Aktuell in der ZIP
Teilzeit im Vorstand der AG (von Bünau/Mahnhold, ZIP 2022, 1792)
Auch Kandidaten für den Vorstand fragen nach Teilzeit. Vereinzelt wurden bereits solche Regelungen bekannt. Für Vorstand und Aufsichtsrat ergeben sich dabei Besonderheiten. Diese werden im nachfolgenden Beitrag herausgearbeitet. Daneben werden Möglichkeiten zur Gestaltung von Corporate Governance und Dienstvertrag aufgezeigt.
I. Einleitung
II. Rahmenbedingungen
1. Pflichten aus dem Amt
2. Teilzeit im Dienstvertrag
3. Vergleich mit einvernehmlicher Dienstbefreiung
III. Pflichten des Vorstands
1. Leitung und Geschäftsführung
2. Geschäftsverteilung und Ressortzuständigkeit
3. Vereinbarkeit mit Teilzeit
a) Gremienarbeit im Vorstand
aa) Beschlussfassung
bb) Stimmabgabe
cc) Beschlüsse in Abwesenheit; Gefahr im Verzug
b) Teilnahmepflichten
c) Weitere Pflichten
d) Berichte an den Aufsichtsrat
e) Sondersituationen
f) Pflichten in der Krise
4. Management Information System
IV. Haftungsrisiko
1. Haftung des Teilzeitvorstands
a) Individuelle Pflichtverletzung
b) Folgerungen für das Tandem
c) Vergleich mit Abwesenheit wegen Krankheit
2. Haftung der Vollzeitvorstände
V. Pflichten des Aufsichtsrats
1. Bei der Bestellung (abstrakte Funktionsprüfung)
a) Geschäftsverteilungsplan (Ressort)
b) Persönliche Eignung
c) Sicherstellung der Aufgabenwahrnehmung
d) Gesamtverantwortung
e) Abstimmung mit anderen Vorständen
f) Sachliche Rechtfertigung
g) Anzahl der Vorstandsmitglieder
2. Während der Amtszeit (konkrete Funktionsprüfung)
3. Beim Ausscheiden (Tandem)
a) Amtsniederlegung oder Zeitablauf
b) Abberufung
4. Verfahren im Aufsichtsrat
VI. Offenlegung
1. Jahresabschluss
2. Börsennotierte Gesellschaften
a) Jahresabschluss und Vergütungsbericht
b) Ad-hoc-Publikation, Art. 17 MAR
VII. Gestaltung
1. Modelle
a) Verkleinertes Ressort
b) Doppelt besetztes Ressort: Tandem (Jobsharing)
c) Gruppenbezogene Aufgabenwahrnehmung (Jobpairing)
2. Vertragliche Regelungen
a) Haftungsbeschränkung und Ressortverteilung
b) Dauer und Lage der Arbeitszeit
c) Ausfall eines Tandemmitglieds
d) Vergütung; Mehrarbeit
3. Satzung; Hauptversammlungsbeschlüsse
VIII. Fazit
I. Einleitung
Nach dem Gesetz stellen Vorstandsmitglieder ihre ganze Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft. Das bedeutet nicht, dass ein Vorstand rund um die Uhr tätig sein muss. Ehrenämter, Nebentätigkeiten und selbst Wettbewerbshandlungen sind jedenfalls mit Einwilligung des Aufsichtsrats zulässig. Ohne gesonderte Vereinbarung entscheiden Vorstände selbst, wie viel sie arbeiten. Ihre Arbeitszeit wird von den gesetzlichen Pflichten bestimmt. Deshalb lassen sich private oder andere berufliche Interessen aber nicht ohne weiteres mit einem Vorstandsmandat vereinbaren. In der Regel ist die zeitliche Beanspruchung zu groß.
Umstände wie das Zweite Führungspositionen-Gesetz, der Führungskräftemangel und die öffentliche Diskussion über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf lassen erwarten, dass auch für Vorstände verstärkt nach neuen Arbeitszeitregeln gesucht werden wird. Für Arbeitnehmer haben sich Teilzeitmodelle etabliert. Sie werden zunehmend auch für Leitungsebenen anerkannt. Für Vorstände kann an eine Begrenzung der Arbeitszeit gedacht werden, um die Erwartungen von Aufsichtsrat und Vorstandskollegen zu steuern. Innerhalb der gesetzlichen Grenzen können sie dazu beitragen, andere Interessen mit dem Vorstandsmandat in Einklang zu bringen.
