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Aktuelle Nachrichten


LAG Hamm v. 24.8.2023 - 15 Sa 1033/22
Ein Verschulden der Arbeitsunfähigkeit durch einen nicht geimpften Arbeitnehmer iSv. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ist nicht anzunehmen, wenn die Corona-Infektion durch die Inanspruchnahme der empfohlenen Schutzimpfung nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte verhindert werden können. Ein an COVID-19 erkrankter Arbeitnehmer ist infolge Krankheit dabei objektiv an seiner Arbeitsleistung verhindert, auch wenn er sich in Quarantäne begeben muss (Ausnahme: Homeoffice). Die erforderliche Monokausalität iSv. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ist gegeben, wenn die behördlich angeordnete Quarantäne Folge einer Arbeitsunfähigkeit ist.

Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks, der dem Käufer Zugriff auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zu der Immobilie gewährt, erfüllt hierdurch seine Aufklärungspflicht nur, wenn und soweit er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen wird. Das hat der BGH, Urt. v. 15.9.2023 – V ZR 77/22, entschieden.

Die Bundesregierung hat am 13.9.2023 den Entwurf eines Gesetzes zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen beschlossen. Damit soll u.a. die Durchführung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen erleichtert werden.

OLG Frankfurt a.M. v. 21.6.2023 - 4 U 158/22
Stehen einem stillen Gesellschafter lediglich gewinnabhängige Auszahlungen zu, so sind Auszahlungen unentgeltlich im Sinne von § 134 InsO, welche die Stille Gesellschaft, die ein Geschäftsmodell in der Art eines Schneeballsystems betreibt, trotz Kenntnis von in Wirklichkeit eingefahrenen Verlusten leistet.

OLG Frankfurt v. 10.7.2023 - 26 SchH 5/23
Gericht der Hauptsache im Sinne des § 943 ZPO ist in den Fällen, in denen das Streitverfahren vor einem Schiedsgericht zu führen ist oder geführt wird, das Amts- oder Landgericht, welches nach den allgemeinen Regeln ohne die Schiedsvereinbarung zuständig wäre.

Die EU-Kommission hat am 5.9.2023 einen bisher nur auf Englisch verfügbaren Vorschlag für eine Richtlinie zu nicht gewinnorientiert grenzüberschreitend tätigen Vereinen vorgelegt. Ziel ist es, rechtliche und administrative Hürden bei der grenzüberschreitenden Tätigkeit abzubauen und zugleich die neue Rechtsform des „Europäischen grenzüberschreitenden Vereins“ zu schaffen.

OVG Niedersachsen v. 14.9.2023 - 5 ME 55/23
Das OVG Niedersachsen hat die Beschwerde gegen eine Entscheidung des VerwG Hannover zurückgewiesen, mit der dieses den Antrag der früheren Landesbeauftragten für den Datenschutz auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hatte, die Ernennung ihres vom Niedersächsischen Landtag gewählten Nachfolgers zu verhindern.

Elterngeld Plus kann auch dann beansprucht werden, wenn ein Elternteil während der Partnerschaftsbonusmonate für längere Zeit erkrankt und keine Lohnfortzahlung mehr erhält. Das hat das BSG, Urt. v. 7.9.2023 – B 10 EG 2/22 R, entschieden.

Ein Anspruch des Mieters auf Gestattung der Gebrauchsüberlassung an einen Dritten gem. § 553 Abs. 1 BGB (Untervermietung) kann auch im Falle einer Einzimmerwohnung gegeben sein. Das hat der BGH, Urt. v. 13.9.2023 – VIII ZR 109/22, entschieden.

OLG Dresden v. 12.7.2023 - 5 U 255/23
Für die Behauptung, ein Mietverhältnis sei befristet, trägt derjenige die Beweislast, der aus der Befristung Rechte für sich herleiten will.

Am 12.9.2023 hat die EU-Kommission eine neue Verordnung vorgeschlagen (COM/2023/533 final), um der wirtschaftlichen Folgen Herr zu werden, welche die immer mehr sich ausbreitende Unsitte des Zahlungsverzugs im unternehmerischen Verkehr, vor allem auch im Rechtsverkehr mit der öffentlichen Hand, nach sich zieht. Diesem neuen, noch abschließend zu beratenden Rechtsakt liegt – wie stets – eine umfangreiche Tatsachenanalyse („Impact Assessment“) der Kommission zugrunde. Danach (Anmerkung 2) lag die Rate pünktlicher Zahlungen vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie bereits bei mageren 40 %. Doch die Lage hat sich seither verschlechtert. Die Auswirkungen der Inflation machen sich breit: Im ersten Halbjahr 2022 erwarteten nach dieser Erhebung der EU-Kommission 60 % aller Unternehmen, dass sich die Risiken verspäteter Zahlungen noch verschärfen werden. Hohe Zinsen sind bekanntlich Gift für die Zahlungsmoral von Schuldnern. Doch – so die Kommission – es sind vor allem die KMU, die unter den Folgen verspäteter Zahlungen leiden; sie haben – im Gegensatz zur öffentlichen Hand und zu Großunternehmen – regelmäßig keine ausreichenden Reserven an liquiden Mitteln. Und die Unsicherheiten, wann geschuldete Zahlungen eingehen, belasten ihr Tagesgeschäft, aber auch die Planung von notwendigen Investitionen – und sie zeigen auch Auswirkungen auf die Beschäftigungslage. Erkennbar steigt dann auch das Risiko von Insolvenzen, zumal dann, wenn sich ein Zahlungsverzug in der Lieferkette Glied für Glied fortsetzt und am Ende das schwächste Unternehmen als letztes Glied trifft. Dies alles war und ist für die Kommission – gestützt auf die Binnenmarktregel des Art. 114 AEUV – Grund genug, die Zweite Zahlungsverzugs-RL 2011/7/EU gründlich zu überarbeiten – und vor allem: sie wesentlich zu verschärfen.

OLG Karlsruhe v. 22.8.2023 - 8 U 86/21 u.a.
Das OLG Karlsruhe hat eine Pkw-Herstellerin in zwei Fällen wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Das OLG hat mit diesen Urteilen für die Haftung von Pkw-Herstellern erstmals die bloß fahrlässige Verwendung einer Abschalteinrichtung, hier eines sog. Thermofensters, ausreichen lassen (8 U 86/21 und 8 U 271/21). Der Senat ist damit den Entscheidungen des EuGH vom 21.3.2023 (C-100/21) und des BGH vom 26.6.2023 (insbes. VIa ZR 335/21) gefolgt.

