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BGH v. 10.11.2022 - I ZR 8/19

Keine erweiternde Auslegung des Händlerbegriffs

Händler i.S.d. § 54b Abs. 1 UrhG ist, wer gewerblich Geräte und Speichermedien erwirbt und weiterveräußert, also Kaufverträge über diese Produkte abschließt. Es ist mit Blick auf die aus Art. 5 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG folgende Ergebnispflicht bei der Gewährung des gerechten Ausgleichs für die Anfertigung von privaten Vervielfältigungen nicht geboten, Online-Marktplätze, die die Vermittlung von Kaufverträgen über vergütungspflichtige Geräte und Speichermedien ermöglichen, in den Kreis der Schuldner der Gerätevergütung aufzunehmen. Die analoge Anwendung des § 54b Abs. 1 UrhG auf Internet-Marktplätze kommt nicht in Betracht.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin, die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ), ist ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, deren Gesellschafter ihr das Inkasso der von ihnen wahrgenommenen Ansprüche der Urheber und Leistungsschutzberechtigten auf Zahlung einer Vergütung für Vervielfältigungen nach § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 UrhG übertragen haben. Die Beklagte ist Betreiberin eines Online-Marktplatzes, auf dem Händler im Rahmen eines einheitlichen, von dem Marktplatz vorgegebenen Layouts und unter der einheitlichen Domainstruktur der Beklagten Endkunden Waren anbieten. Dabei wurden auf der Plattform zwischen 2016 und 2018 auch Geräte und Speichermedien i.S.v. § 54 Abs. 1 UrhG angeboten.

Bei Einkäufen über den Marktplatz der Beklagten im fraglichen Zeitraum erfolgte die Zahlung des Kaufpreises durch den Käufer auf ein Treuhandkonto der Beklagten. Nach Abzug von "Gebühren", die die Beklagte von den Händlern für die Zurverfügungstellung des technischen Umfelds erhob, leitete sie den Restbetrag an die Händler weiter. Für den Fall, dass der Kunde bei einem Kauf auf Rechnung nicht innerhalb von 16 Tagen bezahlte, ließ sich die Beklagte von den Händlern die Kaufpreisforderung gegen den Kunden abtreten.

Die Klägerin war der Ansicht, die Beklagte unterliege als Importeurin und Händlerin sowie wegen der Überlassung von zur Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch geeigneter Geräte der urheberrechtlichen Vergütungspflicht. Sie hat die Beklagte auf Erteilung von Auskunft über die in den Jahren 2016 bis 2018 über ihre Plattform in Deutschland veräußerten oder in Verkehr gebrachten USB-Sticks und Speicherkarten in Anspruch genommen.

Das OLG hat die Klage abgewiesen. Der BGH hat die Entscheidung im Revisionsverfahren bestätigt.

Gründe:
Die Beklagte ist nicht vergütungspflichtig, weil sie weder Herstellerin noch Importeurin oder Händlerin nach § 54b Abs. 1 UrhG ist und auch keine Geräte oder Speichermedien in Verkehr gebracht hat.

Händler i.S.d. § 54b Abs. 1 UrhG ist, wer gewerblich Geräte und Speichermedien erwirbt und weiterveräußert, also Kaufverträge über diese Produkte abschließt. Es ist mit Blick auf die aus Art. 5 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG folgende Ergebnispflicht bei der Gewährung des gerechten Ausgleichs für die Anfertigung von privaten Vervielfältigungen nicht geboten, Online-Marktplätze, die die Vermittlung von Kaufverträgen über vergütungspflichtige Geräte und Speichermedien ermöglichen, in den Kreis der Schuldner der Gerätevergütung aufzunehmen. Durch die Haftung der Hersteller, Importeure und Händler ist sichergestellt, dass der unionsrechtlich vorbestimmten Ergebnispflicht zur Erhebung des gerechten Ausgleichs genügt wird, weil sämtliche Stufen der Handelskette hiervon erfasst sind.

Eine erweiternde Auslegung des Händlerbegriffs ist nicht veranlasst. Die analoge Anwendung des § 54b Abs. 1 UrhG auf Internet-Marktplätze kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Infolgedessen blieb die Revision auch insofern erfolglos, soweit sie sich gegen die Beurteilung des OLG gerichtet hatte, die Beklagte sei nicht Importeurin i.S.v. § 54b Abs. 1 und 2 UrhG.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.03.2023 16:28
Quelle: BGH online

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