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Aktuelle Nachrichten


OVG Münster v. 24.5.2023 - 4 B 1590/20
Der Widerruf der Registrierung eines Inkassounternehmens wegen dauerhaft unqualifizierter Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Internetseite www.probenheld.de und der App Park & Collect war voraussichtlich rechtmäßig. Die Annahme, das Unternehmen erbringe dauerhaft unqualifizierte Rechtsdienstleistungen, war schon deshalb gerechtfertigt, weil es wiederholt und erheblich unternehmerische Sorgfaltspflichten verletzt und im erheblichen Umfang Rechtsdienstleistungen über die eingetragene Befugnis hinaus erbracht hat.

EuG v. 24.5.2023 - T-2/21
Der Begriff Emmentaler kann nicht als Unionsmarke für Käse geschützt werden. Da die Marke für die maßgeblichen deutschen Verkehrskreise eine Käsesorte beschreibt und nicht als geografische Herkunftsangabe für den betreffenden Käse wahrgenommen wird, genießt sie als Kollektivmarke keinen Schutz.

LG Gießen v. 14.4.2023 - 5 O 425/21
Es ist es gängige Praxis unter Geschäftsleuten einen umfassenden Haftungsausschluss zu vereinbaren. Die enorme Wichtigkeit einer Garantievereinbarung ist nur dann verständlich und nachvollziehbar, wenn alle Beteiligten davon ausgegangen sind, dass ansonsten eine Haftung des Verkäufers für Sachmängel gerade nicht besteht. Wenn feststeht, dass die Parteien eine solche Vereinbarung getroffen haben und diese auch die vom Käufer geltend gemachten Mängel bzw. Gewährleistungsrechte erfasst, muss der Käufer die Voraussetzungen dafür darlegen und beweisen, dass der Verkäufer sich nach § 444 nicht auf die Vereinbarung berufen kann.

OLG Hamm v. 27.4.2023 - 4 U 247/21
Die Einschränkung des Urheberrechts durch die Panoramafreiheit, die eine unentgeltliche Nutzung gestattet, schließt nur diejenigen Perspektiven ein, die von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus bestehen. Hierzu gehört nicht der Luftraum. Der Einsatz von Hilfsmitteln zur Erlangung einer anderen Perspektive (hier: mittels einer Drohne gefertigte Bildaufnahmen) ist nicht mehr von der urheberrechtlichen Panoramafreiheit gedeckt.

Der Rat der Europäischen Union hat am 24. April 2023 die Entgelttransparenzrichtlinie („EntgTranspRL“) angenommen, nachdem Ende März auch das EU-Parlament der Richtlinie mit großer Mehrheit zugestimmt hat. Durch die EU-Richtlinie sollen die Lohndiskriminierung bekämpft und das geschlechtsspezifische Lohngefälle in der EU abgebaut werden.

Aktuell in der ZIP
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erfasst – trotz seiner primär auf die Menschenrechtsdurchsetzung in transnationalen Geschäftsbeziehungen ausgerichteten Zielsetzung – auch reine Inlandssachverhalte. Vor diesem Hintergrund untersucht der Beitrag die bisher wenig beleuchteten Potentiale des Gesetzes für die Verbesserung der Arbeitsrechtsdurchsetzung in Deutschland. Im Ergebnis zeigen sich vor allem neue Möglichkeiten für die kollektive Arbeitsrechtsdurchsetzung sowie Anreize für die Verankerung wirksamer Compliance-Management-Systeme.

Mit Urteil vom 8.3.2023 hat der BGH (Urt. v. 8.3.2023 – 1 StR 188/22) erneut den Versuch unternommen, eine sozialrechtlich abgesicherte Trennlinie zwischen einem freien Mitarbeiter und einem Scheinselbstständigen zu ziehen, welche in einer Einzelkanzlei beschäftigt waren. Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt in immerhin 189 Fällen lautete der Vorwurf, der u.a. wegen der illegalen Beschäftigung von zwölf Anwälten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr führte, ausgesetzt allerdings zur Bewährung. In einem ersten Schritt umschreibt der BGH den im Wesentlichen im Arbeitsrecht entwickelten Begriff der Beschäftigung in einem fremden Betrieb: Eingliederung und dann eben auch das Bestehen eines Weisungsrechts des Arbeitgebers, das Zeit, Ort, Dauer und Art der Tätigkeit umfasst. Das sind die Stichworte. Selbstständigkeit als das Gegenstück bedeutet: eigenes Unternehmerrisiko, eigene Betriebsstätte und eben eine im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und eine danach auch ausgerichtete Arbeitszeit.