Aktuell in der ZIP
Die Ersatzaussonderung, die in § 48 InsO geregelt ist, hat von Anfang an für Diskussionen gesorgt. Der Referentenentwurf und der Regierungsentwurf schränkten die Ersatzaussonderung wesentlich ein; Der Rechtsausschuss des Bundestages dehnte sie – entsprechend dem früheren § 46 KO – wieder aus. Kritiker der Vorschrift sind der Meinung, sie stelle eine nicht zu rechtfertigende Privilegierung einer willkürlich ausgewählten Gläubigergruppe dar und sei einer systematischen Erfassung und Durchdringung nicht zugänglich. Da § 48 InsO nach h.M. keinen neuen Anspruch schafft, sondern lediglich einen außerhalb der Insolvenzordnung bestehenden Anspruch verstärkt, indem diesem unter bestimmten Voraussetzungen Aussonderungskraft verliehen wird, muss man erst einmal einen solchen finden. Diesem Problem widmen sich Damian Schmidt und Alicia Roth in ihrem ambitionierten Beitrag zu dem Thema „Ersatzaussonderung und Bereicherung“.

The Irish Data Protection Commission (DPC) adopted its final decision regarding its inquiry into TikTok Technology Limited (TTL) on 1 September 2023. The announcement contains administrative fines totalling € 345 million.

LG Koblenz v. 24.7.2023 - 1 O 224/22
Kann eine Spielerin ihre in den Jahren 2015 bis 2020 in einem Online-Casino erlittenen Verluste von dessen Betreiber zurückverlangen? Diese Frage bejahte das LG Koblenz und sprach der Frau einen Rückzahlungsanspruch iHv über 632.000 € zu. Der zwischen den Parteien geschlossene Online-Glückspielvertrag verstoße im streitgegenständlichen Zeitraum gegen ein gesetzliches Verbot und sei deshalb nichtig.

EuGH v. 14.9.2023 - C-27/22
Auf wegen unlauterer Geschäftspraktiken verhängte Sanktionen, die als Verwaltungssanktionen strafrechtlicher Natur eingestuft werden, findet der Grundsatz "ne bis in idem" Anwendung. Dieser Grundsatz schließt aus, dass eine Strafverfolgung wegen derselben Tat eingeleitet oder aufrechterhalten werden kann, wenn eine endgültige Entscheidung vorliegt, auch wenn diese Entscheidung später ergangen ist.

LAG Baden-Württemberg v. 27.7.2023 - 3 Sa 33/22
Das LAG Baden-Württemberg hat einem ehemaligen Arbeitnehmer wegen der Verwendung von Video- und Fotoaufnahmen mit Abbildungen von ihm durch ein Unternehmen der Werbetechnikbranche über einen Zeitraum von 9 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinweg Schadensersatz iHv 10.000 € zugesprochen.

OLG Schleswig-Holstein v. 14.9.2023 - 6 U 49/22
Der Verbraucher ist auch nicht deswegen an einer Freigabe interessiert - oder überhaupt in Kenntnis, dass es eine solche Freigabe gibt -, weil dies für die Bewahrung der Garantie oder Gewährleistungsrechte des Fahrzeuges von Bedeutung ist. Am Verständnis der Buchstabenfolge „O.E.M.“ ändert sich nichts durch den Umstand, dass sie durch Punkte getrennt ist, was bei englischsprachigen Abkürzungen unüblich ist.

OLG Bremen v. 21.6.2023 - 2 W 31/23
Das OLG Bremen hatte sich mit der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen eine Prozesspflegerbestellung zu befassen. Dabei ließ es offen, ob eine Verletzung des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf rechtliches Gehör geeignet ist, die ausnahmsweise Statthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde gegen Zwischenentscheidungen zu begründen, gegen die der Gesetzgeber ein Rechtsmittel nicht vorgesehen hat.

BVerfG v. 31.8.2023 - 1 BvR 1601/23 u.a.
Das BVerfG hat zwei Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die fachgerichtliche Untersagung einer Online-Berichterstattung richten. Die mit ihnen verbundenen Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen werden damit gegenstandslos.

EuGH, C-115/22: Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.9.2023
Eine nationale Anti-Doping-Behörde, die personenbezogene Daten eines gedopten Profisportlers im Internet veröffentlicht, verstößt nicht gegen die DSGVO. Der dadurch entstehende Eingriff in das Recht auf Datenschutz kann mit dem Präventionsziel einer solchen Veröffentlichung gerechtfertigt werden.

BGH v. 14.9.2023 - I ZR 74/22
Der BGH hat dem EuGH vorliegend Fragen zur Klärung des urheberrechtlichen Begriffs des Pastiches vorgelegt (Metall auf Metall V). Die Vorlage betrifft den seit annähernd 20 Jahren andauernden Rechtsstreit, mit dem Mitglieder der Musikgruppe "Kraftwerk" gegen die Verwendung einer gesampelten zwei Sekunden langen Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" in dem Titel "Nur mir" der Sängerin Sabrina Setlur vorgehen.

Aktuell in der ZIP
Im Nachgang der Niedrig- und Negativzinsphase ist u.a. noch umstritten, ob bei Schuldscheindarlehen, deren Zinsgleitklausel für einen bestimmten Zeitraum in den negativen Bereich wechselte, sich die Zahlungspflicht als Folge umgekehrt hat. In diesem Fall hätte der Darlehensgeber für diesen Zeitraum sog. Negativzinsen an den Darlehensnehmer zu entrichten. Der BGH hat dies nunmehr verneint. Der nachfolgende Beitrag setzt sich mit der zentralen Entscheidung des BGH hierzu auseinander und zeigt anhand dieser zugleich ein Defizit des Zukunftsfinanzierungsgesetzes (ZuFinG) auf.

BGH v. 16.8.2023 - VII ZB 64/21
Bei der Corona-Überbrückungshilfe III (Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, Soloselbständige und Angehörige der Freien Berufe, die in Folge der Corona-Krise erhebliche Umsatzausfälle erleiden) handelt es sich um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 399 1. Fall BGB nicht pfändbare Forderung. Die Unpfändbarkeit der Corona-Überbrückungshilfe III setzt sich jedoch nach deren Überweisung nicht an der Gutschrift auf einem regulären Girokonto des Schuldners fort.

BGH v. 25.7.2023 - X ZR 51/23
Die nach § 130d Satz 3 ZPO erforderliche Darlegung und Glaubhaftmachung ist rechtzeitig, wenn sie am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingeht. Eine vorübergehende Unmöglichkeit i.S.v. § 130d Satz 2 ZPO liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird.

Die Verweigerung des Zutritts des Betriebsratsvorsitzenden zum Betrieb durch Ausspruch eines Hausverbots stellt eine Behinderung der Betriebsratsarbeit dar; nach den Vorgaben des BetrVG dürfen Betriebsratsmitglieder jedoch in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Bei ganz gravierenden Pflichtverletzungen muss der Arbeitgeber selbst einen Antrag auf vorläufige Untersagung der Ausübung des Betriebsratsamts beim ArbG stellen. Das hat das LAG Frankfurt, Beschl. v. 28.8.2023 – 16 TaBVGa 97/23, entschieden.

OLG Zweibrücken v. 20.6.2023 - 9 U 49/23
Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass ein Landkreis, der über sein Jugendamt einen Ferienpass zum Kauf herausgibt und sich selbst darin als Veranstalter bezeichnet, für Unfälle der Teilnehmenden während der Veranstaltung haftet, auch wenn diese von einer Privatperson durchgeführt wird.

