltenden Rechts gelöst werden. In der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 22.6.2021 heißt es zur Zielsetzung des Gesetzes:

„Durch den Gesetzentwurf soll das Stiftungszivilrecht künftig abschließend im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt werden. Neue Regelungen, insbesondere zum Namen, Sitz und Vermögen der Stiftung sowie zur Änderung der Stiftungssatzung und zur Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen, sollen geschaffen und viele schon bestehende Vorschriften geändert werden. Zahlreiche Streifragen sollen hierdurch geklärt werden. Auch soll beim Bundesamt für Justiz ein zentrales Stiftungsregister mit Publizitätswirkung geführt werden.“

3.  Aufbau des Gesetzes
Während die Regelungen zur Vereinheitlichung des Stiftungszivilrechts im BGB bereits zum 1.6.2023 in Kraft treten werden, soll das neue Stiftungsregister beim Bundesamt für Justiz erst nach einer Aufbauphase zum 1.1.2026 in Betrieb genommen werden. Diese unterschiedlichen Zeithorizonte prägen auch den Aufbau des Gesetzes:
– Art. 1 umfasst den überarbeiteten und erweiterten Untertitel 2 des Allgemeinen Teils des BGB betreffend „Rechtsfähige Stiftungen“ (§§ 80 bis 89 BGB-neu), in dem das materielle Stiftungszivilrecht bundeseinheitlich geregelt wird.
– Art. 2 enthält eine allgemeine Überleitungsvorschrift im EGBGB.
– Art. 3 regelt die für das Stiftungsregister notwendigen Ergänzungen der §§ 80 ff. BGB, insbesondere zu den ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.08.2021 10:31
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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