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BFH: Nichtberücksichtigung „finaler“ Verluste ausländischer Betriebsstätten

Die Klägerin eines vor dem BFH, der den Umweg über den EuGH nahm, geführten Verfahrens war eine im Inland ansässige Wertpapierhandelsbank. Sie unterhielt in Großbritannien eine Zweigniederlassung. Doch auf der Insel wurden keine Gewinne, wohl aber deutliche Verluste erzielt. Daher entschloss sich der Vorstand der Muttergesellschaft sehr bald, die Tore der Zweigniederlassung zu schließen. Die Folge war, dass ein weiterer Verlustvortrag nicht mehr in Betracht kam; Abgaben von Steuererklärungen für die Betriebsstätten waren deshalb entbehrlich.

In dem vor dem Hessischen Finanzgericht geführten Verfahren vertrat die Klägerin die Auffassung, die der Zweigniederlassung zuzuordnenden Verluste seien aus unionsrechtlichen Gründen als „finale“ Verluste zu qualifizieren. Das Finanzamt war anderer Ansicht; doch die Klägerin obsiegte vor dem Hessischen Finanzhof: Die in England erlittenen Verluste wurden bei der Festsetzung der Einkommen- und der Gewerbesteuer steuermindernd berücksichtigt.

Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH gelangte nunmehr der BFH in seinem Urteil vom 22.2.2023 (BFH, Urt. v. 22.2.2023 – I R 35/22 (I R 32/18)) jedoch zu dem in einem Leitsatz festgehaltenen gegenteiligen Ergebnis: „Der auf einem DBA beruhende Ausschluss der Berücksichtigung von Verlusten einer in einem anderen Mitgliedstaat gelegenen Betriebsstätte (sog. Symmetriethese) verstößt auch im Hinblick auf endgültige (‚finale‘) Verluste nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit.“

Im Hintergrund steht hier das neue Urteil des EuGH v. 22.9.2022 – C-538/20 (DStR 2022, 1993). Danach sind die für die Beurteilung der Niederlassungsfreiheit maßgebenden Normen der Art. 49 und 54 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der eine dort gebietsansässige Gesellschaft die „endgültigen (‚finalen‘) Verluste ihrer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte von ihrem steuerpflichtigen Gewinn nicht abziehen kann, wenn der Ansässigkeitsmitgliedstaat aufgrund eines DBA auf seine Befugnis zur Besteuerung der Einkünfte dieser Betriebsstätte verzichtet hat“. In einem solchen Fall fehlt es – abkommensbedingt – an der Besteuerungsbefugnis des Sitzstaates, so dass schon tatbestandlich kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit in Betracht gezogen werden kann (Rz. 19). Diese Einordnung beruht ihrerseits auf der Erwägung, dass der Ausschluss der Besteuerung der (ausländischen) Betriebsstättengewinne und auch der entsprechenden Verluste – und darum ging es im Streitfall – auf einer bilateralen Vereinbarung (DBA) beruht, nicht aber auf der Entscheidung des nationalen Steuergesetzgebers (Rz. 21).



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.05.2023 11:06
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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