Am 12.10.2022 wurde das Gesetz über digitale Märkte (DMA) im Amtsblatt der EU veröffentlicht (VO (EU) 2022/1925 – ABl. 2022 L 265, 1); seit dem 2.5.2023 gilt es in der EU. Nunmehr hat die EU-Kommission am 6.9.2023 einen weiteren entscheidenden Baustein dieses Gesetzes beschlossen und insgesamt 22 „Gatekeeper“ („Torwächter“) – unter ihnen Apple, Amazon, Alphabet, Meta und Microsoft – benannt (Benennungsbeschluss nach Art. 3 Abs. 9; vgl. im Übrigen Art. 5–7, 13 DMA). Ziel des DMA ist es, innerhalb der EU faire und bestreitbare Märkte zu gewährleisten.

Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Ferda Ataman warnt vor Diskriminierungsrisiken beim Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). Algorithmische Entscheidungen werden zunehmend bei Bewerbungsverfahren oder Wohnungsvergaben eingesetzt. Wer diskriminiert wurde, kann das oft nicht nachweisen. Die Bundesbeauftragte schlägt daher Auskunftspflichten und die Einrichtung einer Schlichtungsstelle vor.

BGH v. 1.8.2023 - VI ZR 308/21
Entsprechend der Regelung in § 555 Abs. 3 ZPO für das Anerkenntnisurteil ergeht ein Verzichtsurteil in der Revisionsinstanz nur auf gesonderten Antrag des Beklagten. Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Zur Erfassung des vollständigen Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden. Fernliegende Deutungen sind auszuschließen.

BGH v. 8.8.2023 - II ZR 13/22
Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft oder über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft unterliegen diejenigen GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot, die zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben. Das Gericht darf im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht an Stelle der GmbH-Gesellschafter entscheiden und einen Beschluss feststellen, der so nicht zur Abstimmung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung stand. Es kann nur das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten Willensbildung feststellen.

VG Berlin v. 5.9.2023 - VG 26 K 251/22
Die Investitionsbank Berlin darf bei der Vergabe regionaler Wirtschaftsfördermittel verlangen, dass das die Fördermittel beantragende Unternehmen über eine gewisse wirtschaftliche Substanz verfügt. Dies gilt unabhängig davon, ob das Unternehmen Teil einer wirtschaftlich gesunden Unternehmensgruppe ist.

OLG Frankfurt a.M. v. 8.9.2023 - 10 U 75/20
Das OLG Frankfurt a.M. hat sich vorliegend mit dem Streit zweier Banken hinsichtlich sog. Cum/Cum-Transaktionen und der Frage der Rückerstattung einer für erhaltene Dividenden geleisteten Kompensation. Das OLG entschied, dass die eine Bank diese Kompensationszahlungen nicht mit dem Argument von der anderen zurückverlangen kann, die steuerliche Bewertung habe sich geändert und die Anrechnungsmöglichkeit der auf die Dividenden entrichteten Kapitalertragssteuer sei entfallen.

BGH v. 11.7.2023 - II ZR 116/21
Der Gesellschafter einer Zwei-Personen-GmbH kann unter den Voraussetzungen der actio pro socio die Ausschließungsklage gegen den anderen Gesellschafter erheben. Wird ein Gesellschafter wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes ohne statutarische Regelung durch Urteil aus der GmbH ausgeschlossen, wird die Ausschließung des betroffenen Gesellschafters bereits mit Rechtskraft des Urteils wirksam und ist nicht durch die Leistung der Abfindung bedingt.

BVerwG v. 14.8.2023 - 6 C 6.22 u.a.
Die in § 175 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 176 TKG (§ 113a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 113b TKG a.F.) geregelte Verpflichtung der Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste zur Speicherung der dort genannten Telekommunikations-Verkehrsdaten ist in vollem Umfang unvereinbar mit Art. 15 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (Richtlinie 2002/58/EG) und daher nicht anwendbar.

BGH v. 24.7.2023 - VIa ZR 752/22
Der Tatrichter entscheidet gemäß dem ihm eingeräumten Ermessen selbst, ob er Nutzungsvorteile aus dem Gebrauch eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs, dessen Käufer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, bei Wahl der linearen Berechnungsmethode nach dem Bruttokaufpreis oder nach dem Nettokaufpreis bemisst. Insoweit ergeben sich weder aus dem Gesetz noch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung verbindliche Vorgaben.

OLG Hamm v. 15.8.2023 - 7 U 19/23
Das OLG Hamm hat ein erstes Urteil zu den sog. Facebook-Scraping-Fällen gesprochen und eine Klage auf Zahlung von Schadensersatz nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) abgewiesen. Nach dem Urteil liegen zwar Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften vor, einen immateriellen Schaden konnte die Klägerin jedoch nicht ausreichend darlegen.

Eine nicht bemittelte Partei darf in der Regel im Rahmen eines Kündigungsprozesses auch einen Antrag auf Entfernung einer Abmahnung aus ihrer Personalakte stellen, ohne dass ihr dieses Prozessverhalten als mutwillig angelastet und ihr deshalb für diesen Antrag die Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt werden darf, sie hätte erst den Ausgang des Kündigungsprozesses abwarten müssen. Das hat das LAG Stuttgart, Urt. v. 28.8.2023 – 15 Ta 9/23, entschieden.

Aktuell in der ZIP
Von einer aus 600 Unternehmern und Juristen bestehenden Initiative wird unter dem Etikett „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ eine neue Rechtsformvariante zur GmbH vorgeschlagen. Der Kern des Modells lautet, dass die Gesellschafter keine Gewinnanteile mehr bekommen und auch keine sonstigen Vermögensrechte an der GmbH mehr haben sollen. Gewinne sollen im Unternehmen bleiben und im Interesse der Fortführung des Unternehmens als „Fähigkeiten- und Wertefamilie“ reinvestiert werden. Die amtierende Koalition hat diesen Vorschlag in ihre rechtspolitische Agenda aufgenommen. Im Anschluss an grundsätzliche Kritik aus der Rechtswissenschaft haben die Initiatoren ihr Modell überarbeitet und ergänzt. Der Verfasser analysiert und würdigt kritisch den aktualisierten Reformvorschlag.

Die Bundesregierung hat am 30.8.2023 die vom BMJ vorgelegten Eckpunkte für ein Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) beschlossen. Damit soll ein wesentlicher Beitrag zum Abbau von bürokratischen Hürden geleistet werden.

Pkw-Hersteller haften auch bei bloß fahrlässiger Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasbehandlung in Dieselfahrzeugen, im entschiedenen Fall eines sog. Thermofensters. Das hat das OLG Karlsruhe, Urteile v. 22.8.2023 – 8 U 86/21 und 8 U 271/21, entschieden. Es setzt damit die Rechtsprechung des EuGH aus dessen Urt. v. 21.3.2023 – C-100/21, ZIP 2023, 699, bzw. des BGH aus dessen Urt. v. 26.6.2023 – VIa ZR 335/21, ZIP 2023, 1421, um. In einer dritten Entscheidung vom selben Tag (8 U 236/21) hat das OLG die Klage wegen eines fehlenden Schadens des Klägers abgewiesen; in einem vierten Verfahren (8 U 325/21) wurde die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet

Bei der Corona-Überbrückungshilfe III (Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, Soloselbstständige und Angehörige der Freien Berufe, die in Folge der Coronakrise erhebliche Umsatzausfälle erleiden) handelt es sich um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 399 Alt. 1 BGB nicht pfändbare Forderung. Das hat der BGH, Beschl. v. 16.8.2023 – VII ZB 64/21, entschieden.

