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Die Auswirkungen des FüPoG II auf das GmbHG: Eine kritische Bestandsaufnahme (Stöhr, ZIP 2021, 2267)

Im Sommer 2021 wurden für das Gesellschaftsrecht umfangreiche Reformen auf den Weg gebracht. Während die Literatur vor allem auf das MoPeG zum Personengesellschaftsrecht und das DiRUG zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie fokussiert ist, hat auch das FüPoG II wichtige Modifikationen des (Kapital-)Gesellschaftsrechts zur Folge. Im GmbHG wurden die Anforderungen an die Zielgröße für Geschäftsführung und Aufsichtsrat verschärft, eine „Auszeit“ für Geschäftsführer(innen) aus persönlichen Gründen eingeführt sowie eine Geschlechterquote für GmbH mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes implementiert. Im vorliegenden Beitrag werden diese Neuregelungen dargestellt und kritisch bewertet.

I. Einführung
II. Anforderungen an die Zielgröße in Geschäftsführung und Aufsichtsrat (§§ 36, 52 GmbHG)

1. Inhalt der Neuregelungen
2. Handelsbilanzrechtliche Berichtspflicht und Sanktionen
3. Würdigung
III. „Auszeit“ für Geschäftsführer aus persönlichen Gründen (§ 38 GmbHG)
1. Inhalt der Neuregelung
2. Würdigung
IV. Geschlechterquote in GmbH mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes (§ 77a GmbHG)
1. Inhalt der Neuregelung
2. Würdigung
V. Fazit


I. Einführung

Die Beteiligung von Frauen an Führungspositionen ist auch im Gesellschaftsrecht ein vieldiskutiertes Thema. Im Jahr 2015 wurde durch das FüPoG I für Aufsichtsräte von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Gesellschaften eine Geschlechterquote von 30 % eingeführt. Für die Leitungsorgane wurde hingegen keine Quote vorgeschrieben, vielmehr beschränkte sich der Gesetzgeber auf eine Verpflichtung zur Festsetzung von Zielgrößen (§ 36 GmbHG sowie § 76 Abs. 4 AktG). Das Modell der selbstgewählten Zielgrößen soll weniger auf Rechtspflichten, sondern in erster Linie auf den Druck der Öffentlichkeit setzen. Da jedoch viele Unternehmen eine Zielgröße Null wählten, war die praktische Wirksamkeit dieser Regelung gering. Teilweise wird sie sogar als „Symbolgesetzgebung“ bezeichnet. Die Effektivität soll nun durch das FüPoG II verbessert werden, welches im Zuge einer größer angelegten nationalen Gleichstellungsstrategie zum 12.8.2021 in Kraft trat und – wie bereits das FüPoG I – neben dem Abschnitt zum öffentlichen Dienst wieder einen Abschnitt für die Privatwirtschaft enthält. Im Hinblick auf die GmbH wurde in § 36 eine Begründungspflicht für die Festlegung einer Zielgröße Null aufgenommen, die im Handelsbilanzrecht durch entsprechende bußgeldbewehrte Berichtspflichten flankiert wird. Ferner wurden in § 38 die Möglichkeit einer „Auszeit“ für Geschäftsführer(innen) für Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit eingeführt; in § 52 die Anforderungen an die Zielgrößen im Aufsichtsrat verschärft und in dem neu geschaffenen § 77a zumindest für Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes eine Geschlechterquote vorgeschrieben, wonach Geschäftsführungsorgane mit mehr als zwei Mitgliedern mindestens mit je einer Frau und einem Mann besetzt werden müssen. Im Aktienrecht ist der Gesetzgeber mit § 76 Abs. 3a AktG n.F. noch weiter gegangen, indem er für börsennotierte und zugleich mitbestimmte AG eine Geschlechterquote eingeführt hat.

