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BGH v. 17.1.2023 - II ZR 76/21

Ausschluss des Gesellschafters einer GbR von einer auf Missbilligung seines Verhaltens abzielenden Abstimmung über die Kündigung eines Vertrags

Ein Gesellschafter einer GbR ist wegen des Grundsatzes, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, von der Abstimmung über die Kündigung eines Vertrags ausgeschlossen, wenn der Beschluss darauf abzielt, das Verhalten des Gesellschafters zu missbilligen. Auch bei der konkludenten Beschlussfassung einer GbR ist der einem Stimmverbot unterliegende Gesellschafter an der Willensbildung der Gesellschaft zu beteiligen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist mit einer Beteiligung von 63,25 % Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft nach italienischem Recht F. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb von Brillen. Die restlichen 36,75 % an der F hält die ebenfalls in Italien ansässige E. Sas, an der der Kläger zu 95 % als Komplementär beteiligt ist. Die beiden Beklagten und der Kläger sind mit einer Beteiligung von je einem Drittel Gesellschafter der im Mai 2012 gegründeten K. GbR. Am 14.6.2012 meldete die K. GbR die Wortmarke "K." beim Deutschen Patent- und Markenamt an, die am 12.7.2012 eingetragen wurde. Die gemeinsame Geschäftstätigkeit der GbR-Gesellschafter sollte darauf gerichtet sein, Brillen, welche die F herstellen oder herstellen lassen sollte, unter der Bezeichnung "K." zu vermarkten. Am 24.7.2013 gründeten die Parteien die K. GmbH, deren Unternehmensgegenstand nach § 2 des Gesellschaftsvertrags die Herstellung, der Verkauf und der Vertrieb von Brillen, Sehhilfen, Accessoires sowie von Mode- und Designartikeln ist. Ab Ende 2013 kam es zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten.

Mit in italienischer Sprache verfasster E-Mail vom 12.9.2014 schrieb der Kläger dem Beklagten zu 2) sinngemäß, dass ab jetzt alle Mitteilungen an F ausschließlich von ihm erledigt würden und er die angeforderten Teile nicht liefern könne. Mit von den Beklagten beauftragten anwaltlichen Schreiben vom 17.9.2014 untersagten die K. GmbH und die K. GbR der F und dem Kläger, die Marke "K." in irgendeiner Form zu nutzen, da allein die K. GbR und die K. GmbH berechtigt seien, dies zu tun. In dem Schreiben wird weiter ausgeführt, die übrigen Gesellschafter der K. GbR hätten zur Kenntnis nehmen müssen, dass sowohl die F als auch der Kläger massiv gegen die Rechte der K. GbR verstoßen hätten, indem diese gegenüber Dritten wider besseren Wissens behauptet hätten, zum Vertrieb der Brillen unter der Marke "K." berechtigt zu sein. Ferner hätten der Kläger bzw. die F. aus dem für die K. GbR produzierten Warenbestand Brillen in erheblichem Umfang nachproduziert und abgezweigt und damit einen Parallelbetrieb eröffnet.

Am 13.2.2015 beschlossen die Beklagten, ohne zuvor den Kläger von einer Gesellschafterversammlung oder einer beabsichtigten Beschlussfassung benachrichtigt zu haben, die Einleitung gerichtlicher Schritte der K. GbR gegen die F. In einem anschließend vor einem Mailänder Zivilgericht von den Beklagten eingeleiteten Verfahren wurde der F untersagt, die Marke "K." in jedweder Form zu gebrauchen. Am 20.1.2017 beschlossen die Beklagten als Gesellschafter der K. GbR in einer Gesellschafterversammlung ohne Anwesenheit des Klägers, dass die K. GbR die Beendigung jeglicher vertraglicher Beziehung zwischen der K. GbR und F anerkenne und vorsorglich erneut jegliche vertragliche Beziehung zwischen der K. GbR und F kündige. Mit an den Kläger adressierten Schreiben vom 24.1.2017 erklärte die K. GbR anschließend erneut die Kündigung sämtlicher vertraglichen Beziehungen mit F. Der Kläger begehrt u.a. die Feststellung, dass der zwischen der K. GbR und der F geschlossene Lizenzvertrag über die Nutzung der Marke "K." nicht durch die Kündigung des Klägers vom 12.9.2014 beendet worden sei, sondern ungekündigt fortbestehe (Klageantrag 3) und dass die Beklagten als Gesamtschuldner wegen des durch die unwirksame Kündigung des Lizenzvertrags vom 12.9.2014 der K. GbR entstandenen Schadens dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet seien (Klageantrag 4).