Seit dem Jahreswechsel 2022/2023 sieht die BaFin erhebliche Beeinträchtigungen der Abwicklung des Kundengeschäfts bei der Postbank. Neben verschiedenen Störungen im Online- und Mobile-Banking sowie der mangelnden Erreichbarkeit des telefonischen Kundendienstes zählen hierzu insbesondere lange Bearbeitungszeiten bei Pfändungs- und Nachlassangelegenheiten sowie bei der Auflösung / Abwicklung von Konten und Rückzahlung von Spareinlagen. Daneben kommt es insbesondere bei der Einrichtung und Verwaltung von Pfändungsschutzkonten zu erheblichen Beeinträchtigungen, die für die Kunden teils massive Auswirkungen haben.

ArbG Berlin v. 1.9.2023 - 21 Ca 1751/23
Das ArbG hat die Klage des Verwaltungsdirektors des RBB gegen die Beendigung seines Dienstverhältnisses zurückgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts ist der zwischen den Parteien geschlossene Dienstvertrag aufgrund der überaus üppigen Regelungen zum nachvertraglichen Ruhegeld sittenwidrig und daher nichtig.

Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (Datenschutzkonferenz) hat Anwendungshinweise zu dem Angemessenheitsbeschluss zum EU-US Data Privacy Framework veröffentlicht. Das Dokument enthält einerseits Informationen für die Datenexporteure, also die Verantwortlichen und Auftragsverarbeiter, die Daten in die USA übermitteln. Andererseits erfahren betroffene Personen, welche Rechtsschutz- und Beschwerdemöglichkeiten sie haben.

Das am 8.6.2023 von Rat und Parlament akkordierte und damit politisch beschlossene Datengesetz („Data Act“, COM/2022/68 final) – in der Sprache des Unionsrechts handelt es sich um eine Verordnung – ist ein ganz wichtiger Meilenstein neben der DSGVO, dem „Digital Service“ und dem „Digital Market Act“ in der Durchsetzung der digitalen Marktstrategie der EU. Im Kern geht es hier um die Gewährleistung eines fairen Datenzugangs und einer fairen Datennutzung. Das politisch und vor allem rechtlich zu bewältigende Dilemma besteht allerdings, wie die Kommission mit Recht hervorhebt, darin, dass das Datenvolumen in den letzten Jahren schneller als rasant angewachsen ist, vor allem aber, dass die so erzeugten und verfügbaren Daten „hauptsächlich in den Händen einer relativ geringen Anzahl großer Unternehmen“ liegt (Ziff. I). Erkennbar hindert dies die volle Ausschöpfung des zu hebenden Potenzials datengesteuerter Innovation.

LAG Niedersachsen v. 30.8.2023 - 13 TaBV 46/22
Die Betriebsratswahl bei VW im Werk Wolfsburg im Jahre 2022 war vom ArbG u.a. wegen Missachtung des Vorrangs der Urnenwahl vor der Briefwahl für unwirksam erklärt worden. Anders als das ArbG entschied das LAG nun, dass zur Anfechtbarkeit führende Verstöße gegen das vorgeschriebene Wahlverfahren nicht vorlagen.

Das BAG hat eine Mitteilung zum Fortgang ausgesetzter Verfahren, in denen über die kündigungsrechtlichen Folgen unterschiedlicher Fehler im Anzeigeverfahren gestritten wird, veröffentlicht. Der Aussetzungsgrund ist mittlerweile entfallen, da die EuGH-Entscheidung, die abgewartet werden sollte, inzwischen ergangen ist.

BGH v. 11.7.2023 - XI ZB 20/21
Eine Haftung eines Gründungsgesellschafters nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG a.F. kommt in Betracht, wenn der Gründungsgesellschafter dadurch einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand setzt, dass er entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernimmt oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung trägt. Die spezialgesetzliche Prospekthaftung gem. §§ 20, 21 VermAnlG, §§ 9, 10, 14 WpPG sowie § 127 InvG a.F. und § 306 KAGB schließt in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung eines Prospektverantwortlichen unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gem. § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB auch dann aus, wenn dieser den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernimmt oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung trägt.

OLG Brandenburg v. 19.7.2023 - 7 U 149/22
Die Frist hat den Zweck, dem anderen Vertragspartner in angemessener Zeit Klarheit über den Bestand des Vertrages zu verschaffen, zudem ist davon auszugehen, dass ein längeres Zuwarten dafür spricht, dass der zur Kündigung Berechtigte das Festhalten am Vertrag nicht für unzumutbar hält. Dabei sind die tatsächlichen Umstände, die Bedeutung des Kündigungsgrundes, die Auswirkungen für die Beteiligten und der Umfang der für den Kündigenden zuvor vorzunehmenden Prüfungen zu berücksichtigen.

LG Baden-Baden v. 24.8.2023, 3 S 13/23
Zwar sind Arbeitnehmer eines für die Datenverarbeitung Verantwortlichen grundsätzlich nicht als Empfänger anzusehen. Dies gilt aber nach EuGH-Rechtsprechung (EuGH, Urt. v. 22.6.2023, C-579/21) nur dann, wenn sie unter der Aufsicht des Verantwortlichen und im Einklang mit seinen Weisungen die Daten verarbeiten.

Das Bundeskabinett hat am 30.8.2023 die vom BMJ vorgelegten Eckpunkte für ein Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) beschlossen. Damit soll ein wesentlicher Beitrag zum Abbau von bürokratischen Hürden geleistet und ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden.

OLG Schleswig-Holstein v. 25.8.2023 - 1 U 85/21
Ein gehobener Schallschutz kann als Mindeststandard nach den technischen Regeln auch dann konkludent vereinbart sein, wenn die Bauherren ein Einfamilienhaus errichten, sie dabei Einzelaufträge für einzelne Gewerke vergeben und es um eine haustechnische Anlage geht. In aller Regel wird ein Bauherr eine Ausführung erwarten, die einem üblichen Qualitäts- und Komfortstandard entspricht.

OLG Düsseldorf v. 30.8.2023 - VI-3 Kart 129/21 (V) u.a.
In dem Verfahren um die von der Bundesnetzagentur festgelegten Eigenkapitalzinssätze für Strom- und Gasnetzbetreiber haben die Beschwerden zahlreicher Netzbetreiber Erfolg. Das OLG Düsseldorf hat in 14 repräsentativen Musterverfahren die von der Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur am 12.10.2021 festgelegten Eigenkapitalzinssätze für Strom- und Gasnetzbetreiber (BK4-21-055 und BK4-21-056) aufgehoben.