In ökonomischer Hinsicht können Quotenregelungen effizienzerhöhend wirken, sofern sie nicht zur einer Bevorzugung von weniger qualifizierten Personen gegenüber besser qualifizierten Personen führen. Es wird zwar argumentiert, dass die GmbHG auch ohne Quote funktioniert habe und die Implementierung gesellschaftspolitischer Vorstellungen in einem Privatrechtssubjekt gegen die Grundvorstellung des Privatrechts verstieße, wonach die Beteiligten für ihre Verhältnisse in eigener Verantwortung sorgen. Dabei wird jedoch ignoriert, dass eine effiziente Allokation durch eigenverantwortliche Entscheidung nur unter laborartigen Bedingungen bewirkt wird. Diese sind aber in der Realität kaum zu erreichen, weil z.B. nicht alle Markteilnehmer stets rationale Entscheidungen treffen.  Dies kann zu einem Marktversagen führen. Eine Form des Marktversagens ist Diskriminierung. Es wurde gezeigt, dass Diskriminierung überwiegend auf internen Arbeitsmärkten nachgefragt wird. Insoweit gibt es im Gegensatz zu externen Arbeitsmärkten keinen marktüblichen Wettbewerb. Für die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen werden verschiedene Gründe vorgebracht.  Gesellschaftliche Barrieren bestünden in Stereotypen bzw. Vorurteilen und persönlichen Neigungen: Diese würden häufig dazu führen, dass man von Personen, die anders sind als man selbst, glaubt, dass diese weniger leistungsfähig seien. Die Folge seien Aversionen der Entscheidungsträger gegenüber Frauen. Zudem arbeiten Frauen verhältnismäßig häufiger in Teilzeit als Männer, da sie sich neben ihrer Arbeit um ihre Kinder kümmern (müssen). Viele Personalverantwortlichen sind der Ansicht, dass Führungsaufgaben mit Teilzeit unvereinbar sind. Unternehmensinterne Barrieren werden in der Befürchtung von Männern gesehen, Chancen für den eigenen Aufstieg einzubüßen sowie Kontrolle und Macht zu verlieren, weshalb der Aufstieg von Frauen als direkte Bedrohung für das eigene Fortkommen im Unternehmen wahrgenommen werde.

Schließlich ist das Thema verfassungsrechtlich und unionsrechtlich relevant. Gesetzliche Frauenquoten im Sinne einer Vorrangregelung können in verschiedene Grundrechte eingreifen, insbesondere in die Berufs- und Unternehmensfreiheit (Art. 12 Abs. 1, Art. 14 GG) sowie die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) der Anteilseigner und Unternehmen sowie in den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG). Auch der unionsrechtliche Gleichheitssatz ist berührt. So hat der EuGH eine Regelung für unionsrechtswidrig befunden, nach welcher Frauen vorrangig zu berücksichtigen sind, sofern sie in dem entsprechenden Bereich unterrepräsentiert sind. Andererseits hat der EuGH eine Frauenquote gebilligt, die eine Öffnungsklausel dergestalt enthält, dass jede einzelne Bewerbung Gegenstand einer objektiven Prüfung ist, sofern die Kriterien der Einzelfallprüfung nicht diskriminierend sind. Eine Gesamtbetrachtung der Rechtsprechung des EuGH ergibt, dass eine Frauenquote unionsrechtskonform ist, wenn (1.) die Kandidatin gleichwertig bzw. nahezu gleichwertig qualifiziert ist, (2.) kein automatischer und unbedingter Vorrang gewährt wird, (3.) eine Öffnungsklausel für Notfälle vorhanden ist und (4.) der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird.

II. Anforderungen an die Zielgröße in Geschäftsführung und Aufsichtsrat (§§ 36, 52 GmbHG)

1. Inhalt der Neuregelungen

§ 36 GmbHG wurde um weitere Sätze erweitert, wonach die Zielgrößen den angestrebten Frauenanteil an der jeweiligen Führungsebene beschreiben und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen müssen. Die Festlegung einer Zielgröße Null ist nun „klar und verständlich zu begründen“. Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen. § 52 Abs. 2 GmbHG wurde um eine entsprechende Regelung für den Aufsichtsrat erweitert.

2. Handelsbilanzrechtliche Berichtspflicht und Sanktionen
Nach § 289f Abs. 4 Satz 1 HGB i.V.m. § 289f Abs. 2 Nr. 4 – 5a HGB müssen die Geschäftsführer in den – nach § 325 HGB im Bundesanzeiger zu veröffentlichenden – Lagebericht eine Erklärung mit den festgelegten Zielgrößen für den Frauenanteil und die Umsetzungsfrist aufnehmen. Diese Vorschriften wurden im Zuge des FüPoG II neu gefasst. Dabei ist auch anzugeben, ob die Zielgrößen ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.11.2021 10:57
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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