Das LG gab dem Klageantrag 3) teilweise statt und stellte fest, dass der Lizenzvertrag zwischen der K. GbR und der F. über die Nutzung der Marke "K." nicht durch die Kündigung des Klägers vom 12.9.2014 beendet worden sei, weil das Schreiben nicht als Kündigung des Lizenzvertrags ausgelegt werden könne. Der Lizenzvertrag sei jedoch durch das anwaltliche Schreiben vom 17.9.2014 beendet worden. Im Übrigen wies das LG die Klage ab. Das KG wies die Berufung des Klägers zurück und entschied über die Anschlussberufung der Beklagten, mit der diese vollständige Abweisung des Klageantrags zu 3 begehrt haben, wegen der eingetretenen Wirkungslosigkeit nicht. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ließ der BGH die Revision hinsichtlich der Klageanträge 3) und 4) zu. Insoweit verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Im Wege der Anschlussrevision wollen die Beklagten die Aufhebung des Beschlusses erreichen, soweit die Anschlussberufung ihre Wirkung verloren hat.

Auf die Revision des Klägers hob der BGH unter Verwerfung der Anschlussrevision der Beklagten den Beschluss des KG auf und verwies die Sache zur neuen Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des KG wurde der zwischen der K. GbR und der F geschlossene Lizenzvertrag nicht mit anwaltlichem Schreiben vom 17.9.2014 wirksam gekündigt. Die bisherigen Feststellungen tragen insbesondere nicht die Annahme des KG, die mit anwaltlichem Schreiben vom 17.9.2014 im Namen der K. GbR erklärte Kündigung beruhe auf einer wirksamen Beschlussfassung ihrer Gesellschafter.

Das KG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagten als Gesellschafter der K. GbR auch konkludent einen Beschluss über die Kündigung des Lizenzvertrags fassen konnten. Der Beschluss leidet nicht deshalb an einem Mangel, weil der Kläger an der Beschlussfassung nicht mitgewirkt hat, obwohl der Gesellschaftsvertrag der K. GbR entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 709 BGB vorsieht, dass Gesellschafterbeschlüsse nur einstimmig gefasst werden können. Denn der Kläger unterlag bei der Beschlussfassung über die Kündigung des mit der F. geschlossenen Lizenzvertrags einem Stimmverbot.

Nach § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 1 GmbHG unterliegt der Gesellschafter einer GmbH bei einer Beschlussfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts der Gesellschaft mit ihm betrifft, einem Stimmverbot. Ob diese Fallgestaltung auch in der GbR, für die das Gesetz eine solche Regelung nicht enthält, in Analogie zu § 34 BGB, § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 1 GmbHG oder unter Berücksichtigung der Wertung des § 181 BGB zu einem Stimmverbot des am Rechtsgeschäft beteiligten Gesellschafters führt, hat der Senat bislang offengelassen. Die Frage muss auch hier nicht entschieden werden. Ein Gesellschafter einer GbR ist wegen des Grundsatzes, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, von der Abstimmung über die Kündigung eines Vertrags ausgeschlossen, wenn der Beschluss darauf abzielt, das Verhalten des Gesellschafters zu missbilligen.

Nach diesen Maßstäben unterlag der Kläger bei der Beschlussfassung über die Kündigung des mit der F. geschlossenen Lizenzvertrags einem Stimmverbot, denn in der Kündigung liegt zugleich eine persönliche Missbilligung des Klägers. Nicht frei von Rechtsfehlern ist allerdings die Annahme des KG, der Kläger habe wegen des bestehenden Stimmverbots an der Beschlussfassung nicht beteiligt werden müssen. Auch bei der konkludenten Beschlussfassung einer GbR ist der einem Stimmverbot unterliegende Gesellschafter an der Willensbildung der Gesellschaft zu beteiligen. Der von der Stimmabgabe ausgeschlossene Gesellschafter soll kraft seiner Mitgliedschaft bei der Beschlussfassung in einer Versammlung die Möglichkeit haben, seine Ansicht über die zur Beratung oder Abstimmung anstehenden Tagungsordnungspunkte darzulegen und Einwendungen geltend zu machen. Zudem soll er die Möglichkeit haben, darüber zu wachen, ob alle nach Gesetz und Satzung zur Beschlussfassung notwendigen Förmlichkeiten eingehalten werden.

Der letztgenannte Gedanke mag bei zulässiger konkludenter Beschlussfassung in den Hintergrund treten, weil diese keinen Förmlichkeiten unterliegt. Gleichwohl muss der von der Abstimmung ausgeschlossene Gesellschafter auch in diesem Fall die Willensbildung der Gesellschaft nachvollziehen können und die Möglichkeit haben, auf die Meinungsbildung der anderen Gesellschafter Einfluss zu nehmen. Das KG hat von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen dazu getroffen, ob gemessen an diesen Grundsätzen bei der konkludenten Beschlussfassung der Beklagten über die Kündigung des mit der F geschlossenen Lizenzvertrags der Kläger die Möglichkeit hatte, seine Ansicht über den zu fassenden Kündigungsbeschluss darzulegen, Einwendungen geltend zu machen und das Verfahren der Willensbildung nachzuvollziehen.

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Kommentierung | BGB
§ 709 Gemeinschaftliche Geschäftsführung
Westermann in Erman, BGB, 16./17. Aufl. 2020/2023

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.02.2023 11:04
Quelle: BGH online

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