BGH v. 3.8.2023 - VII ZR 102/22
Erweist sich eine Abrechnung nach den Mindestsätzen der HOAI ausnahmsweise als treuwidrig, weil das Vertrauen des Auftraggebers auf das vereinbarte niedrigere Honorar schutzwürdig ist, liegen nicht zugleich die Voraussetzungen vor, unter denen der Architekt nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert ist, sich auf das Fehlen einer schriftlichen und damit formwirksamen Vereinbarung bei Auftragserteilung (§ 7 Abs. 1 HOAI) zu berufen. Hierzu bedarf es Feststellungen dazu, dass dies zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde und es daher gem. § 242 BGB rechtsmissbräuchlich ist, sich auf die Formunwirksamkeit zu berufen.

Das Wachstumschancengesetz soll die steuerlichen und damit auch die wirtschafts- sowie standortpolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland verbessern. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu stärken sowie Innovationen und die Transformation zur digitalen und klimaneutralen Wirtschaft zu fördern.

Aktuell in der ZIP
Das Berufsrecht der Insolvenzverwalter wird derzeit heiß diskutiert. Auf politischer Ebene sind die Dinge im Fluss, auch wenn der gordische Knoten bei der Suche nach einem Kompromiss zwischen den von den verschiedenen Verbänden favorisierten Ansätzen noch nicht durchschlagen ist. Im Kern geht es primär um die Frage, ob und in welcher Form die Zulassung zum Insolvenzverwalteramt (ebenso wie der Widerruf der Zulassung und die weitere Aufsicht) geregelt werden soll. Dieser Beitrag hat nicht das Ziel, einen eigenen, weiteren Regelungsvorschlag in die Diskussion einzubringen, sondern unternimmt es, die grundlegenden Wertungen der in die Diskussion eingeführten Argumente zu überprüfen und zu hinterfragen; erst auf dieser Grundlage können Folgerungen für eine stimmige berufsrechtliche Regelung gezogen werden. Während man einerseits von einer berufsrechtlichen Zulassungsregelung nicht zu viel erwarten sollte, weil die konkrete Verwalterauswahl im konkreten Verfahren entscheidend bleiben dürfte, wäre es doch andererseits fragwürdig, wenn eine berufsrechtliche Regelung auf überholten Prämissen aufbaute. Entscheidend ist insofern u.a., wie sich das Berufsbild der Insolvenzverwalter entwickelt hat; die jüngere Entwicklung des Insolvenz- und Restrukturierungsrechts und ihre Auswirkungen auf dieses Berufsbild hat bisher vergleichsweise geringen Widerhall in der Diskussion gefunden.

OLG Hamm v. 1.6.2023 - 4 U 225/22
Aus der durch eine vorangegangene Abmahnung begründeten wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung eigener Art kann sich für den Verletzer, der sich nicht des der Abmahnung beigefügten Entwurfs einer Unterlassungserklärung bedient, sondern stattdessen eine eigene Erklärung formuliert, eine Pflicht zur Aufklärung ergeben, inwieweit er hierdurch seine Unterlassungspflichten - stillschweigend und insofern womöglich auf eine gewisse Art und Weise „listig“ - abweichend von den üblichen Gepflogenheiten begrenzen will, wenn er gleichzeitig in einem Begleitschreiben den Eindruck vermittelt, sämtliche Beanstandungen des Abmahnenden vorbehaltlos zu akzeptieren.

Die Bundesregierung hat am 23.8.2023 den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs mit dem BVerfG veröffentlicht. Der RegE sieht nun auch die Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs mit dem BVerfG vor, nachdem in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten der elektronische Rechtsverkehr bereits stattfindet.

Die Einstellung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung der Gläubiger steht einer Beschwerde des Insolvenzverwalters gegen die Festsetzung seiner Vergütung nicht entgegen, wenn dieser vor der Verfahrenseinstellung für den streitigen Teil seiner Vergütung Sicherheit geleistet hat. Das hat der BGH, Beschl. v. 13.7.2023 – IX ZB 42/22, entschieden

Ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten WhatsApp-Gruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, kann sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen. Das hat das BAG, Urt. v. 24.8.2023 – 2 AZR 17/23, entschieden.

Gemäß § 47 Nr. 2, § 48a BNotO erlischt das Amt des Notars mit dem Ende des Monats, in dem er das 70. Lebensjahr vollendet. Der BGH, Urt. v. 21.8.2023 – NotZ(Brfg) 4/22, hat entschieden, dass diese Altersgrenze für Notare mit dem Recht der EU vereinbar ist.

OLG München v. 11.8.2023 - 5 W 774/23e
Das OLG München hat sich vorliegend mit dem Antrag des Insolvenzverwalters einer GmbH & Co. KG auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe befasst, den dieser gestellt hat, um gegen die ehemalige Wirtschafsprüferin der Insolvenzschuldnerin Haftungsansprüche wegen eines Insolvenzverschleppungsschadens geltend machen zu können.

Wie unter einem Brennglas wird in der am 17.8.2023 in Kraft getretenen Batterie-Verordnung (VO 2020/0353 (COD)) sichtbar, welche immensen bürokratischen Anforderungen im Rahmen der Verwirklichung des europäischen „Green Deal“ zu erfüllen sind, wenn ein harmonisierter Rechtsakt – und dies erstmals – für den gesamten Lebenszyklus eines Produkts geschaffen wird. Dieser betrifft alle Wirtschaftsakteure, die je mit dem Produkt, einschließlich seines Recyclings („second life“), in Kontakt kommen – der Verbraucher natürlich eingeschlossen. Angesichts der immensen strategischen Bedeutung von Batterien – Stichwort: e-Mobilität, Clouds – ist natürlich die „Rechtssicherheit“ für alle beteiligen Akteure zu regeln. Das heißt: Diskriminierungen, Handelshemmnisse und wettbewerbliche Verzerrungen auf dem Batteriemarkt müssen in den Blick genommen werden, und es sind Vorschriften in Bezug auf die Nachhaltigkeit, die Leistung, die Sicherheit, die Sammlung, das Recycling und die weitere Nutzung von Batterien sowie in Bezug auf Informationen zu Batterien für Endnutzer und Wirtschaftsakteure festzulegen (Rz. 2). Doch das sind noch längst nicht alle Ziele.

BSG v. 20.7.2023 - B 12 BA 1/23 R u.a.
Stellt sich die Tätigkeit einer natürlichen Person nach deren tatsächlichem Gesamtbild als abhängige Beschäftigung dar, ist ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht deshalb ausgeschlossen, weil Verträge nur zwischen dem Auftraggeber und einer Kapitalgesellschaft bestehen, deren alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter die natürliche Person ist.

OLG Düsseldorf v. 10.8.2023 - 6 U 133/22
Die Erhebung der Sammelklage durch einen Inkassodienstleister bewirkt auch dann eine Verjährungshemmung zugunsten des Geschädigten, wenn die Klage hinsichtlich seiner Ansprüche wegen fehlender Aktivlegitimation des Inkassodienstleisters rechtskräftig abgewiesen worden ist. Der Senat hat die Revision zugelassen, um eine höchstrichterliche Klärung der im Zusammenhang mit der Hemmungswirkung der „Sammelklage“ in der hier vorliegenden Konstellation einer die Wirksamkeit der Abtretung verneinenden rechtskräftigen Vorentscheidung zu ermöglichen.

