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BGH v. 23.2.2023 - I ZR 157/21

Cheat-Software: EuGH-Vorlage zum Schutz von Computerprogrammen

Der BGH hat sich vorliegend mit der urheberrechtlichen Zulässigkeit des Vertriebs von Software befasst, die dem Nutzer das Manipulieren des auf einer Spielkonsole ablaufenden Programms ermöglicht (sog. "Cheat-Software"). Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin vertreibt als exklusive Lizenznehmerin in ganz Europa Spielkonsolen und Computerspiele hierfür. Bei den Beklagten zu 1) und 2) handelt es sich um Unternehmen einer Unternehmensgruppe, die Software entwickelt, produziert und vertreibt, insbesondere Ergänzungsprodukte zu den Spielkonsolen der Klägerin. Der Beklagte zu 3) ist Director der Beklagten zu 2).

Mit der Software der Beklagten konnten Nutzer von Spielkonsolen der Klägerin bestimmte Beschränkungen in Computerspielen der Klägerin umgehen, zum Beispiel in einem Rennspiel die Beschränkung der Verwendbarkeit eines "Turbos" oder der Verfügbarkeit von Fahrern. Dies bewirkten die Softwareprodukte der Beklagten, indem sie Daten verändern, die die Spiele der Klägerin im Arbeitsspeicher der Spielkonsole ablegen. Die Klägerin rügt, dass dies eine unzulässige Umarbeitung ihrer Computerspiele i.S.v. § 69c Nr. 2 UrhG darstelle.

Das LG gab der auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Klage überwiegend statt. Indem die Nutzer mittels der Software der Beklagten durch externe Befehle in den Programmablauf der Computerspiele der Klägerin eingriffen und diesen veränderten, werde das Computerprogramm der Klägerin umgearbeitet. Es mache weder aus Benutzer- noch aus Urhebersicht einen Unterschied, ob eine Veränderung des Programmablaufs durch die Veränderung der Spielsoftware oder aber durch Veränderung von Daten im Arbeitsspeicher erreicht werde.

Das OLG wies die Klage ab. Es fehle an einer Umarbeitung eines Computerprogramms i.S.v. § 69c Nr. 2 UrhG. Die Software der Beklagten greife lediglich in den Ablauf der Computerspiele der Klägerin ein, indem sie die im Arbeitsspeicher der Spielkonsole abgelegten Daten verändere, nicht aber die Computerbefehle selbst. Der programmgemäße Ablauf eines Computerprogramms gehöre aber nicht zum Schutzgegenstand von § 69a UrhG. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die Gründe:

Der BGH möchte insbesondere Folgendes wissen:

Wird in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2009/24/EG eingegriffen, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?

Liegt eine Umarbeitung i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/24/EG vor, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
KI und Kunst – Zwei Thesen zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit computergenerierter Werke
Andreas Sesing-Wagenpfeil, CR 2022, 749

Aufsatz:
Der urheberrechtliche Computerprogrammschutz beim Einsatz von Werbeblockersoftware
Andreas Wiebe / Oliver Kreutz, CR 2022, 383

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Rechtsprechung:
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LG Hamburg vom 14.01.2022 - 308 O 130/19
Danjel-Philippe Newerla, IPRB 2022, 85

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.02.2023 10:19
Quelle: BGH PM Nr. 37 vom 23.2.2023

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