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BGH v. 18.4.2023 - VI ZR 345/21

Ausgleichsanspruch des Unfallgegners gegen Leasingnehmer und Fahrer nach Schadensregulierung beim Leasinggeber

Zum Ausgleichsanspruch des Unfallgegners gegen den haltenden Nichteigentümer (Leasingnehmer) und den Fahrer nach Regulierung der Schadensersatzansprüche des Leasinggebers wegen der Verletzung seines Eigentums an dem Fahrzeug.

Der Sachverhalt:
Der klagende Haftpflichtversicherer nimmt die Beklagten auf Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch. Am 8.3.2017 kam es zu einem Verkehrsunfall, an dem ein bei der Klägerin versicherter Klein-Lkw und der vom Beklagten zu 2) geführte und von der Beklagten zu 1) gehaltene Pkw beteiligt waren. Hierbei wurde der Pkw beschädigt. Der Pkw stand im Eigentum der S. Leasing SE, von der die Beklagte zu 1) das Fahrzeug geleast hatte. Die in den Leasingvertrag einbezogenen AGB der Leasinggeberin enthalten u.a. folgende Bestimmungen, wobei S die Leasinggeberin bezeichnet:

"8. Übernahme, Gefahrtragung, Sachgefahr
8.1 Der Leasingnehmer übernimmt das Fahrzeug am vereinbarten Ort der Übernahme gegen Unterzeichnung einer Empfangsbestätigung. Die Übergabe findet nur nach vollständiger Zahlung einer ggf. vereinbarten Mietsonderzahlung statt.
8.2 Für Untergang, Verlust, Beschädigung und schadensbedingte Wertminderung des Fahrzeugs und seiner Ausstattung haftet der Leasingnehmer S ab Besitzübergang auch ohne Verschulden, jedoch nicht bei Verschulden von S. Die Leasingraten sind daher auch zu zahlen für die Dauer von Reparaturarbeiten oder bei einem Ausfall, Verlust oder Untergang des Fahrzeugs. [S tritt dem Leasingnehmer alle Rechte gegenüber Dritten, einschließlich Versicherern wegen des Nutzungsausfalls ab.] Das Kündigungsrecht nach Ziffer 13.8 bleibt unberührt.
8.3 Erfolgt die Übernahme des Fahrzeugs auf Anforderung des Leasingnehmers an einem anderen als dem vereinbarten Übernahmeort, so trägt der Leasingnehmer, sofern nicht in Textform zuvor etwas anderes vereinbart ist, auch das in Ziffer 8.2 beschriebene Risiko während der Überführung des Fahrzeuges zum Übergabeort.
13. Versicherungsschutz und Schadensabwicklung
13.1 Der Leasingnehmer hat - sofern im Rahmen eines sogenannten Full-Service-Vertrages nichts Anderslautendes vereinbart wurde - das Fahrzeug gemäß den Bestimmungen dieser Ziffer 13 zu versichern. Auf Kosten des Leasingnehmers sind folgende Versicherungen abzuschließen und für die Dauer der Laufzeit des Leasingvertrages aufrechtzuerhalten: …
13.2 Mit Abschluss des Einzelleasingvertrages tritt der Leasingnehmer unwiderruflich alle fahrzeugbezogenen Ersatzansprüche (betrifft nicht Ansprüche wegen Personenschaden, Nutzungsausfall, Mietwagen, Lohnfortzahlung) aus den Versicherungsverträgen, sowie gegen etwaige Schädiger und gegen deren Versicherer an S ab. S nimmt die Abtretung an.
13.4 Der Leasingnehmer hat jeden Schaden am Fahrzeug unverzüglich S anzuzeigen.
13.5 Die versicherungstechnische Abwicklung aller fahrzeugbezogenen Schäden erfolgt durch S. Der Leasingnehmer haftet für alle Schäden, soweit sie nicht von einer Versicherung/Dritten gedeckt werden.
13.7 Erleidet das Fahrzeug einen Schaden, für den ein Versicherer/Dritter nicht oder nicht in voller Höhe eintritt, hat S gegen den Kunden einen sofort fälligen Anspruch, der sich - je nach Wahl von S - der Höhe nach auf den Reparaturkostenbetrag laut Werkstattrechnung oder auf den Reparaturkostenbetrag laut Gutachten eines Sachverständigen beläuft, sowie ab einer Schadenshöhe von 1.000 € (netto) die daraus resultierende Wertminderung."

Der Unfallhergang konnte nicht geklärt werden. Die Klägerin regulierte die Schadensersatzansprüche der Leasinggeberin vollständig. Mit der Klage begehrt sie von den Beklagten im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs die Zahlung von 50 % des von ihr gezahlten Betrags.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf hälftigen Ersatz des von ihr an die Leasinggeberin gezahlten Betrags zu. Ein Anspruch der Klägerin auf Innenausgleich gem. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aus. Es fehlt an dem für einen Ausgleichsanspruch erforderlichen Gesamtschuldverhältnis zwischen den Parteien.

Gem. § 421 Satz 1 BGB haften mehrere Schuldner als Gesamtschuldner, wenn jeder von ihnen die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger die Leistung aber nur einmal zu fordern berechtigt ist. Erste Voraussetzung für die Annahme einer Gesamtschuld ist dementsprechend, dass sich der Anspruch des Gläubigers gegen verschiedene Personen richtet. Bereits hieran fehlt es im Streitfall. Zwar stand der Leasinggeberin gegen die Klägerin ein Schadensersatzanspruch aus § 7 StVG, § 115 VVG wegen der Verletzung ihres Eigentums am Pkw zu. Die Beklagten sind der Leasinggeberin aber nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Zutreffend hat das OLG eine Haftung der Beklagten zu 1) aus § 7 Abs. 1 StVG verneint. Nach dem Schutzzweck dieser Norm erstreckt sich die Haftung des Halters nicht auf das von ihm gehaltene Fahrzeug selbst. Zu Recht hat das OLG auch eine deliktische Haftung der Beklagten verneint (§ 823 Abs. 1, § 831 BGB).