BGH v. 20.6.2023 - VI ZR 262/21
Für eine identifizierende Verdachtsberichterstattung ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen, erforderlich. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt.

VG Düsseldorf v. 24.8.2023 - 29 K 329/21
Das Justizministerium NRW muss keinen Informationszugang zu Berichten der Staatsanwaltschaften in Ermittlungsverfahren zu “Cum-Ex“-Transaktionen der WestLB AG und der Bearbeitung dieser Berichte im Justizministerium gewähren.

LSG Bayern v. 18.8.2023 - L 7 BA 72/23 B ER
Das LSG Bayern hatte in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die Rechtmäßigkeit der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen zu entscheiden. Kern des Rechtsstreits war die Frage, ob die in dem betroffenen Fitnessstudio tätigen Trainer freie Mitarbeiter oder abhängig beschäftigt waren.

BGH v. 13.7.2023 - IX ZB 42/22
Die Einstellung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung der Gläubiger steht einer Beschwerde des Insolvenzverwalters gegen die Festsetzung seiner Vergütung nicht entgegen, wenn dieser vor der Verfahrenseinstellung für den streitigen Teil seiner Vergütung Sicherheit geleistet hat. Der Schätzwert der Masse wird, wenn das Verfahren durch Einstellung vorzeitig beendet ist, durch die Summe der Forderungen aller zu befriedigenden Insolvenz- und Massegläubiger begrenzt, sofern nicht der Wert der bereits erzielten Massezuflüsse höher ist.

OLG Frankfurt a.M. v. 21.8.2023 - 6 W 24/20
Die Beauftragung eines Patentanwalts in einer Markensache, in der der Rechtbestand streitig ist, absolute Schutzhindernisse behauptet werden und die rechtserhaltende Benutzung bestritten wird, ist nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich, da diese Themen von einem Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz bearbeitet werden können.

BGH v. 11.7.2023 - II ZR 98/21
Beschlüsse einer Aktiengesellschaft, die gegen körperschaftsrechtliche Satzungsbestimmungen verstoßen und bei denen die für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften nicht eingehalten werden, sind jedenfalls anfechtbar. Ist die Anfechtungsklage zulässig erhoben, bedarf es im Hinblick auf dasselbe mit Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage verfolgte materielle Ziel, nämlich die richterliche Klärung der Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses und somit seine Beseitigung mit Wirkung für und gegenüber jedermann, keiner Festlegung, ob der Satzungsverstoß zur Nichtigkeit oder nur zur Anfechtbarkeit führt.

LG Wuppertal v. 15.8.2023 - 4 O 376/22
Ob ein "Kaufvertrag über den Abschluss eines Einfamilienhauses" i.S.d. § 656c BGB vorliegt, bestimmt sich objektiv an der tatsächlichen Nutzung des Objekts bei Abschluss des Maklervertrages. Insbesondere würde eine subjektive Betrachtung des Begriffs "Einfamilienhaus" zu einer künstlichen Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhaltes führen. Denn bei natürlicher Betrachtung ist es nicht mehr nachvollziehbar, dass derselbe Gegenstand gleichzeitig ein Einfamilienhaus (Maklergeschäft mit Erwerber) und ein Mehrfamilienhaus (Kaufgeschäft) sein soll.

Aktuell in der ZIP
Der BGH hat dem Recht der Gesellschafterdarlehen in den letzten Jahren schärfere Konturen verliehen. Der vorliegende Beitrag spürt den neueren Entwicklungen kritisch nach und bietet ergänzende Lösungen für diejenigen Fragen an, die in den Entscheidungen des IX. Senats der jüngeren Vergangenheit offengeblieben sind. Dabei konzentriert er sich auf den persönlichen und den sachlichen Anwendungsbereich der § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 InsO.

LG Bonn v. 28.6.2023 - 1 O 79/21
Ein Großteil der auf dem Nationalen Gesundheitsportal des Bundes eingestellten Artikel überschreitet die Grenzen des zulässigen staatlichen Informationshandelns. Um seinen staatlichen Aufgaben und Fürsorgepflichten gegenüber den Bürgern gerecht zu werden, bedarf es eines solchen Portals des Bundes nicht. Für die Feststellung einer Schadensersatzpflicht bedarf es einer nicht lediglich entfernt liegende Möglichkeit eines Schadens, d.h. auf Grund des festgestellten Sachverhalts muss der Eintritt eines Schadens zumindest denkbar und möglich erscheinen.

Die Bundesregierung hat am 16.8.2023 den RegE eines Gesetzes zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim BGH beschlossen. Dem BGH soll es erleichtert werden, grundsätzliche Rechtsfragen zu entscheiden, die sich in einer Vielzahl von Verfahren (wie z.B. aktuell im Diesel-Skandal oder wegen unzulässiger Klauseln in Fitnessstudio-, Versicherungs- oder Bankverträgen) in gleicher Weise stellen. Dies soll schneller Rechtssicherheit für alle schaffen und die Gerichte entlasten, indem weitere Klagen zur selben Rechtsfrage vermieden werden

Die Bundesregierung hat am 16.8.2023 den Regierungsentwurf zur Stärkung des Justizstandorts Deutschland durch Einführung von Commercial Courts und der Gerichtssprache Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit („Justizstandorts-Stärkungsgesetz“) beschlossen. Parteien von privatrechtlichen Wirtschaftsstreitigkeiten sollen dadurch Verfahren künftig vollständig in englischer Sprache führen können. Außerdem soll den Parteien von großen privatrechtlichen Wirtschaftsstreitigkeiten ein attraktives Gesamtpaket für das Verfahren angeboten werden, damit sich Deutschland dem Wettbewerb mit anerkannten ausländischen Handelsgerichten und Schiedsgerichten stellen kann.

Zinsen aus dem Darlehen eines Steuerpflichtigen an eine ausländische Kapitalgesellschaft, an der er mittelbar zu mindestens 10 % beteiligt ist, sind nach der bis zum Jahressteuergesetz 2020 geltenden Rechtslage mit dem regulären progressiven Steuersatz des § 32a EStG zu besteuern. Das hat der BFH, Urt. v. 27.6.2023 – VIII R 15/21, entschieden.

Ist eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG geplant und schließen der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat darüber einen Interessenausgleich mit Namensliste, wird nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO vermutet, dass die Kündigung des in der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmers durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist.

BGH v. 13.7.2023 - IX ZB 24/22
Die gem. § 63a des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes (NBesG) an alle Besoldungsempfänger zu zahlende Corona-Sonderzahlung stellt keine unpfändbare Erschwerniszulage dar. Sieht eine abstrakt-generelle Regelung - wie § 63a NBesG - für alle Beschäftigten eine Zahlung des Dienstherrn vor, liegt darin nur dann eine Erschwerniszulage, wenn die tatsächlichen Verhältnisse bei allen Beschäftigten zu einer besonderen Belastung der Arbeitstätigkeit führen. Diese Anforderungen erfüllt § 63a NBesG nicht.

