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BGH zu den Aufklärungspflichten des Immobilienverkäufers bei Einrichtung eines Datenraums

Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks, der dem Käufer Zugriff auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zu der Immobilie gewährt, erfüllt hierdurch seine Aufklärungspflicht nur, wenn und soweit er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen wird. Das hat der BGH, Urt. v. 15.9.2023 – V ZR 77/22, entschieden.

Die Möglichkeit für den Käufer, sich die Kenntnis von einem offenbarungspflichtigen Umstand selbst zu verschaffen, schließe nach der bisherigen BGH-Rechtsprechung die Pflicht des Verkäufers zur Offenbarung nicht von vornherein aus: Ein verständiger und redlicher Verkäufer dürfe zwar davon ausgehen, dass bei einer Besichtigung ohne Weiteres erkennbare Mängel auch dem Käufer ins Auge springen werden und deshalb eine gesonderte Aufklärung nicht erforderlich ist; Konstellationen, in denen dem Käufer auf andere Weise die Möglichkeit gegeben wird, sich die Kenntnis selbst zu verschaffen, stünden der Besichtigungsmöglichkeit aber nicht ohne Weiteres gleich. Mit Blick auf übergebene Unterlagen sei eine Gleichstellung nur dann gerechtfertigt, wenn ein Verkäufer aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen nicht nur zum Zweck allgemeiner Information, sondern unter einem bestimmten Gesichtspunkt gezielt durchsehen wird. Solche Umstände lägen etwa vor, wenn der Verkäufer dem Käufer im Zusammenhang mit möglichen Mängeln ein Sachverständigengutachten überreicht. Dagegen könne ein Verkäufer nicht ohne Weiteres erwarten, dass der Käufer Finanzierungsunterlagen oder einen ihm übergebenen Ordner mit Unterlagen zu dem Kaufobjekt auf Mängel des Kaufobjekts durchsehen wird.
Diese Rechtsprechung zu übergebenen Unterlagen sei sinngemäß auf den Fall zu übertragen, dass der Verkäufer einen Datenraum mit Unterlagen zu dem Kaufobjekt einrichtet und dem Käufer hierauf Zugriff gewährt. Der Umstand allein, dass der Verkäufer einen Datenraum einrichtet und den Kaufinteressenten den Zugriff auf die Daten ermöglicht, lasse nicht stets den Schluss zu, dass der Käufer den offenbarungspflichtigen Umstand zur Kenntnis nehmen wird. Nur wenn im Einzelfall die Erwartung gerechtfertigt sei, dass der Käufer bestimmte, von dem Verkäufer in dem Datenraum bereit gestellte Informationen – etwa im Rahmen einer Due Diligence – wahrnehmen und in seine Kaufentscheidung einbeziehen wird, sei eine gesonderte Aufklärung durch den Verkäufer nicht erforderlich. Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks, der dem Käufer Zugriff auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zu der Immobilie gewährt, erfülle daher hierdurch seine Aufklärungspflicht nur, wenn und soweit er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen wird. Ob dies aus Verkäufersicht der Fall ist, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab, etwa davon, ob und in welchem Umfang der Käufer – wozu er von Gesetzes wegen nicht verpflichtet sei – eine Due Diligence durchführt, wie der Datenraum und der Zugriff hierauf strukturiert und organisiert sind, welche Vereinbarungen hierzu getroffen wurden, wie wichtig die Information ist, um deren Offenbarung es geht, und wie leicht sie im Datenraum aufzufinden ist.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.09.2023 14:26
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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