Der EuGH, Urt. v. 17.5.2023 – C-97/22 – DC (Rétractation après l’exécution du contrat), hat in Bezug auf die Auslegung der Vorschriften von Art. 14 Abs. 4 und 5 RL 20117/83/EU (Verbraucherrechte-RL) eine an Rigidität kaum zu überbietende Entscheidung getroffen und damit eine Vorlagefrage des LG Essen beantwortet: „Art. 14 Abs. 4 lit. a Ziff. i und Abs. 5 der Verbraucherrechte-RL sind" – so der markante Leitsatz – „dahin auszulegen, dass sie einen Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreien, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags erbracht wurden, wenn ihm der betreffende Unternehmer die Informationen gem. Art. 14 Abs. 4 lit. a Ziff. i nicht übermittelt hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat.“

Der Gravenbrucher Kreis unterstützt grundsätzlich die insolvenzrechtlichen Regelungen des RefE eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssicheren Investitionen (ZuFinG). Gleichzeitig erkennt er, dass in einzelnen Punkten des Entwurfs noch Nachbesserungsbedarf besteht (PM v. 11.5.2023).

Einen keineswegs alltäglichen Fall hatte das OLG Hamm, Urt. v. 2.5.2023 – 9 W 15/23, zu entscheiden: Der Kläger hatte in einer internationalen Streitigkeit ein Unterlassungsklageverfahren gegen eine in Spanien ansässige Beklagte vor dem LG Essen angestrengt. Dieses Verfahren zielte darauf ab, der Beklagten zu untersagen, in den USA eine Vollstreckung gegen die Klägerin aus einem Schiedsurteil weiter zu betreiben. Doch mit Hilfe eines in den USA angestrengten Verfahrens wollte die Beklagte erreichen, dass das vor dem LG anhängige Unterlassungsverfahren gegen sie gestoppt und der Kläger zu einer Klagerücknahme gezwungen wird. Dagegen richtete sich jetzt der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung des Klägers. Aufgrund einer Beschwerde gelangte dieses Verfahren nunmehr zum OLG Hamm. Die Beklagte machte vor dem OLG geltend, die beantragte Verfügung würde, so sie denn erlassen würde, in unzulässiger Weise in die Hoheitsrechte der Vereinigten Staaten eingreifen.

BGH v. 23.5.2023 - VI ZR 476/18
Der Erfolg eines Auslistungsbegehren gegenüber Google hängt nicht davon ab, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts einer gerichtlichen Klärung zugeführt worden ist. Suchmaschinenbetreiber sind verpflichtet, einem Auslistungsantrag stattzugeben, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlegt, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist.

KG Berlin v. 14.10.2022 - 22 W 43/22
Im Rahmen der beschränkten und im Grundsatz nur auf die formellen Aspekte ausgerichteten Prüfung bezüglich der Aufnahme einer Gesellschafterliste bei einem vollständigen Gesellschafterwechsel ist grundsätzlich an dem Erfordernis festzuhalten, dass der Unterzeichnende durch seine bestehende Eintragung im Register ausreichend als Geschäftsführer ausgewiesen ist.

BGH v. 8.3.2023 - 1 StR 188/22
Für die Abgrenzung von sog. scheinselbständigen Rechtsanwälten und freien Mitarbeitern einer Rechtsanwaltskanzlei ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung maßgebend; soweit die Kriterien der Weisungsgebundenheit und Eingliederung wegen der Eigenart der Anwaltstätigkeit im Einzelfall an Trennschärfe und Aussagekraft verlieren, ist vornehmlich auf das eigene Unternehmerrisiko und die Art der vereinbarten Vergütung abzustellen. Beitragszahlungen von Schwarzarbeitern und illegal Beschäftigten aufgrund einer mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung lassen nicht schon die Tatbestandsmäßigkeit des § 266a Abs. 1 und 2 StGB entfallen, sondern sind erst auf der Ebene der Strafzumessung zu berücksichtigen.

BGH v. 18.4.2023 - VI ZR 345/21
Zum Ausgleichsanspruch des Unfallgegners gegen den haltenden Nichteigentümer (Leasingnehmer) und den Fahrer nach Regulierung der Schadensersatzansprüche des Leasinggebers wegen der Verletzung seines Eigentums an dem Fahrzeug.

