RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln
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0723-9416
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
ZIP
2016
RechtsprechungVertrags- und Haftungsrecht
BGB § 315; EnWG § 115 Abs. 2, § 116; AVBGasV § 4; GasGVV § 23; RL 2003/55/EG Art. 2 Nr. 26, Art. 3 Abs. 3Gesetzliches Preisänderungsrecht des Gasversorgers gegenüber Nicht-Haushaltskunden
BGB§ 315
EnWG§ 115
EnWG§ 116
AVBGasV§ 4
GasGVV§ 23
RL 2003/55/EGArt. 2
RL 2003/55/EGArt. 3
BGH, Urt. v. 24.02.2016 – VIII ZR 216/12 (LG Gießen)BGHUrt.24.2.2016VIII ZR 216/12LG Gießen
Leitsätze des Gerichts:
1. Anders als bei Haushaltskunden steht dem Gasgrundversorger gegenüber Nicht-Haushaltskunden i. S. d. Art. 2 Nr. 26 der Gas-RL 2003/55/EG, die auch nicht gem. § 3 Nr. 22 Alt. 2 EnWG 2005 als Haushaltskunden anzusehen sind, gem. § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV auch nach dem Ablauf der bis zum 1. 7. 2004 reichenden Umsetzungsfrist der Gas-RL 2003/55/EG das Recht zu, die Preise nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu ändern (Fortführung der Senatsurt. v. 28. 10. 2015 – VIII ZR 158/11, ZIP 2015, 2226, z. V. b. in BGHZ, dazu EWiR 2016, 111 (Rottnauer), und VIII ZR 13/12, ZIP 2015, 2236 (LS) = juris; Senatsurt. v. 9. 12. 2015 – VIII ZR 208/12, juris, VIII ZR 236/12, juris, und VIII ZR 330/12, juris).
2. Diesem Preisänderungsrecht stehen die Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 i. V. m. Anhang A der Gas-RL 2003/55/EG in der durch den EuGH im Urteil vom 23. 10. 2014 (Rs C-359/11 und C-400/11, ZIP 2014, 2192 = NJW 2015, 849 – Schulz und Egbringhoff) vorgenommenen Auslegung nicht entgegen, da die Gas-RL deren Anwendung für Nicht-Haushaltskunden nicht zwingend vorschreibt.
ZIP 2016, 1031
3. Eine unter diesen Voraussetzungen vom Gasgrundversorger einseitig gem. § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV vorgenommene Preiserhöhung unterliegt auch dann der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB, wenn für den Kunden die Möglichkeit besteht, das Erdgas von einem anderen Anbieter zu beziehen.
4. Die Billigkeitskontrolle solcher Preiserhöhungen (§ 315 BGB) kann nicht entscheidend auf der Grundlage eines Vergleichs mit den Gaspreisen anderer Gasversorgungsunternehmen vorgenommen werden; vielmehr kommt es maßgeblich auf den konkreten Gaslieferungsvertrag an und ist eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks sowie der Interessenlage beider Parteien vorzunehmen (Fortführung von BGH, Urt. v. 2. 10. 1991 – VIII ZR 240/90, WM 1991, 2065, unter III 1 und 2 a m. w. N., dazu EWiR 1992, 21 (Ebel); BGH, Urt. v. 18. 10. 2007 – III ZR 277/06, BGHZ 174, 48, Rz. 20; BGH, Urt. v. 18. 10. 2011 – KZR 18/10, WM 2012, 622, Rz. 17).
5. Zu den Anforderungen an den Vortrag und das Bestreiten sowie an die Feststellung von (Bezugs-)Kostensteigerungen des Gasversorgers (Fortführung der Senatsurt. v. 19. 11. 2008 – VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 = ZIP 2009, 323, Rz. 45 ff., dazu EWiR 2009, 291 (Rottnauer); Senatsurt. v. 8. 7. 2009 – VIII ZR 314/07, WM 2009, 1957, Rz. 21, 30 f.; Senat ZIP 2015, 2226, Rz. 89 ff., und Senatsurt. v. 28. 10. 2015 – VIII ZR 13/12, Rz. 91 ff.).
6. Als eine zur Beendigung der von § 116 Satz 1 EnWG 2005 angeordneten Fortgeltung des alten Rechts für Tarifkundenverträge mit Nicht-Haushaltskunden führende Änderung des Vertrags i. S. d. § 116 Satz 2 EnWG 2005 ist nicht schon eine vom Gasgrundversorger einseitig vorgenommene Änderung der allgemeinen Tarife und Bedingungen anzusehen; es bedarf wegen der mit der Vertragsänderung nach § 116 Satz 2 EnWG 2005 insoweit verbundenen Beendigung der Grundversorgung vielmehr eines übereinstimmenden Änderungswillens der Parteien.