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Verpflichtende Angaben im Darlehensvertrag zur Berechnung von Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung (Lang/Rösler, ZIP 2023, 836)

In jüngerer Zeit kam es häufig zu Auseinandersetzungen im Hinblick auf die Formulierung der nach § 492 Abs. 2 i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB geforderten Darstellung zur Art der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 BGB. Der BGH hält es für ausreichend, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt (BGH v. 5.11.2019 – XI ZR 650/18, ECLI:DE:BGH:2019:051119UXIZR650.18.0, ZIP 2019, 2396 = EWiR 2020, 35 (Berger/Nettekoven)). Demgegenüber fordert der EuGH, dass im Kreditvertrag die Methode für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens fälligen Entschädigung in einer konkreten und für einen Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbaren Weise anzugeben ist, so dass dieser die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der in diesem Vertrag erteilten Informationen bestimmen kann (EuGH v. 9.9.2021 – C-33/20, C-155/20, C-187/20, ECLI:EU:C:2021:736, ZIP 2021, 1957 = EWiR 2022, 1 (Omlor/Heine)). Die deutsche Instanzenrechtsprechung kam hier – auch bei identischen Klauseln in den Verträgen – zu vollkommen unterschiedlichen Ergebnissen. Für den Fall der Nichtabnahmeentschädigung existiert keine gesetzliche Vorgabe. Hier wird darüber diskutiert, ob § 502 BGB analoge Anwendung findet. Der Beitrag stellt die wesentlichen Argumfente dar und zeigt praktische Lösungsmöglichkeiten auf.

I. Einleitung
II. Der Weg zum EuGH
III. Instanzenrechtsprechung

1. Akzeptanz der Klausel zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung
a) OLG Frankfurt vom 13.8.2021
aa) Inhalt der Entscheidung
bb) Stellungnahme
b) OLG Stuttgart vom 23.2.2022
c) OLG Stuttgart vom 18.5.2022
d) OLG Bamberg vom 25.4.2018
e) LG Bonn vom 24.3.2022
f) LG Darmstadt vom 1.4.2022
g) LG Köln vom 18.8.2022
h) LG Saarbrücken vom 24.6.2022
i) LG Düsseldorf vom 11.1.2023 und LG Hamburg vom 31.1.2023
2. Ablehnung der Klausel zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung
a) OLG Frankfurt vom 1.7.2020
aa) Inhalt der Entscheidung
bb) Stellungnahme
b) LG Rostock vom 10.2.2021
aa) Inhalt der Entscheidung
bb) Stellungnahme
c) LG Konstanz vom 8.12.2020
d) LG Darmstadt vom 14.6.2022
e) LG Hamburg vom 19.2.2021
f) LG Kiel vom 4.11.2022
g) LG Limburg vom 2.12.2022
h) OLG Schleswig vom 21.12.2022 und OLG Hamburg vom 12.12.2022
IV. Lösungsmöglichkeiten zur Vorfälligkeitsentschädigung
1. Destillierte Erkenntnisse aus der Rechtsprechung
2. Verständliche Mindestinformation vs. Information Overload
3. Eigener Lösungsansatz
V. Berechnungsangaben zur Nichtabnahmeentschädigung
VI. Fazit



I. Einleitung
„Dem Geld darf man nicht nachlaufen, man muss ihm entgegengehen.“

Aristoteles Onassis (1906 – 1975), griechisch-argentinischer Reeder

Jeder Verbraucherdarlehensvertrag muss u.a. klare und verständliche Angaben zur Art der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung enthalten. Für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge ist dies in § 492 Abs. 2 i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBG geregelt. Allerdings unterliegt die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung in diesen Konstellationen bestimmten Grenzen (§ 502 Abs. 3 BGB), so dass die wirtschaftliche Bedeutung in diesen Fällen eher gering ist.

Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen gibt das Gesetz jedoch keine fixen Grenzen vor. Seit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie zum 21.3.2016 fordert § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB im Zusammenhang mit Immobiliar-Verbraucherverträgen u.a. die Darstellung der „Berechnung der Voraussetzungen und der Berechnungsmethode für den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt ...“.

In jüngerer Zeit kam es vermehrt zu gerichtlichen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dieser Darstellung in verschiedenen Darlehensverträgen. Im Fokus standen bereits entsprechende Klauseln der Commerzbank, der Sparkassen, der Volksbanken und einer Bausparkasse. Sofern ein Gericht feststellt, dass die entsprechende Klausel im Darlehensvertrag nicht den Anforderungen des § 492 Abs. 2 i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBG bzw. i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB entspricht, hat dies nach § 502 Abs. 2 Nr. BGB zur Konsequenz, dass die Bank oder Sparkasse keinen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung geltend machen kann.