LG Hamburg v. 14.4.2023 - 326 O 123/20
Nach BGH-Rechtsprechung ist die Vereinbarung eines sog. qualifizierten Rangrücktritts in AGB gegenüber einem Verbraucher intransparent und deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn es darin heißt, dass eine Zahlung „unter dem Vorbehalt steht, dass ein Insolvenzeröffnungsgrund nicht entsteht“ bzw. dass Zahlungsansprüche ausgeschlossen sind, „solange und soweit sie einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin herbeiführen“. Die Grundsätze zum Verständlichkeits- und Transparenzgebot in AGB können auch im Verkehr zwischen Unternehmen gelten.

The Irish Data Protection Commission (“the DPC”) has announced the conclusion of its inquiry into Meta Platforms Ireland Limited (“Meta Ireland”), examining the basis upon which Meta Ireland transfers personal data from the EU/EEA to the US in connection with the delivery of its Facebook service. A fine of €1.2 billion is imposed on Meta Ireland as well as an order requiring Meta Ireland to suspend any future transfer of personal data to the US.

EuG v. 17.5.2023 - T-321/20
Das EuG hat die Klage des deutschen Stadtwerks enercity gegen die von der Kommission erteilte Genehmigung des Erwerbs von E.ON-Erzeugungsanlagen durch RWE als unzulässig abgewiesen. Das Gericht äußerte sich dabei zur bislang nicht entschiedenen Frage der Beweislast hinsichtlich des Versands eines Fragebogens durch die Kommission zur Durchführung einer Marktbefragung.

EuG v. 17.5.2023 - T-312/20
Das EuG hat die Klage der deutschen Stromerzeugerin EVH gegen die von der Kommission erteilte Genehmigung des Erwerbs von Vermögenswerten von E.ON durch RWE abgewiesen. Ein Tausch von Vermögenswerten zwischen unabhängigen Unternehmen stelle keinen „einzigen Zusammenschluss“ dar.

EuGH v. 17.5.2023 - C-97/22
Widerruft ein Verbraucher einen bereits erfüllten, außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag wegen Nichtaufklärung über das Widerrufsrecht, so ist er von jeder Zahlungspflicht befreit. Der Unternehmer muss somit die Kosten tragen, die ihm für die Erfüllung des Vertrags während der Widerrufsfrist entstanden sind.

BGH v. 9.2.2023 - I ZR 61/22
Den Schuldner einer einstweiligen (Beschluss-)Verfügung trifft gegenüber dem Gläubiger mit Ablauf der Wartefrist von im Regelfall zwei Wochen, die der Gläubiger vor der Versendung eines Abschlussschreibens einzuhalten hat, eine Aufklärungspflicht über den Entschluss zur Erhebung eines Widerspruchs gegen die einstweilige (Beschluss-)Verfügung. Wird der pflichtwidrig unterlassene Hinweis des Schuldners adäquat kausal für die Kosten eines - objektiv nicht mehr erforderlichen - Abschlussschreibens des Gläubigers, kann das einen Schadensersatzanspruch des Gläubigers nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB auslösen.

Aktuell in der ZIP
Die Einhaltung sozialer Mindeststandards wird zur zentralen Aufgabe einer durch ESG geprägten, wertorientierten Personalarbeit. So zitiert die Financial Times auf der Front-Page (!) am 18.1.2023 aus einem Interview mit dem MARS-CEO: „MARS staff won’t stay with us if we don’t care about ESG or purpose. (...) We don’t believe that purpose and profits are enemies. (...) quality companies are deeply invested in this and if I walk out and I take a 25 year old associate that has joined us from university they will want us to do this.“ Aber die Diskussion ist längst fortgeschritten. „From Minimum Wage to Living Wage“ ist nur ein Thema der wertorientierten Personalführung, und insgesamt geht es darum, entsprechend den einschlägigen Richtlinien der ILO und OECD ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das diskriminierungsfrei zu einem „Decent Living“ führt, also einer menschengerechten Arbeit in fairem Umfeld.

BVerwG v. 16.5.2023 - 3 CN 6.22
Die durch eine Ausnahme abgemilderte Schließung von Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs durch die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 30. Oktober 2020 hatte im Infektionsschutzgesetz eine verfassungsgemäße Grundlage und war verhältnismäßig. Die Schließung von Fitnessstudios ohne diese Ausnahme war jedoch unvereinbar mit dem Gleichheitssatz. Die Schließung von Gastronomiebetrieben und das Verbot von Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke waren nicht zu beanstanden.

BVerwG v. 16.5.2023 - 3 CN 5.22 u.a.
Die Schließung von Gastronomiebetrieben, die Ende Oktober 2020 zur Bekämpfung der "zweiten Welle" der Corona-Pandemie in einer saarländischen Rechtsverordnung angeordnet wurde, konnte auf die Generalklausel in § 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 32 Satz 1 IfSG gestützt werden.