OLG Hamm v. 6.7.2023 - 18 U 107/21
Gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel vor, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. § 309 Nr. 5a BGB gilt zwar nicht unmittelbar unter Kaufleuten, stellt jedoch eine Ausformung der Generalklausel des § 307 BGB dar und fließt für den kaufmännischen Verkehr als Wertungsmaßstab in die Inhaltskontrolle nach dieser Vorschrift ein.

VG Berlin v. 28.2.2023 - VG 1 K 342.18 u.a.
Die Aufstellung eines Geldautomaten auf dem öffentlichen Gehweg vor einem Mehrfamilienhaus muss von Bezirksämtern nicht erlaubt werden. Es besteht ein nachvollziehbares städtebauliches Interesse der Bezirksämter daran, es zu vermeiden, dass öffentliche Gehwege den Charakter einer privatwirtschaftlichen Nutzfläche erhalten.

Mitte Juli hat die Kommission ihren jährlichen Bericht über ihre Kontrolle bei der Anwendung des EU-Rechts vorgelegt, der aufzeigen soll, wie der Schutz der Rechte und Freiheiten von Personen und Unternehmen in der EU erreicht wird („Annual Report on monitoring the application of EU law“). Dabei betont die Kommission, dass es ihr vor allem darum geht, bei etwaigen Zuwiderhandlungen der Mitgliedstaaten bereits im „Vorfeld“ tätig zu werden, damit es erst gar nicht zu einem Vertragsverletzungsverfahren kommt. Auf diesem Weg will sie erreichen, dass sie, wie sie selbst sagt, die bestmöglichen Instrumente zur Durchsetzung des EU-Rechts einsetzt. Erreicht wurde auf diese Weise, dass im abgelaufenen Jahr 96 % aller Fälle im „Dialog“ zwischen Kommission und Mitgliedstaaten beigelegt werden konnten, bevor es zu einem Gerichtsverfahren kam.

OLG Düsseldorf v. 21.8.2023 - VI-6 U 1/23 (Kart)
Der 6. Kartellsenat des OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die von der beklagten A-Verkehrsgesellschaft mbH gegen einen klagenden Busfahrer verhängte lebenslange Fahrersperre wegen Handynutzung am Steuer marktmissbräuchlich und deshalb unzulässig ist.

Schleswig-Holsteinisches OLG v. 3.8.2023 - 6 U 64/22
Bei der Bestimmung des sachlich relevanten Marktes für die Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bilden Hundefutter und Hundefutterergänzungsmittel einen gemeinsamen Markt. Wird in der Werbung auf Beschwerden Bezug genommen, die mit einer Erkrankung verbunden sind, liegt krankheitsbezogene Werbung vor. Werden unspezifische Beschwerden geschildert, ist die Werbung gesundheitsbezogen. Der wissenschaftliche Nachweis der Wirksamkeit eines Futterergänzungsmittels setzt den Nachweis der Wirksamkeit gerade der in dem Produkt enthaltenen Wirkstoffkombination voraus.

OLG Brandenburg v. 3.7.2023 - 1 U 8/22
Kreditauskunfteien erhalten Informationen von ihren Kunden, um diese zum Zweck einer Bonitätseinschätzung von Kreditnehmern zu speichern. Eine Löschung der Einträge erfolgt nach dem brancheninternen Code of Conduct erst drei Jahre nach ihrer Erledigung. Diese Drei-Jahres-Frist begegnet laut OLG Brandenburg keinen grundsätzlichen Bedenken und kann daher als DS-GVO-konform angesehen werden.

BGH v. 23.6.2023 - V ZR 28/22
Grundsätzlich kann nur ein vor Fristablauf eingegangener, mit einer Unterschrift versehener Schriftsatz die Frist zur Begründung der wohnungseigentumsrechtlichen Anfechtungsklage wahren. Die Wahrung der Begründungsfrist der Anfechtungsklage unterliegt nicht der Parteidisposition, sondern ist von Amts wegen zu prüfen. Ob die Frist zur Begründung der Anfechtungsklage gewahrt ist, kann das Gericht im Freibeweisverfahren klären.

OLG Schleswig-Holstein v. 10.8.2023 - 6 W 12/23
Die Falschbezeichnung eines Lebensmittels als Marmelade statt Fruchtaufstrich durch einen Kleinstgewerbetreibenden rechtfertigt Herabsetzung des Streitwertes auf 1000 €. Auch wenn die Bezeichnung der Tatbestandsvoraussetzungen in einem gewissen Konflikt mit den Begriffen des Lauterkeitsrechts stehen, ist die Intension des Gesetzgebers, Verstöße von geringem Umfang von Kleinstunternehmern zu erfassen, wie dies auch für die Anwendung des Auffangstreitwertes von 1.000 € gem. § 53 Abs. 3 S. 2 GKG in Fällen mit geringem Unrechtsgehalt wie geringfügigen Verletzungen von Informationspflichten der Fall ist, hinreichend deutlich.

BGH v. 24.7.2023 - VIa ZB 10/21
Geht der Hersteller eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs mit der Anfechtungsklage gegen die nachträgliche Anordnung von Nebenbestimmungen zu einer EG-Typgenehmigung vor, ist der Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für einen Zivilrechtsstreit nicht vorgreiflich, in dem der Käufer des Fahrzeugs den Fahrzeughersteller wegen einer deliktischen Schädigung in Anspruch nimmt.

AG Essen v. 2.5.2023 - 130 C 135/21
Jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche haftet für den Schaden, der durch eine nicht der DSGVO entsprechende Verarbeitung verursacht wurde (Art. 82 Abs. 2 DSGVO). Bei einem Verstoß gegen die DSGVO genügt bereits die Mitursächlichkeit, erforderlich ist nicht, dass der Verstoß für den Schaden allein ursächlich geworden ist.

BGH v. 25.7.2023 - XI ZB 11/21
Ist die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängig, muss ein Musterverfahrensantrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG als unzulässig verworfen werden. Ein Rechtsstreit, in dem der Musterverfahrensantrag als unzulässig verworfen werden müsste, kann nicht durch Aussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG musterverfahrensfähig werden, denn sowohl § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG als auch § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG verlangen wortgleich, dass die Entscheidung des betroffenen Rechtsstreits von den Feststellungszielen abhängt.

BGH v. 25.7.2023 - XI ZR 221/22
Bei einem Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge nach dem Verhältnis des Sparguthabens zur Jahressparleistung steigen (sog. Verhältnisprämienstaffel), ist das Recht der Sparkasse zur ordentlichen Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen. Durch vertraglich zulässige Kontoabhebungen kann der Sparer die Dauer des Kündigungsausschlusses nicht einseitig verlängern.

