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BGH: Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen und Prozesskostensicherheit

In einer für die anwaltliche Schiedsgerichtspraxis sehr bedeutsamen Entscheidung hat der BGH, Beschluss vom 12.1.2023 – I ZB 33/22, eine Kehrtwende vollzogen und die Forderung nach einer Prozesskostensicherheit (§ 110 ZPO) im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung von in- und ausländischen Schiedssprüchen nunmehr zugelassen. Der Sachverhalt ist kurz folgender: Der Antragsteller ist ein deutscher Unternehmer, der jahrzehntelang in der Russischen Föderation tätig war. Er kooperierte mit russischen Unternehmen; doch nach deren Ende kam es zum Streit: Der Antragssteller eröffnete ein Ad-hoc-Schiedsverfahren in Moskau und erreichte eine Verurteilung der Antragsgegner auf Schadensersatz von rund 50 Mio. €.

Die Antragsgegnerinnen wehrten sich mit einer negativen Feststellungsklage gegen die Anerkennung des russischen Schiedsspruchs. Der Antragssteller wehrte sich und erhob u.a. eine Widerklage, um die Verurteilung der Antragsgegnerinnen auf die Schadensersatzleistungen zu erreichen, die im Schiedsspruch ausgeurteilt waren. Daraufhin erklärten die Antragsgegnerinnen die negative Feststellungsklage für erledigt und beantragten, den Antrag auf Vollstreckbarerklärung abzulehnen. Das OLG Koblenz wies sowohl die einseitige Erledigungserklärung als auch den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs zurück, weil dieser in Deutschland nicht anzuerkennen sei. Während des Verfahrens verlegte der Antragsteller seinen Wohnsitz nach Dubai. Das veranlasste die Antragsgegnerinnen nunmehr den Antrag auf Prozesskostensicherheit nach § 110 ZPO zu stellen. Kurz danach verlegte der Antragsteller seinen Wohnsitz nach Italien.

Der erste Schritt in der Argumentation des BGH: Die eine Vollstreckung eines Schiedsspruchs beantragende Partei steht i.S.d. § 110 ZPO einem Kläger gleich (Rz. 11). Unter Geltung des bis 1997 anzuwendenden Schiedsverfahrensrechts hatte der BGH die Berufung auf § 110 ZPO als nicht statthaft erklärt (BGH SchiedsVZ 2022, 32). Nunmehr aber entscheidet sich der BGH – unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – dazu, eine analoge Anwendung von § 110 ZPO im Blick auf die Sicherstellung der Prozesskosten auch in einem Antragsverfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs zuzulassen (Rz. 15 ff.). Denn die beklagte Partei soll vor der Ungewissheit geschützt werden, ihre Prozesskosten nicht im Fall eines Obsiegens durchsetzen zu können.

Doch im Ergebnis erwies sich der Antrag der Antragsgegnerinnen auf Leistung einer Prozesskostensicherheit als unbegründet. Denn der Antragsteller hatte Widerklage erhoben. Diese Parteistellung aber dispensiert ihn nach § 110 Abs. 2 Nr. 4 ZPO davon, eine solche Sicherheit zu leisten. Denn die Privilegierung des Widerklägers – so der BGH – beruht darauf, dass er – anders als ein Beklagter, der von einer Klage sogar überrascht werden kann - zunächst selbst mit einer Klage überzogen worden ist und sich dann gegen diese zur Wehr setzt (Rz. 26).

Die Leitsätze des BGH weisen die zugrunde liegenden argumentativen Zusammenhänge nochmals sehr deutlich auf:

„1. Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung von inländischen oder ausländischen Schiedssprüchen sind die Vorschriften der §§ 110 ff. ZPO über die Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit entsprechend anwendbar. Der Antragsteller in einem solchen Verfahren steht einem Kläger i.S.v. § 110 Abs. 1 ZPO gleich.

2. Die Privilegierung des Widerklägers gem. § 110 Abs. 2 Nr. 4 ZPO findet ihre Rechtfertigung darin, dass die Erhebung einer Widerklage durch einen vorangegangenen Angriff des Klägers veranlasst ist. Es ist deshalb auch nicht ungeachtet der formalen Parteirolle derjenige als Angreifer anzusehen, der die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs begehrt.“



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.02.2023 10:56
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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