BGH v. 16.5.2023 - VI ZR 116/22
Private Tagebuchaufzeichnungen, die von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt worden sind, stellen keine "amtlichen Dokumente" des Strafverfahrens im Sinne von § 353d Nr. 3 StGB dar. Der BGH hat das gegenüber einem Presseverlag ausgesprochene Verbot der wörtlichen Wiedergabe von Tagebuchauszügen aufgehoben.

Das Bundeskartellamt hat erste Prüfverfahren auf der Grundlage der Energiepreisbremsen-Gesetze eingeleitet. Die Verfahren betreffen Unternehmen, die für die Belieferung mit Gas Erstattungsanträge nach den Preisbremsen-Gesetzen gestellt haben.

OLG Frankfurt a.M. v. 26.4.2023 - 13 U 69/22
Erhöht die Einnahme eines verunreinigten Arzneimittels das Risiko, an Krebs zu erkranken, um 0,02 %, ist es nicht generell geeignet, psychische Belastungen in Form von Ängsten und Albträumen in der Weise zu verursachen, dass daraus ein Anspruch auf Schmerzensgeld entstehen würde.

OLG Köln v. 2.3.2023 - 18 U 188/21
Der Verbraucherbegriff ist eng auszulegen, so dass für die Frage, ob eine Person als Verbraucher gehandelt hat, maßgeblich die Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrags in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht ihre subjektive Stellung ist. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GRB kann im Fall der wirksamen Kündigung der Genussrechtsbeteiligung der Genussrechtsinhaber die Rückzahlung der Genussrechte zu 100 % des Nennbetrags abzüglich eines etwaigen Verlustanteils gem. § 5 GRB (Rückzahlungsbetrag) verlangen.

Die EU erschwert Kriminellen die Umgehung von Anti-Geldwäsche-Vorschriften mittels Kryptowährungen. Der Rat hat am 16.5.2023 aktualisierte Vorschriften über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers angenommen, indem der Anwendungsbereich dieser Vorschriften auf Kryptowertetransfers ausgeweitet wurde.

Die EU führt einen Rechtsrahmen für Kryptowerte, Emittenten von Kryptowerten und Anbieter von Krypto-Dienstleistungen ein. Der Rat hat am 16.5.2023 die  Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCA-Verordnung) angenommen und damit erstmals einen Rechtsrahmen auf EU-Ebene für diesen Sektor festgelegt.

EuGH v. 11.5.2023 - C-155/22
Ein Kraftverkehrsunternehmen kann sich seiner Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer nicht dadurch entledigen, dass es diese auf Dritte überträgt. Das Unionsrecht steht einer nationalen Regelung entgegen, die eine solche Übertragung der Verantwortlichkeit zulässt und dadurch die Infragestellung der Zuverlässigkeit des Unternehmens sowie die Verhängung von Sanktionen gegen das Unternehmen verhindert.

Vor allem bei großen Wirtschaftsstrafverfahren war es immer eine schwere Bürde, dass es praktisch kein Protokoll des Gangs der Hauptverhandlung gab, so dass die Strafverteidiger mühsam sich entsprechende Notizen machen mussten, um Zeugenvernehmungen, Einlassungen der Staatsanwaltschaft und – nicht zuletzt – auch die (vorläufigen) Bewertungen des Gerichts in Erinnerung zu behalten. Das will die Bundesregierung jetzt ändern. Am 10.5.2023 hat sie einen entsprechenden Gesetzesvorschlag auf den Weg gebracht. Denn anders als beim AG wird die Hauptverhandlung vor dem LG und dem OLG regelmäßig nicht festgehalten. Doch der Entwurf betont zu Recht: Strafgerichtliche Hauptverhandlungen dauern heute im Schnitt deutlich länger als in der Vergangenheit und auch sog. Umfangsverfahren am LG und OLG sind keine Seltenheit mehr. Daher ist das „Fehlen einer Inhaltsdokumentation“ ein erheblicher Mangel, zumal „die Erinnerung der Verfahrensbeteiligten an die Einzelheiten des Hauptverhandlungsgeschehens mit der Zeit naturgemäß zunehmend verblasst“ (RegE, S. 1). Hinzu kommt, dass das notwendige Mitschreiben eigener Notizen als eine notwendige Gedächtnisstütze die Verfahrensbeteiligten davon abhält, „sich vollumfänglich auf das Geschehen in der Hauptverhandlung zu konzentrieren“ (ebenda).

