ZIP 2020, 2343
Leitsätze des Gerichts:
1. Der Verkäufer eines Tieres hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird und infolgedessen für die gewöhnliche (oder die vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre (Bestätigung von BGH, Urt. v. 18. 10. 2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150, Rz. 26; v. 30. 10. 2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389, Rz. 25; jew. m. w. N.).
2. Demgemäß wird die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die gewöhnliche oder die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der „physiologischen Norm“ eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen (Bestätigung von BGH, Urt. v. 7. 2. 2007 – VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351, Rz. 14; BGH NJW 2018, 150, Rz. 24, und BGH NJW 2020, 389, Rz. 26).
3. Diese Grundsätze gelten nicht nur für physiologische Abweichungen vom Idealzustand, sondern auch für ein vom Idealzustand abweichendes Verhalten, wie etwa sog. „Rittigkeitsprobleme“, wenn das Pferd nicht oder nicht optimal mit dem Reiter harmoniert und Widersetzlichkeiten zeigt.
4. Entspricht die „Rittigkeit“ eines Pferdes nicht den Vorstellungen des Reiters, realisiert sich für den Käufer – wenn nicht klinische Auswirkungen hinzukommen – daher grundsätzlich lediglich der Umstand, dass es sich bei dem erworbenen Pferd um ein Lebewesen handelt, das – anders als Sachen – mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet ist.
5. Nach dieser Maßgabe sind „Rittigkeitsprobleme“ durch von einem Reitpferd gezeigte Widersetzlichkeiten auch bei Vorliegen eines nicht mit Krankheitssymptomen verbundenen Kissing Spines-Befunds – in Ermangelung einer anderslautenden Beschaffenheitsvereinbarung oder eines besonderen Vertragszwecks – kein Sachmangel i. S. v. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 BGB.
6. Da die Rücktrittsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung erfüllt sein müssen, muss auch zu diesem Zeitpunkt ein bei Gefahrübergang gegebener Sachmangel fortbestehen (Bestätigung von BGH NJW 2020, 389, Rz. 35).
7. Die – die Frage des Vorliegens eines Sachmangels bei Gefahrübergang betreffende – Beweislastumkehr zu Gunsten des Verbrauchers tritt nach Maßgabe des § 476 BGB a. F. bereits dann ein, wenn diesem der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt hat, der – unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde (Bestätigung von BGH, Urt. v. 12. 10. 2016 – VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 = ZIP 2016, 2272, Rz. 36).
8. „Rittigkeitsprobleme“ durch von einem Reitpferd gezeigte Widersetzlichkeiten sind keine Mangelerscheinung, so dass sie die Vermutungswirkung des § 476 BGB a. F. nicht auslösen, denn insoweit handelt es sich – in Ermangelung einer anderslautenden Beschaffenheitsvereinbarung oder eines besonderen Vertragszwecks – nicht um eine Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit i. S. v. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 BGB, sondern um ein natürliches Risiko.
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