II. Der Weg zum EuGH
Ausgangspunkt der BGH-Rechtsprechung, die sich mit der Frage der Darstellung der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung befasst haben, sind zwei Urteile vom 5.11.2019. In diesen hatte der BGH klargestellt, dass die nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB erforderliche Information über die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung klar und verständlich ist, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt. Einer Darstellung einer finanzmathematischen Berechnungsformel bedürfe es nicht; dies trüge zu Klarheit und Verständlichkeit nichts bei.

In seiner Entscheidung vom 28.7.2020 hat der BGH zwar festgestellt, dass der Darlehensgeber den Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 BGB verliert, wenn die Angaben zur Methode der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in einem Verbraucherdarlehensvertrag fehlerhaft sind. Allerdings hat er durch Beschluss vom 11.2.2020 seine bisherige Rechtsprechung zur Darstellung der Berechnungsmethode bestätigt. Nach Ansicht des BGH sind die finanzmathematischen Formeln, die der konkreten Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Aktiv- oder Aktiv-Passiv-Methode zugrunde liegen, ihrer Natur nach nicht allgemein verständlich. Eine Darstellung würde daher zur Klarheit, Verständlichkeit und Prägnanz der Pflichtangabe nichts beitragen. Es sei auch nicht notwendig, dass sich die Bank bereits auf eine der Methoden festlegt, denn erstens sind die Namen der Methoden für den Verbraucher unverständlich und damit irrelevant, zweitens führen der Aktiv-Aktiv-Vergleich in der konkreten Variante (in der abstrakten Variante wegen der Abstraktion des Margenschadens nicht ganz) und der Aktiv-Passiv-Vergleich zu identischen Ergebnissen, wenn man als (notwendige und gar nicht vermeidbare) Prämisse die fristenkongruente Bewertung akzeptiert. Denn ansonsten wäre die ganze Berechnung ohnehin willkürlich.

Das LG Ravensburg hatte in zwei Vorlagefragen den Europäischen Gerichtshof vom 7.1.2020 und vom 5.2.2020 um Klärung gebeten, ob Art. 10 Abs. 2 lit. r) RL 2008/48/EG dahingehend auszulegen ist, dass im Kreditvertrag ein konkreter und vom Verbraucher nachvollziehbarer Rechenweg für die Ermittlung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung anzugeben ist, so dass der Verbraucher die Höhe der bei vorzeitiger Kündigung anfallenden Entschädigung zumindest annäherungsweise berechnen kann.

Der Europäische Gerichtshof hat auf die Vorlagefragen durch Urteil vom 9.9.2021 reagiert und festgestellt, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. r RL 2008/48 dahin auszulegen ist, dass im Kreditvertrag die Methode für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens fälligen Entschädigung in einer konkreten und für einen Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbaren Weise anzugeben ist, so dass dieser die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der in diesem Vertrag erteilten Informationen bestimmen kann.

Zu diesem Zweck sei es in Bezug auf die bei vorzeitiger Rückzahlung fällige Entschädigung nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. r RL 2008/48 zwar nicht erforderlich, dass der Kreditvertrag die mathematische Formel nennt, mittels deren diese Entschädigung berechnet wird. Allerdings müsse er die Methode zur Berechnung dieser Entschädigung in einer konkreten und für einen Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbaren Weise angeben, so dass dieser die Höhe der bei vorzeitiger Rückzahlung fälligen Entschädigung anhand der im Kreditvertrag gegebenen Informationen bestimmen kann.

Ein bloßer Verweis für die Berechnung der im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens geschuldeten Entschädigung auf die von einem nationalen Gericht, im vorliegenden Fall vom BGH, vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen genüge nicht dem Erfordernis, dem Verbraucher den Inhalt seiner vertraglichen Verpflichtung zur Kenntnis zu bringen.

Vor diesem Hintergrund kam es zu zahlreichen Auseinandersetzungen. Hierbei haben die Gerichte nicht auf eine Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB bzw. einen Verstoß gegen das in § 305c Abs. 2 BGB normierte Transparenzgebot erkannt, sondern sich an § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB orientiert, wonach die Vertragsangaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung i.S.d. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB unzureichend sind, wenn sie nicht klar und verständlich i.S.d. Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB i.V.m. § 493 sind.

III. Instanzenrechtsprechung

1. Akzeptanz der Klausel zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

a) OLG Frankfurt vom 13.8.2021

aa) Inhalt der Entscheidung

Das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil vom 13.8.2021 die Angaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in den Darlehensbedingungen der Volksbanken als verständlich und zureichend erachtet. Anders als das LG Konstanz in seiner Entscheidung vom 8.12.2020 habe die beklagte Bank nach Ansicht des Gerichts unter Nr. 8 ihrer Vertragsbedingungen hinreichend deutlich darüber informiert, dass sie...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.04.2023 10:13
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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