Diese Überschrift könnte fast ein wenig zynisch anmuten, doch sie ist das – rechtmäßige – Ergebnis der Entscheidung des EuGH, Urt. v. 11.5.2023 – verb. C-156/22 - 158/22 – TAP Portugal. Danach ist der überraschende Tod eines Co-Piloten kein Grund i.S.v. Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechte-VO), der die Luftfahrtlinie davon dispensieren könnte, eine Ausgleichszahlung für den Ausfall des gebuchten Flugs zu entrichten. Es ging um einen Flug von Stuttgart nach Lissabon; um 6.05 Uhr sollte der Flug planmäßig starten. Doch kurz nach vier Uhr fand man den Co-Piloten tot in seinem Hotelzimmer.

EuG v. 10.5.2023 - T-34/21 u.a.
Das EuG erklärt den Beschluss der Kommission für nichtig, mit dem die von Deutschland im Kontext der Covid-19-Pandemie geplante Rekapitalisierung der Lufthansa in Höhe von 6 Mrd. € genehmigt wurde. Der Kommission sind mehrere Fehler unterlaufen, und zwar insbesondere, indem sie erstens angenommen hat, die Lufthansa sei nicht in der Lage, sich in Höhe ihres gesamten Bedarfs Finanzmittel auf den Märkten zu beschaffen, zweitens keinen Mechanismus verlangt hat, mit dem ein Anreiz für die Lufthansa geschaffen wird, die Kapitalbeteiligung Deutschlands so bald wie möglich zurückzukaufen, drittens eine beträchtliche Marktmacht der Lufthansa an bestimmten Flughäfen verneint hat und viertens bestimmte Verpflichtungen akzeptiert hat, die nicht gewährleisten, dass ein wirksamer Wettbewerb gewahrt wird.

LG Düsseldorf v. 12.1.2023 - 14c O 95/22
Bei der Auslegung des § 27 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 2 TabakerzV kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass selbst solche Rechtsnormen, die zum Schutze der menschlichen Gesundheit strengste Anforderungen an den Gehalt und die Reinheit bestimmter Inhaltsstoffe stellen, gewisse Toleranzen zulassen. So sind im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren vom Hersteller angemessene Toleranzbereiche für den Wirkstoffgehalt der arzneilichen Wirkstoffe anzugeben und einzuhalten.

BGH v. 14.3.2023 - II ZR 152/21
Der BGH hat über die Auslegung einer Schlichtungsklausel einer Partnerschaftsgesellschaft von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern geurteilt. Dabei verwarf er die Entscheidungen der Vorinstanzen, die die Klage mangels Durchführung des Schlichtungsverfahrens für unzulässig gehalten hatten. Laut BGH war die Klausel jedoch anders zu interpretieren.

EuGH v. 11.5.2023 - C-156/22 u.a.
Die Annullierung eines Fluges wegen des unerwarteten Todes des Kopiloten befreit das Luftfahrtunternehmen nicht von seiner Ausgleichspflicht gegenüber den Fluggästen. Ein solcher Tod, so tragisch er auch ist, stellt keinen "außergewöhnlichen Umstand" dar, sondern ist - wie jede unerwartete Krankheit eines unverzichtbaren Besatzungsmitglieds - Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens.

OLG Brandenburg v. 21.3.2023 - 3 U 81/20
Dass es sich bei diesem Vertrag um einen Treuhandauftrag des Darlehensnehmers an den Treuhänder handelte, ergab sich schon daraus, dass dieser die Sicherheit, auf deren treuhänderische Verwaltung es zur Sicherheit des Treugebers ankam, zu leisten hatte und zudem die Vergütung des Treuhänders trug. § 43 a Abs. 4 BRAO setzt voraus, dass der Rechtsanwalt bei beiden Tätigkeiten im Kernbereich der rechtsbesorgenden anwaltlichen Tätigkeit handelt.

BGH v. 9.3.2023 - I ZR 167/21
Die gem. Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV) erforderliche Prüfung, ob Erscheinungsmerkmale ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses (hier: Tellerschleifgerät) bedingt sind, ist für jedes den Gesamteindruck prägende Merkmal gesondert anhand aller für den Einzelfall maßgeblichen objektiven Umstände vorzunehmen.

BGH v. 20.4.2023 - I ZR 108/22
Sind "ähnliche Hinweise" i.S.v. Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 nur solche in einer Werbung enthaltenen Hinweise, die genauso wie die in dieser Vorschrift ausdrücklich aufgezählten Begriffe die Eigenschaften des Biozids hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit in pauschaler Weise verharmlosen, oder fallen unter "ähnliche Hinweise" alle Begriffe, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit einen den konkret aufgezählten Begriffen vergleichbaren verharmlosenden, nicht aber zwingend auch einen generalisierenden Gehalt wie diese aufweisen?

Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV) durch den Ausschuss Handelsrecht unter Mitwirkung der Ausschüsse Steuerrecht (zu Art. 16) und Insolvenzrecht (zu Art. 19) zum Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG).

 


LG Düsseldorf v. 24.3.2023 - 38 O 92/22
Lenkt der Unternehmer in seiner kommerziellen Kommunikation die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf bestimmte, seiner Sphäre zuzuordnende Umstände, von denen der Verbraucher typischerweise keine (nähere) Kenntnis hat, ist von dem Unternehmer zu erwarten, den Verbraucher in die Lage zu versetzen, die Richtigkeit der Werbeaussage prüfen und ihre Bedeutung einschätzen zu können. Das gilt auch und gerade dann, wenn umweltbezogene Begriffe verwendet werden.

Der Vermittlungsausschuss hat sich am 9.5.2023 auf Änderungen beim Hinweisgeberschutzgesetz geeinigt. Der Kompromiss enthält insbesondere Änderungen zu den Meldewegen für anonyme Hinweise, zu Bußgeldern und zum Anwendungsbereich des Gesetzes.

Aktuell in der ZIP
Das Gesetzgebungsverfahren zur Schaffung eines deutschen Hinweisgeberschutzgesetzes darf ohne Übertreibung als „schwere Geburt“ bezeichnet werden. Und noch ist sie nicht überstanden. Der nachfolgende Beitrag zeigt auf, welche Entscheidungen betroffene Unternehmen mit Blick auf die Umsetzung des noch in 2023 zu erwartenden Gesetzes bereits jetzt treffen können oder vorbereiten sollten.

Zwei ehemalige Kassierer einer Bank müssen einen von ihnen über mehrere Jahre aus der Hauptkasse entnommenen Millionenbetrag zurückerstatten. Der Bank, die auf das „Vier-Augen-Prinzip“ zur Kontrolle und Überprüfung der Mitarbeiter gesetzt hatte, ist kein anspruchskürzendes Mitverschulden anzulasten. Das hat das OLG Zweibrücken, Urt. v. 25.1.2023 – 7 U 214/21, entschieden.

Das Unionsrecht schreibt nicht vor, dass bezahlter Jahresurlaub, der mit einer Quarantäne zusammenfällt, die von einer Behörde wegen des Kontakts des Arbeitnehmers mit einer mit dem Virus SARS-CoV‑2 infizierten Person angeordnet wurde, verschoben wird. Diese Ansicht hat der Generalanwalt Priit Pikamäe (EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts v. 4.5.2023 – C-206/22 – Sparkasse Südpfalz) vertreten.

BGH v. 9.5.2023 - XI ZR 544/21
Der u.a. für das Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH hat über die Pflicht zur Zahlung von "Negativzinsen" aus einem sog. Schuldscheindarlehen entschieden.

LG München I v. 24.4.2023 - 32 O 2905/22
Die 32. Zivilkammer des Landgerichts München I hat am 24.04.2023 einen Finanzdienstleister zur Zahlung von 3 Mio € Schadensersatz an eine Gemeinde in Baden-Württemberg wegen Pflichtverletzung wegen einer Auskunft verurteilt.

VerwG Berlin v. 27.4.2023 - VG 4 K 311/22
Ein Möbelvertrieb, der seine Produkte ausschließlich im Internet anbietet, darf Arbeitnehmer im Kundenservice in Deutschland an Sonn- und Feiertagen nicht beschäftigen.

OLG Brandenburg v. 18.4.2023 - 6 W 31/23
Die vorvertragliche Informationspflicht wird nicht bereits durch das Bestehen einer Garantie als solche ausgelöst, sondern nur dann, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse daran hat, Informationen über die Garantie zu erhalten, um sich zu entscheiden, ob er den Vertrag abschließt. Die bloße Erwähnung einer Garantiekarte in der Inhaltsangabe der abfotografierten Verpackung stellt kein Angebot auf Abschluss eines Garantievertrages dar.

EuGH, C-206/22: Schlussanträge des Generalanwalts vom 4.5.2023
Der Generalanwalt am EuGH ist der Ansicht, dass das Unionsrecht nicht vorschreibt, dass bezahlter Jahresurlaub, der mit einer Quarantäne zusammenfällt, die von einer Behörde wegen der Exposition eines Arbeitnehmers gegenüber dem Virus SARS-CoV‑2 angeordnet wird, verschoben wird.