Der Leasinggeberin steht kein Anspruch gegen die Beklagte zu 1) aus § 280 Abs. 1, § 278 BGB zu. Es fehlt an der für einen solchen Anspruch erforderlichen Pflichtverletzung. Der Betrieb eines geleasten Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr kann für sich genommen nicht als Verletzung einer Pflicht aus dem Leasingvertrag qualifiziert werden. Eine andere Beurteilung liefe dem Zweck des Kraftfahrzeugleasingvertrags zuwider. Dieser besteht gerade darin, dem Leasingnehmer den Gebrauch eines Fahrzeugs im Straßenverkehr zu ermöglichen. Eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) bei dem Betrieb des geleasten Fahrzeugs vermochte das OLG nicht festzustellen. Bei dieser Sachlage begründet "die Beschädigung des Fahrzeugs generell" keine Pflichtverletzung. Eine Pflichtverletzung bei dem Betrieb des Fahrzeugs ist vorliegend auch nicht in erweiternder Anwendung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu vermuten.

Ein Schadensersatzanspruch der Leasinggeberin gegen die Beklagte zu 1) ergibt sich auch nicht aus Ziffer 8.2 Satz 1 der in den Leasingvertrag einbezogenen AGB der Leasinggeberin. Die darin enthaltene Bestimmung begründet keine verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht des Leasingnehmers, sondern enthält eine Gefahrtragungsklausel. Die Klausel in Ziffer 8.2 Satz 1 der AGB ist dahin auszulegen, dass darin die Sach- und Gegenleistungsgefahr entsprechend der kaufrechtlichen Wertung des § 446 BGB auf den Leasingnehmer abgewälzt, nicht hingegen aber eine verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht des Leasingnehmers begründet wird. Wenn der Leasingnehmer - wie in Ziffer 8.2 Satz 1 AGB vorgesehen - für Untergang, Verlust, Beschädigung und Wertminderung des Fahrzeuges und seiner Ausstattung auch ohne Verschulden haftet, bedeutet dies für ihn, dass er durch derartige, von ihm nicht verschuldete Umstände anders als nach der Gesetzeslage nicht von seiner Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung befreit ist. Die Bestimmungen in Ziffer 8 der AGB regeln die "Übernahme, Gefahrtragung, Sachgefahr". Schadensersatzansprüche des Leasinggebers gegen den Leasingnehmer wegen Verletzung des Sacherhaltungsinteresses sind hingegen Gegenstand der Bestimmungen in Ziffer 13.5 Satz 5 und 13.7 Satz 2 AGB. Sie stehen ausweislich des eindeutigen Wortlauts unter der einschränkenden Voraussetzung, dass die eingetretenen Schäden nicht von einer Versicherung oder einem Dritten gedeckt werden.

Ein Schadensersatzanspruch der Leasinggeberin gegen die Beklagte zu 1) aus Ziffer 13.5 Satz 5 oder 13.7 Satz 2 AGB scheitert daran, dass die eben genannte einschränkende Voraussetzung nicht erfüllt ist. Nach den getroffenen Feststellungen hat ein Dritter - nämlich die Klägerin - die Schadensersatzansprüche der Leasinggeberin vollständig reguliert. An dem für einen Ausgleichsanspruch der Klägerin erforderlichen Gesamtschuldverhältnis fehlte es aber auch dann, wenn sich - wie nicht - aus Ziffer 8.2 Satz 1 AGB eine verschuldensunabhängige Haftung der Beklagten zu 1) für Beschädigungen des Leasingfahrzeugs ergeben würde. Denn soweit ein Gesamtschuldverhältnis - wie im Streitfall - nicht durch Gesetz bestimmt oder durch Vertrag ausdrücklich vereinbart wird, bedarf es zusätzlich zu den in § 421 BGB beschriebenen Voraussetzungen einer Gleichstufigkeit zwischen den für die Begründung einer Gesamtschuld in Betracht kommenden Verpflichtungen. Zwischen den Haftenden muss eine Tilgungsgemeinschaft bestehen, an der es fehlt, wenn der Leistungszweck der einen gegenüber der anderen Verpflichtung subsidiär oder nachrangig ist.

So verhält es sich im Streitfall. Wie bereits ausgeführt, sind Allgemeine Geschäftsbedingungen vor dem Hintergrund des gesamten Formularvertrags zu interpretieren; eine Klausel darf nicht aus einem ihre Beurteilung mit beeinflussenden Zusammenhang gerissen werden. Im Streitfall sind bei der Bestimmung der Reichweite einer etwaigen verschuldensunabhängigen Haftung der Beklagten zu 1) aus Ziffer 8.2 der AGB deshalb die Klauseln in Ziffer 13.5 Satz 5 und 13.7 Satz 2 der AGB zu berücksichtigen, die die Haftung des Leasingnehmers wegen Verletzung des Sacherhaltungsinteresses des Leasinggebers regeln. Ausweislich ihres eindeutigen Wortlauts haftet der Leasingnehmer für Schäden am Fahrzeug aber nur, soweit sie nicht von einer Versicherung oder einem Dritten gedeckt werden. Dritte in diesem Sinne ist, wie bereits ausgeführt, auch die Klägerin.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.05.2023 11:22
Quelle: BGH online

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