EU: Batterie-VO als erster europäischer Rechtsakt mit Geltung für den gesamten Lebenszyklus eines Produkts
Wie unter einem Brennglas wird in der am 17.8.2023 in Kraft getretenen Batterie-Verordnung (VO 2020/0353 (COD)) sichtbar, welche immensen bürokratischen Anforderungen im Rahmen der Verwirklichung des europäischen „Green Deal“ zu erfüllen sind, wenn ein harmonisierter Rechtsakt – und dies erstmals – für den gesamten Lebenszyklus eines Produkts geschaffen wird. Dieser betrifft alle Wirtschaftsakteure, die je mit dem Produkt, einschließlich seines Recyclings („second life“), in Kontakt kommen – der Verbraucher natürlich eingeschlossen. Angesichts der immensen strategischen Bedeutung von Batterien – Stichwort: e-Mobilität, Clouds – ist natürlich die „Rechtssicherheit“ für alle beteiligen Akteure zu regeln. Das heißt: Diskriminierungen, Handelshemmnisse und wettbewerbliche Verzerrungen auf dem Batteriemarkt müssen in den Blick genommen werden, und es sind Vorschriften in Bezug auf die Nachhaltigkeit, die Leistung, die Sicherheit, die Sammlung, das Recycling und die weitere Nutzung von Batterien sowie in Bezug auf Informationen zu Batterien für Endnutzer und Wirtschaftsakteure festzulegen (Rz. 2). Doch das sind noch längst nicht alle Ziele.
Aber auch diese Fixpunkte sind in diese Verordnung eingewoben: Das Unionsrecht betreffend die Bewirtschaftung von Altbatterien muss aktualisiert werden. Es gilt, sowohl die Umwelt als auch die menschliche Gesundheit zu schützen. Vor allem aber muss unionsrechtlich gewährleistet werden, dass negative Auswirkungen bei der Erzeugung von Batterien und der Abfallbewirtschaftung künftig wirksamer vermieden, jedenfalls aber verringert werden. Also: Die Auswirkungen auf die Ressourcennutzung sind zu reduzieren und die Ressourceneffizienz muss verbessert werden. Klimaneutralität ist ja der Zielpunkt und eben auch eine „klimaneutrale Kreislaufwirtschaft“, einschließlich einer schadstofffreien Umwelt, die Sicherung einer langfristigen Wettbewerbsfähigkeit nicht zu vergessen und – dies nicht zu unterschlagen – die Schaffung einer „strategischen Autonomie der Union“, eingebettet in Synergieeffekte „zwischen der Kreislaufwirtschaft und der Energie-, Klima-, Verkehrs-, Industrie- und Forschungspolitik, zum Schutz der Umwelt und zur Verringerung der Treibhausgasemissionen“ (Rz. 3). Doch auch dies ist noch nicht das Ende der Liste der gesetzlichen Zielmarken, auch wenn Schwindel schon den Kopf des Lesers beherrscht.
Da es – höchst ehrgeizig – um die regulatorische Erfassung des gesamten Lebenszyklus von Batterien und Altbatterien geht, sind natürlich auch „harmonisierte Produkt- und Vermarktungsanforderungen“ formuliert, was auch Verfahren zur „Konformitätsbewertung“ einschließt. Von diesem Ansatz gefordert sind auch Regeln, welche die Anforderungen fixieren, die das „Ende der Lebensdauer“ erfassen (Rz. 10). Diese sind deswegen erforderlich, „um die Umweltauswirkungen von Batterien anzugehen und insbesondere die Schaffung von Recyclingmärkten für Batterien und von Märkten für aus Altbatterien gewonnene Sekundärrohstoffe zu unterstützen“ (Rz. 10). Folgerichtig: Diese Verordnung beansprucht Geltung „für alle Kategorien von Batterien“, welche in der Union in den Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen worden sind, „unabhängig davon, ob sie in der Union hergestellt oder in die Union eingeführt wurden“ (Rz. 11).
Die Rechtsgrundlage für diese Verordnung ist die Binnenmarktregel des Art. 114 AEUV. Denn es geht um gesetzliche „Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben“. Soweit ein Verbraucher eine Batterie zur Wiederverwendung erwirbt oder diese bereits wieder aufbereitet worden ist, soll insoweit die Warenkauf-Richtlinie (RL (EU) 2019/771) für alle dann ausgelösten Rechtsfragen maßgebend sein, was im Blick auf die Gewährleistung über § 327e BGB beantwortet wird. „Spezifische Nachhaltigkeitsanforderungen“, so ist weiter zu lesen, sollen „für wiederaufladbare Industriebatterien mit einer Kapazität von mehr als 2 kWh, LV-Batterien und Elektrofahrzeugbatterien“ festgelegt werden, „da solche Batterien das Marktsegment bilden, das in den kommenden Jahren am stärksten wachsen dürfte“ (Rz. 19). Eine Erklärung betreffend ihren CO2-Fußabdruck darf nicht fehlen; sie soll künftig Bestandteil der in den Verkehr gebrachten Batterien sein.
Sehr ehrgeizig ist das Ziel dieser Verordnung, wenn es darum geht, wie der CO2-Fußabdruck von Batterien gestaltet sein soll: „Die Höchstwerte für den CO2-Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus sollten zukunftsfähig sein“ (Rz. 28). Doch entscheidender ist die „Segelanweisung“ an künftige, von der Kommission zu erlassende delegierte Rechtsakte (Art. 290 AEUV): Die Kommission sollte „die besten verfügbaren Erzeugungs- und Produktionsverfahren berücksichtigen und dafür Sorge tragen, dass die von ihr ausgewählten technischen Kriterien im Einklang mit der Zielsetzung der vorliegenden Verordnung stehen, bei Batterien, die in der Union in Verkehr gebracht werden, in Bezug auf die menschliche Gesundheit, auf die Sicherheit von Personen sowie auf Sachgüter und den Schutz der Umwelt ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten“ (Rz. 28). Das aber ist leichter gesagt als getan. Denn „bestimmte in Batterien vorkommende Stoffe wie Kobalt, Blei, Lithium oder Nickel werden aus knappen Ressourcen bezogen, die in der Union nicht leicht verfügbar sind, und einige werden von der Kommission als kritische Rohstoffe betrachtet“ (Rz. 29).
Hier eine Autonomie der Union einzufordern oder sich auf weitere delegierte Rechtsakte der Kommission zu berufen, ist wie das Rufen im dunklen Wald und kaum sehr hilfreich, zumal diese Verordnung selbst anerkennt: Es geht darum, für „mögliche Lieferunterbrechungen aufgrund von Gesundheits- oder anderen Krisen“ gewappnet zu sein. Ähnlich liegt es bei der verlässlichen und rechtssicheren Berechnung des für aus Abfällen „wiedergewonnen Kobalt-, Blei-, Lithium- und Nickelanteils“ (Rz. 33). Auch für die Festlegung „der Leistungs- und Haltbarkeitsparameter für Allzweck-Gerätebatterien sowie für wieder aufladbare Industriebatterien“ soll ein delegierter Rechtsakt der Kommission künftig „einspringen“ (Rz. 35). Über allem steht dann auch die an den Verbraucher gerichtete Forderung: „Batterien sollten gekennzeichnet werden, um den Endnutzern transparente, zuverlässige und klare Informationen über Batterien und Altbatterien zur Verfügung zu stellen“ (Rz. 44). Transparente und umfassende Verbraucherinformation ist hier das Codewort. Aber es ist nur eines von zahllosen, doch keines ist überflüssig.