EuGH, C-148/22: Schlussanträge des Generalanwalts vom 4.5.2023
Generalanwalt Collins: Eine öffentliche Einrichtung darf ihren Bediensteten unter bestimmten Voraussetzungen das Tragen jedes sichtbaren Zeichens politischer, religiöser oder weltanschaulicher Überzeugungen an ihrem Arbeitsplatz verbieten. Wird eine solche Regel allgemein und unterschiedslos angewandt, kann sie durch den Willen einer Gemeinde gerechtfertigt sein kann, ein vollständig neutrales Verwaltungsumfeld zu gestalten.

EuGH v. 4.5.2023 - C-487/21
Das Recht, eine „Kopie“ der personenbezogenen Daten zu erhalten, bedeutet, dass der betroffenen Person eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller dieser Daten ausgefolgt wird. Dieses Recht impliziert das Recht, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die diese Daten enthalten, zu erlangen, wenn dies unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch die DSGVO verliehenen Rechte zu ermöglichen.

OLG Frankfurt a.M. v. 19.4.2023 - 13 U 82/22
Wer das Geld eines Freundes mit dessen Zustimmung in verschiedene Krypto-Währungen investiert, haftet nicht für entgangenen Gewinn, wenn es bei Umwechslungen zwischen den Währungen (Ethereum/Bitcoin) zu Kursverlusten kommt.

EuGH v. 4.5.2023 - C-300/21
Der bloße Verstoß gegen die DSGVO begründet keinen Schadenersatzanspruch. Der Schadensersatzanspruch hängt jedoch nicht davon ab, dass der entstandene immaterielle Schaden eine gewisse Erheblichkeit erreicht.

EuGH v. 4.5.2023 - C-389/21 P
Der EuGH hat den Beschluss der EZB bestätigt, mit dem Crédit lyonnais verweigert wurde, 34 % seiner Risikopositionen gegenüber der Caisse des dépôts et consignations bei der Berechnung seiner Verschuldungsquote unberücksichtigt zu lassen. Der EuGH hob das Urteil des EuG auf, das dadurch die Grenzen seiner gerichtlichen Kontrolle überschritten hat, dass es seine eigene Beurteilung des Risikos von Notverkäufen, das für Crédit lyonnais bestand, an die Stelle der von der EZB getroffenen Beurteilung gesetzt hat.

BGH v. 4.5.2023 - III ZR 88/22
In einem Mobilfunkvertrag ist die Klausel in den AGB eines Telekommunikationsunternehmens unwirksam, mit der der Gebrauch des Internetzugangs auf Endgeräte beschränkt wird, die eine mobile Nutzung unabhängig von einem permanenten kabelgebundenen Stromanschluss ermöglichen.

BGH v. 30.3.2023 - IX ZR 121/22
Der aktienrechtliche Schutz des gutgläubigen Dividendenempfängers schließt eine Insolvenzanfechtung nicht aus. Eine Dividendenzahlung an den Aktionär ist nicht deshalb unentgeltlich, weil der zugrundeliegende Gewinnverwendungsbeschluss infolge der (späteren) Ersetzung des Jahresabschlusses seine Wirkung verliert.

OLG Zweibrücken v. 25.1.2023 - 7 U 214/21
Zwei ehemalige Kassierer einer Bank müssen einen von ihnen über mehrere Jahre aus der Hauptkasse entnommenen Millionenbetrag zurückerstatten. Der Bank, die das auf das "Vier-Augen-Prinzip" zur Kontrolle und Überprüfung der Mitarbeiter gesetzt hatte, ist kein anspruchskürzendes Mitverschulden anzulasten.

OLG Düsseldorf v. 2.5.2023 - V-6 Kart 1/20 (OWi)
Das OLG Düsseldorf hat im Kartellbußgeldverfahren gegen die Carlsberg Deutschland Holding GmbH eine Geldbuße i.H.v. 50 Mio. € verhängt. Das Verfahren gegen den früheren Geschäftsführer war zuvor eingestellt worden.

Erneut hat der EuGH, Urt. v .27.4.2023 – C-705/21 – AxFina Hungary, zu den vielfältigen Fragen Stellung bezogen, die sich aus der Anwendung von Art. 6 Abs. 1 der Klausel-RL 93/13/EWG (Unverbindlichkeit einer missbräuchlichen Klausel) und Art. 7 Abs. 1 (zwingende abschreckende Wirkung gegen den Verwender missbräuchlicher Klauseln) ergeben. Wieder ging es – dieses Mal in einem ungarischen Fall – um die Rechtsfolgen, die sich bei einem im Jahr 2008 aufgenommenen Fremdwährungsdarlehen über einen Betrag von ca. 7.000 € (Autokauf) ergaben. Bis zum August 2015 zahlte der Kläger die Raten.

