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EuGH: Keine Abänderung missbräuchlicher Klausel durch das angerufene Gericht

Erneut hat der EuGH, Urt. v .27.4.2023 – C-705/21 – AxFina Hungary, zu den vielfältigen Fragen Stellung bezogen, die sich aus der Anwendung von Art. 6 Abs. 1 der Klausel-RL 93/13/EWG (Unverbindlichkeit einer missbräuchlichen Klausel) und Art. 7 Abs. 1 (zwingende abschreckende Wirkung gegen den Verwender missbräuchlicher Klauseln) ergeben. Wieder ging es – dieses Mal in einem ungarischen Fall – um die Rechtsfolgen, die sich bei einem im Jahr 2008 aufgenommenen Fremdwährungsdarlehen über einen Betrag von ca. 7.000 € (Autokauf) ergaben. Bis zum August 2015 zahlte der Kläger die Raten.

Nachdem das vorlegende Gericht den Vertrag wegen der missbräuchlichen Fremdwährungsklausel für unwirksam erklärt hatte, ist es der Auffassung, dass der in Rede stehende Darlehensvertrag – nach Fortfall der missbräuchlichen Wechselkurs-Klausel – nicht mehr erfüllt werden kann (Rz. 16). Doch aus einer Stellungnahme des Beratenden Ausschusses des ungarischen Obersten Gerichts folgt, dass die einzige nach ungarischem Recht vorzusehende Rechtsfolge darin besteht, dass der Vertrag gleichwohl für wirksam erklärt wird. Diese – unverbindliche – Empfehlung löst beim vorlegenden Gericht die Frage aus, ob eine solche Rechtsfolge mit den Geboten der Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Klausel-RL im Einklang ständen (Rz. 20).

Gegen diese Möglichkeit wendet sich der Gerichtshof mit Nachdruck. Der Abschreckungseffekt des Art. 7 Abs. 1 der Klausel-RL verbietet es, den Inhalt der missbräuchlichen Klausel einfach abzuändern (Rz. 39). Denn die Gewerbetreibenden würden sonst versucht sein, die betreffende Klausel einfach weiterhin zu verwenden, weil ihnen ja kein Ungemach droht, wenn die Gerichte ihre Änderungsbefugnis dahin nutzen, die Klausel trotz ihrer Missbräuchlichkeit einfach betreffend Wechselkursrisiko und Zinssatz anzupassen (Rz. 40 f.). Wenn aber – so führt der Gerichtshof weiter aus – die Missbräuchlichkeit der Klausel die Nichtigkeit des gesamten Vertrags nach sich zieht, dann kommt es darauf an, ob der Verbraucher auf diese Weise „geschädigt“ würde (Rz. 44). Das ist selbst bei einem nichtigen Darlehensvertrag (als Folge der Rückzahlungspflichten des Darlehensnehmers) nicht sicher und auch nicht die einzig mögliche Rechtsfolge (Rz. 44). Vielmehr kann das angerufene Gericht zum Schutz der Interessen des Verbrauchers wegen der Nichtigkeit eines Darlehensvertrags anordnen, dass die Bank alle rechtsgrundlos erhaltenen Beträge nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuzahlen hat (Rz. 48).

Darüber hinaus will das vorlegende Gericht wissen, ob diese unwirksame Bestimmung durch die Vorschriften des (ungarischen) Bürgerlichen Gesetzbuchs betreffend die geschuldete Währung, die Zahlung von Zinsen und auch im Hinblick auf die Festlegung des Zinssatzes ersetzt werden kann. Die streng ablehnende Antwort ist im zweiten Leitsatz dieser Entscheidung nachzulesen:

„Art. 6 Abs. 1 der RL 93/13 ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung, wenn eine Klausel in einem Vertrag über ein auf eine Fremdwährung lautendes, aber in inländischer Währung zurückzuzahlendes Darlehen, die das Wechselkursrisiko dem Verbraucher aufbürdet, aufgrund ihrer Missbräuchlichkeit die Unwirksamkeit dieses Vertrags nach sich zieht, einer Regelung entgegensteht, nach der dieser Vertrag für einen Zeitraum von seinem Abschluss bis zum Inkrafttreten nationaler Rechtsvorschriften über die Umwandlung von auf Fremdwährung lautenden Darlehensverträgen in nationale Währung aufrechterhalten und die Klausel durch allgemeine Vorschriften des nationalen Rechts ersetzt wird, soweit solche nationalen Rechtsvorschriften die Klausel über einen bloßen, vom nationalen Gericht vorgenommenen Austausch nicht sachgerecht ersetzen können, ohne dass ein Eingriff des Gerichts erforderlich wäre, der darauf hinausliefe, den Inhalt einer in dem Vertrag enthaltenen missbräuchlichen Klausel abzuändern.“



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.05.2023 11:12
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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