BGH v. 15.6.2023 - I ZB 31/20
Die Sichtbarkeit eines Bauelements (hier: Fahrradsattel) eines komplexen Erzeugnisses (hier: Fahrrad) bei seiner bestimmungsgemäßen Verwendung durch den Endbenutzer i.S.v. §§ 4, 1 Nr. 4 DesignG (Art. 3 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 98/71/EG) ist aus der Sicht dieses Benutzers sowie der Sicht eines außenstehenden Beobachters zu beurteilen. Die bestimmungsgemäße Verwendung umfasst die Handlungen, die bei der hauptsächlichen Verwendung eines komplexen Erzeugnisses vorgenommen werden, sowie die Handlungen, die der Endbenutzer im Rahmen einer solchen Verwendung üblicherweise vorzunehmen hat, mit Ausnahme von Instandhaltung, Wartung und Reparatur.

Unter den Titeln „Corporate Social Responsibility“ (CSR) und „Environment/Social/Governance“ (ESG) erlässt die EU derzeit viele Regelwerke für Unternehmen, die Klima und Umwelt sowie „soziale“ Anliegen, insbesondere Menschenrechte, schützen und eine gute Unternehmensführung befördern sollen. Rechtliche Flaggschiffe sind die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die TaxonomieVO sowie der Entwurf der Kommission für eine Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD-E). Die ESG-Vorgaben setzen in vielfältiger Weise an: Die CSRD verpflichtet zu einem jährlichen Bericht mit retrospektiven und prospektiven Elementen über Nachhaltigkeitsaspekte, der auch Angaben über die unternehmensinterne Organisation und deren „Wirksamkeit“ enthalten muss. Der CSDDD-E verpflichtet Unternehmen, dafür zu sorgen, dass bestimmte internationale Abkommen im Bereich Umweltschutz und Menschenrechte von ihnen und entlang der gesamten Lieferkette auch von unmittelbaren und mittelbaren Zuliefer- und Abnehmerunternehmen eingehalten werden; er geht hierbei sachlich und in seinen Haftungskonsequenzen für Unternehmen und Organe deutlich über das deutsche LkSG hinaus. Der CSRD kommt nichts Geringeres als die Aufgabe zu, mit den Mitteln der Berichterstattung den „Übergang zu einem vollständig inklusiven Wirtschafts- und Finanzsystem im Einklang mit dem Green Deal (der EU-Kommission) und den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung“ zu bewirken. Nach ihren Erwägungsgründen sollen die jährlichen Nachhaltigkeitsberichte nicht nur Kapitalgebern, sondern allen „Bürgerinnen und Bürgern“, namentlich „Akteuren der Zivilgesellschaft, einschließlich Nichtregierungsorganisationen und Sozialpartnern, [dienen], die Unternehmen im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf Mensch und Umwelt stärker in die Verantwortung nehmen wollen“. Ferner sind Bußgeld- und Ächtungssanktionen vorgesehen. „Reporting“ soll „Performance“ bewirken. Mit diesem Ziel entfalten die vielfältigen Regelungen Wechselwirkungen, ergänzen und verstärken einander. Sie eröffnen als „multiple verbundene Eingriffe“ neue Pflicht- und Haftungswelten. Der Beitrag stellt die Regelungen in ihren Wechselwirkungen dar. In einem gesonderten Beitrag (Reuter, ESG und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke der multiplen Pflichten- und Haftungsvermehrung, erscheint demnächst in ZIP 2023, unter II) wird der Verfasser den sich gegenseitig verstärkenden Haftungskonsequenzen der ESG-Vorgaben nachgehen und erörtern, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Vertrauensgrundsatz den multiplen ESG-Vorgaben auf dem Weg vom „Reporting“ zur „Performance“ rechtliche Schranken setzen. Ferner wird er Überlegungen zur praktischen Umsetzung der ESG-Vorgaben in den erfassten Unternehmen skizzieren.

Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) vom 11.8.2023 im Juli 2023 um 23,8 % gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Im Juni 2023 hatte sie bereits um 13,9 % gegenüber Juni 2022 zugenommen.

Die Erhebung von Einkommensteuern kann sachlich unbillig sein, wenn die festgesetzte Steuer bei Einbezug tatsächlich abgeflossener, aber aufgrund von Ausgleichsbeschränkungen steuerlich nicht zu berücksichtigender Aktienverluste das jährlich steuerfrei zu belassende Existenzminimum übersteigt. Das hat das FG Köln, Urt. v. 26.4.2023 – 5 K 1403/21, entschieden.

LG München I v. 11.8.2023 - 34 O 7322/20
Das LG München I hat der Klage gegen die Filmbetreiber-GmbH eines Münchner Kinos auf Räumung und Herausgabe stattgegeben. Hintergrund des Rechtsstreits war die Frage, ob der bestehende Pachtvertrag wirksam gekündigt worden war. Das Gericht sah die Kündigung des Pachtvertrages als ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung des Grundstücks und damit wirksamen Beschluss durch Stimmenmehrheit iSv § 745 BGB an.

AG Köln v. 20.6.2023 - 125 C 23/22
Das tatsächliche Erhalten der behaupteten Preise am Markt ist indes zwingende Voraussetzung für die Berücksichtigung bei der Lizenzanalogie. Andernfalls hätte es der Rechteinhaber in der Hand, durch die Erstellung von Preislisten beliebige Schadensersatzforderungen durchzusetzen.

BGH v. 1.8.2023 - X ZR 118/22
Erspart i.S.v. § 648 Satz 2 BGB sind diejenigen Aufwendungen, die der Unternehmer ohne die Kündigung gehabt hätte und die er infolge der Kündigung nicht mehr tätigen muss. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer die in Rede stehenden Aufwendungen in seine Preiskalkulation einbezogen und ob er die Kalkulation gegenüber dem Besteller offengelegt hat. Aus den unionsrechtlichen Regeln über die Festlegung und Angaben von Flugpreisen für innergemeinschaftliche Flugdienste ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

Wer erinnert sich nicht an die beiden grundlegenden Entscheidungen, welche der Österreicher Maximilian Schrems am 6.10.2005 (C-362/14 – Schrems I, EWiR 2016, 109 (Kuhn)) und dann am 16.7.2020 (C-311/18 – Schrems II, EWiR 2020, 475 (Heun-Rehn/Kempermann)) vor den Schranken des EuGH zugunsten des unionsrechtlich abgesicherten Daten- und Grundrechtsschutzes erstritten hat. Mehr noch: Es ist allein ihm zu verdanken, dass der damals geltende EU-US Privacy Shield als Rechtsbasis für den transatlantischen Datenverkehr, einschließlich des diesen stützenden Durchführungsbeschluss der EU (2016/1250), zu Fall gebracht wurde. Es ist ein historisch zu nennendes Verdienst: Der von der EU erarbeitete und zwingend zu beachtende Datenschutz wird bislang – so der EuGH – in den USA nicht in gleichwertiger und angemessener Weise eingehalten; das Verdikt war messerscharf: kein „sicherer Hafen“. Kardinaler Problembereich: Der zu weitreichende Zugang der amerikanischen Nachrichtendienste zu den übermittelten personenbezogenen Daten aus der EU.