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BGH v. 12.1.2023 - I ZR 86/22

Firmen-Logos dürfen auf Modellspielzeug angebracht werden

Angesichts der jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreuer Nachbildungen im Modellspielzeugbau und der Erwartung, die der Verkehr hieran stellt, besteht ein berechtigtes Interesse, ein in der Realität vorkommendes Fahrzeug nachzubauen und darauf nicht nur - wie in der Wirklichkeit - das Kennzeichen des Herstellers des jeweiligen Fahrzeugs, sondern auch Kennzeichen anzubringen, die Unternehmen auf solchen Fahrzeugen zum Zwecke der Werbung für ihre Dienstleistungen (hier:“ DACHSER“) verwenden.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist das Logistikunternehmen DACHSER. Der Name ist eine beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragene Wort-Bild-Marke. Das gilt auch für das Zeichen "DACHSER Food Logistics". Die Klägerin nutzt ihre Marken u.a. auf Lastkraftwagen und Lagerhallen. Die Beklagte ist ein auf Produkte im Bereich des Modellbaus und von Modellanlagen spezialisiertes Unternehmen und vertreibt insbesondere Modelle von Landschaften, Gebäuden und Fahrzeugen, u.a. auch Lastwagen- und Lagerhallenmodelle mit dem Aufdruck „DACHSER“.

Die Klägerin sah in der Verwendung des Zeichens "DACHSER" auf den Modellen der Beklagten eine Verletzung ihrer Marken, bei denen es sich nach ihrer Behauptung um bekannte Marken handelt. Sie hatte die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Das LG hat der Klage stattgegeben. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das OLG die Klage insgesamt abgewiesen. Der BGH hat die Berufungsentscheidung bestätigt.

Gründe:
Das OLG hat die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 MarkenG wegen der Verwendung der Bezeichnung "DACHSER Food Logistics" auf dem Lkw-Modell der Beklagten ohne Rechtsfehler verneint. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte auch wegen des Vertriebs des Lagerhallenmodells weder Ansprüche auf markenrechtlicher noch auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage zu.

Zwar nutzt die Beklagte nutzt die Wertschätzung der Klagemarken aus. Dies erfolgt jedoch nicht in unlauterer Weise. Angesichts der jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreuer Nachbildungen im Modellspielzeugbau und der Erwartung, die der Verkehr hieran stellt, besteht ein berechtigtes Interesse, ein in der Realität vorkommendes Fahrzeug nachzubauen und darauf nicht nur - wie in der Wirklichkeit - das Kennzeichen des Herstellers des jeweiligen Fahrzeugs, sondern auch Kennzeichen anzubringen, die Unternehmen auf solchen Fahrzeugen zum Zwecke der Werbung für ihre Dienstleistungen verwenden.

Wenn ein von einem Dritten detailgetreu nachgebildetes Kfz-Modell an der entsprechenden Stelle die Abbildung einer bekannten Dienstleistungsmarke trägt, ist eine Ausnutzung des Rufs "in unlauterer Weise" i.S.v. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG nur dann gegeben, wenn über die bloße wirklichkeitsgetreue Abbildung hinaus in anderer Weise versucht wird, die Wertschätzung der bekannten Marke werblich zu nutzen. Ergibt sich beim Vertrieb solcher Spielzeugautos jeglicher Zusammenhang mit der Marke allein aus der spielzeughaft verkleinerten Nachbildung des Originals zwangsläufig wie beiläufig, fehlt es an dem Merkmal der unlauteren Rufausnutzung (Bestätigung und Fortführung von BGH, Urt. vom 14.1.2010 - I ZR 88/08, Opel-Blitz II).

Wegen der jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreuer Nachbildungen der Realität im Spielzeug- und Modellbereich und einer entsprechenden Verbrauchererwartung besteht ein berechtigtes Interesse des Spielzeugherstellers, nicht nur Fahrzeuge, sondern auch Gebäude als Modelle vertreiben zu können, auf denen bekannte Marken angebracht sind, soweit sie eine Miniaturdarstellung der Realität darstellen. Nach den Umständen des Einzelfalls kann es ausreichen, wenn das Modell die für die Unternehmensidentität entscheidenden Gestaltungsmerkmale einschließlich des Logos übernimmt, so dass der Verkehr in dem Modell den Nachbau eines in der Realität typischerweise vorkommenden Gebäudes des Markeninhabers erkennt.

Der Senat hat zwar bislang lediglich für Marken entschieden, die für Kraftfahrzeuge - also für Waren - geschützt sind, während es im Streitfall um Marken geht, die für Dienstleistungen Schutz beanspruchen. Dies rechtfertigt jedoch keine abweichende Beurteilung. Der EuGH hat entschieden, dass die Frage, ob eine Benutzung die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke als eingetragene Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise aus[1]nutzt oder beeinträchtigt, eine Würdigung der Tatsachen erfordert und dass diese Tatsachenwürdigung den nationalen Gerichten obliegt.

Die Erwägungen des Senats in der "Opel-Blitz II"-Entscheidung stehen zu der EuGH-Entscheidung "Adam Opel" nicht in Widerspruch. Der Senat hat darin ausgeführt, dass eine mit der wirklichkeitsgetreuen Nachbildung von Spielzeug verbundene Ausnutzung des Rufs des Kraftfahrzeugherstellers als solche nicht unlauter ist, weil insoweit wegen der Erwartungen, welche die angesprochenen Verbraucher an derartiges Spielzeug stellen, und wegen der darauf beruhenden jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreuer Nachbildungen ein berechtigtes Interesse des Spielzeugherstellers besteht. Ebenso wie bei einer beschreibenden Verwendung i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG hat der Inhaber der für Kraftfahrzeuge geschützten bekannten Marke das mit der wirklichkeitsgetreuen Nachbildung notwendigerweise verbundene Maß an Verwechslungsgefahr hinzunehmen.

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Aufsatz:
Das Einheitspatentsystem
Aloys Hüttermann, IPRB 2022, 213

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.04.2023 15:14
Quelle: BGH online

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