Der Begriff Teilzeit für Vorstände kann in die Irre führen. Teilzeit setzt als Bezugsgröße Vollzeit voraus. Für Vorstände lässt sich aus dem Gesetz nicht bestimmen, wie lange sie arbeiten müssen. Gleichwohl wird hier zur Vereinfachung von Teilzeit gesprochen. Gemeint ist die Begrenzung der Arbeitszeit eines Vorstands durch Organisation der Corporate Governance und Vertrag. Das wird anhand zweier Fälle näher betrachtet: Die Schaffung eines kleineren Vorstandsressorts und die Besetzung eines Ressorts mit zwei Vorstandsmitgliedern (Tandem).
II. Rahmenbedingungen
1. Pflichten aus dem Amt
Die Mitglieder des Vorstands haben ihre Leitungs- und Führungsaufgaben umfassend wahrzunehmen. Sie dürfen ihre Arbeitskraft grundsätzlich nicht anderweitig einsetzen, § 88 AktG. Das Amt verlangt ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Lange Arbeitszeiten müssen sie in Kauf nehmen.
Vorstände müssen die Sorgfaltspflichten nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG erfüllen. Ihre Pflichten können nur in geringem Umfang durch die Satzung (Unternehmensgegenstand), Geschäftsordnung des Vorstands, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats und Beschlüsse der Hauptversammlung beschränkt werden. Andere Beschränkungen sind unzulässig.
In der Praxis ist die Teilzeit meist als Ausnahme vom Wettbewerbsverbot anzutreffen. Vor allem in Konzernen haben Vorstände weitere Vorstands- oder Geschäftsführungsämter inne (sog. Doppelmandate). Wenn die Aufsichtsräte der beteiligten Gesellschaften zugestimmt haben, sind sie zulässig. Manche Vorstände sind außerhalb des Konzerns tätig. Meist nehmen sie dann Aufsichtsämter wahr. Der Aufsichtsrat kann Vorstandsmitgliedern sogar eine andere Geschäftstätigkeit erlauben. Durch seine Zustimmung befreit der Aufsichtsrat den Vorstand von seiner Pflicht zur Vollzeittätigkeit.
Diese Form der Teilzeit (unechte Teilzeit) ist zulässig, weil sie die gesetzlichen Pflichten des Vorstands nicht einschränkt. Ein Vorstand kann seine Pflichtverletzung nicht damit rechtfertigen, dass er wegen eines weiteren Amtes zu etwas anderem verpflichtet war. Zudem steht Vorständen bei der Leitung der Geschäfte ein weiter Beurteilungsspielraum zu, § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Vorbehaltlich der Regelungen in der Geschäftsordnung organisieren sie selbst, wie sie ihre Aufgaben wahrnehmen. Das AktG kennt keine Mindestarbeitszeit. Es legt nur die Pflichten fest. Wie viel Arbeit nötig ist, richtet sich nach den Umständen.
2. Teilzeit im Dienstvertrag
Vorstandsmitglieder haben keinen Anspruch auf Teilzeit. Sie sind keine Arbeitnehmer. Arbeitsrechtliche Vorschriften wie die des TzBfG und des ArbZG sind nicht auf sie anwendbar. Das gilt auch aus europarechtlicher Sicht.
Vorstandsmitglieder schließen meist einen Dienstvertrag mit der Gesellschaft. Sie stehen dann in zwei Rechtsverhältnissen zur Gesellschaft – dem Organverhältnis und dem Vertragsverhältnis. Im Vertrag kann die Arbeitszeit geregelt werden, auch in Form der Teilzeit. Dadurch entsteht die hier relevante echte, vertragliche Teilzeit.
3. Vergleich mit einvernehmlicher Dienstbefreiung
Mit der Teilzeit will ein Vorstandsmitglied teilweise von der Dienstpflicht befreit werden. Das ähnelt der einvernehmlichen Dienstbefreiung. Sie vereinbart der Aufsichtsrat mit einem Vorstandsmitglied, um es vorübergehend vom Dienst zu befreien. Es wird dann weder suspendiert noch abberufen. Das ist zulässig, wenn...
