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BGH v. 21.9.2021 - XI ZR 650/20

Entsprechende Anwendung der Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge bei Schuldbeitritt zu Darlehensvertrag

Die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB finden auf einen Schuldbeitritt zu einem Darlehensvertrag entsprechende Anwendung. Bei dem Schuldbeitritt eines Verbrauchers besteht ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB nicht, wenn ein solches für den gesicherten Darlehensvertrag gem. § 495 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen wäre.

Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines vom Beklagten erklärten Widerrufs seiner auf Abschluss einer Mithaftungserklärung gerichteten Willenserklärung. Die Ehefrau des Beklagten betrieb als Einzelunternehmerin eine Wäscherei. Der Beklagte war im Unternehmen angestellt und außerdem als stiller Gesellschafter mit einer Einlage von 400.000 € am Unternehmen beteiligt. Im Februar 2012 übernahm der Beklagte die gesamtschuldnerische persönliche Mitverpflichtung für einen von der Klägerin mit seiner Ehefrau (im Folgenden: Darlehensnehmerin) im Rahmen des Einzelunternehmens mit derselben Urkunde vereinbarten Kontokorrentkredit über einen Kreditnennbetrag von 80.000 €. Eine Widerrufsinformation erteilte die Klägerin dem Beklagten nicht.

Nachdem im Oktober 2015 über das Vermögen der Darlehensnehmerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, kündigte die Klägerin ihr gegenüber die gesamte Geschäftsbeziehung und forderte von ihr den Ausgleich des auf dem Kontokorrentkonto befindlichen negativen Saldos von rd. 33.000 €. In der Folgezeit musste die Klägerin an den Insolvenzverwalter aufgrund einer Insolvenzanfechtung mehrere von dem Kontokorrentkonto abgeflossene Teilbeträge i.H.v. insgesamt rd. 44.000 € zurückzahlen. Mit der Klage nimmt die Klägerin den Beklagten aus der Mithaftungserklärung auf Zahlung von rd. 77.000 € nebst Zinsen in Anspruch. Daraufhin erklärte der Beklagte den Widerruf seiner auf Abschluss der Mithaftungserklärung gerichteten Willenserklärung.

Das LG wies die Klage ab. Die Berufung, mit der die Klägerin ihren Zahlungsanspruch im Hinblick auf zwei aus der Insolvenzmasse erhaltene Zahlungen nur noch i.H.v. rd. 68.500 € aufrechterhalten hat, blieb vor dem OLG ohne Erfolg. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des OLG hat der Beklagte seine Haftungserklärung nicht wirksam widerrufen, weil ihm ein Widerrufsrecht nach § 495 BGB nicht zugestanden hat.

Im Ausgangspunkt ist das OLG zutreffend davon ausgegangen, dass auf einen Schuldbeitritt die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB über Verbraucherdarlehensverträge entsprechend Anwendung finden. Der Schuldbeitritt ist seinem Wesen nach zwar kein Verbraucherdarlehensvertrag i.S.d. § 491 BGB a.F., weil der Beitretende selbst kein Darlehen erlangt, sondern lediglich die Mithaftung für die Verpflichtung des Darlehensnehmers übernimmt. Er ist aber nach ständiger BGH-Rechtsprechung einem Verbraucherdarlehensvertrag bei wertender Betrachtung gleichzustellen, wenn es sich bei dem Vertrag, zu dem der Beitritt erklärt wird, wie hier, um einen von einem Unternehmer gewährten Darlehensvertrag handelt. Dies gilt auch dann, wenn wie hier der Darlehensnehmer das Darlehen zu gewerblichen Zwecken aufgenommen hat. Entscheidend ist allein die Verbrauchereigenschaft des Beitretenden zum Zeitpunkt der Mithaftungserklärung. Danach war der Beklagte Verbraucher, weil seine stille Beteiligung an dem Unternehmen seiner Ehefrau zur privaten Vermögensverwaltung gehört und er damit selbst keine unternehmerische Tätigkeit ausübt.

Rechtsfehlerhaft hat das OLG dagegen angenommen, dass dem Beklagten vorliegend in entsprechender Anwendung des § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 1 und 2 BGB a.F. ein Widerrufsrecht zugestanden hat. Ein solches Widerrufsrecht hat vorliegend entsprechend § 495 Abs. 3 Nr. 3 BGB a.F. i.V.m. § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. nicht bestanden. Die entsprechende Anwendung der Verbraucherschutzvorschriften der §§ 491 ff. BGB beruht darauf, dass bei wertender Betrachtung der Beitretende ebenso schutzwürdig ist, als wenn er den Darlehensvertrag selbst abgeschlossen hätte oder im Wege der Vertragsübernahmevereinbarung an die Stelle des ursprünglichen Darlehensnehmers getreten wäre. Aufgrund dessen kann der Schutz des Beitretenden zu einer Verbindlichkeit nicht geringer sein, aber auch nicht weiter gehen als der Schutz desjenigen, der eine solche Verbindlichkeit eingeht. Beide genießen Verbraucherschutz nur in dem Umfang, in dem der Gesetzgeber solchen im Zeitpunkt der Verpflichtung zur Verfügung stellt.

Danach stand dem Beklagten in Bezug auf seine Haftungserklärung entsprechend § 495 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (nunmehr: § 495 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB) kein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB zu. Diese Vorschriften schließen ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB für solche Darlehensverträge aus, bei denen dem Darlehensnehmer in bestimmter Höhe eine Überziehungsmöglichkeit eingeräumt wird und die Laufzeit nach der Auszahlung höchstens drei Monate beträgt oder der Darlehensgeber ohne Einhaltung einer Frist kündigen kann. Diese Voraussetzungen lagen bei dem von der Ehefrau des Beklagten abgeschlossenen Kontokorrentkreditvertrag vor, so dass für sie unabhängig von ihrer (fehlenden) Verbrauchereigenschaft kein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB bestand und auch dem Beklagten für den Fall, dass er selbst Darlehensnehmer gewesen wäre, ein solches nicht zugestanden hätte.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.10.2021 11:39
Quelle: BGH online

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