In einer auch für BGHZ bestimmten Leitsatzentscheidung hat der BGH, Urt. v. 14.3.2023 – II ZR 162/21, folgende Leitsätze formuliert, die im Blick auf die Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 343 Abs. 2 GmbHG Neuland betreten:

Die Klägerin eines vor dem BFH, der den Umweg über den EuGH nahm, geführten Verfahrens war eine im Inland ansässige Wertpapierhandelsbank. Sie unterhielt in Großbritannien eine Zweigniederlassung. Doch auf der Insel wurden keine Gewinne, wohl aber deutliche Verluste erzielt. Daher entschloss sich der Vorstand der Muttergesellschaft sehr bald, die Tore der Zweigniederlassung zu schließen. Die Folge war, dass ein weiterer Verlustvortrag nicht mehr in Betracht kam; Abgaben von Steuererklärungen für die Betriebsstätten waren deshalb entbehrlich.

Aktuell in der ZIP
Über die Gewinnverwendung können sich Gesellschafter oftmals nicht einigen. Der Beitrag untersucht die Frage, welche Rechtsbehelfe den Gesellschaftern zur Verfügung stehen, wenn eine einverständliche Lösung nicht erreicht werden kann.

Ein Schiedsspruch ist grundsätzlich persönlich und eigenhändig von allen beteiligten Schiedsrichtern zu unterschreiben. Sofern ein Schiedsrichter nicht zur Unterschriftsleistung in der Lage ist, muss sich aus dem Verhinderungsvermerk sowohl die Tatsache der Verhinderung als auch deren Grund ergeben. Das hat das OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.4.2023 – 26 Sch14/22, entschieden.

Das OLG Frankfurt, Urt. v. 18.4.2023 – 2 U 43/22, hat sich mit zahlreich geltend gemachten Mietmängeln hinsichtlich einer in einem gemischt genutzten Haus liegenden Büroetage befasst. Es hat dabei u.a. festgestellt, dass durch den sich im Hof nackt sonnenden Vermieter die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nicht beeinträchtigt wird.

Der EuGH, Urt. v. 27.4.2023 – C-192/22 – Bayerische Motoren Werke, hat auf ein Vorabentscheidungsersuchen des BAG hin die Frage, ob Art. 7 der RL 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 EuGRC der Auslegung einer nationalen Regelung wie § 7 Abs. 3 BUrlG entgegenstehen, der zufolge der in der Arbeitsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erworbene, bisher nicht erfüllte Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub in der Freistellungsphase mit Ablauf des Urlaubsjahres oder zu einem späteren Zeitpunkt erlischt, bejaht.

Wird dem Schuldner rechtskräftig vorzeitige Restschuldbefreiung erteilt, steht das Vermögen, das der Schuldner nach Eintritt der tatbestandlichen Voraussetzungen für die vorzeitige Restschuldbefreiung erwirbt, ihm auch dann zu, wenn das Insolvenzverfahren vor Erteilung der Restschuldbefreiung aufgehoben worden ist; diesen Neuerwerb hat der Treuhänder bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag des Schuldners weiter einzuziehen, für die Masse zu sichern und nach rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung an den Schuldner herauszugeben. Das hat der BGH, Urt. v. 16.3.2023 – IX ZR 150/22, entschieden.

OLG Karlsruhe v. 20.4.2023 - 12 U 335/21
Wird in einer Widerspruchsbelehrung zwar zutreffend auf die von Gesetzes wegen erforderliche Textform für den Widerspruch hingewiesen, an anderer Stelle des Versicherungsscheins aber für Willenserklärungen an die Konsortialführerin die Schriftform verlangt, fehlt es der Widerspruchsbelehrung an der gebotenen Klarheit. Die spätere Ausübung des Widerspruchsrechts verstößt jedoch gegen Treu und Glauben, da lediglich ein geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt.

EuGH, C-340/21: Schlussanträge des Generalanwalts vom 27.4.2023
Bei einem unbefugten Zugang zu personenbezogenen Daten durch Dritte haftet der Verantwortliche für mutmaßliches Verschulden und es kommt eventuell ein Ersatz des immateriellen Schadens in Betracht. Für eine Haftungsbefreiung muss der Verantwortliche nachweisen, dass er für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, in keinerlei Hinsicht verantwortlich ist. Die Befürchtung eines künftigen Missbrauchs personenbezogener Daten kann jedoch nur dann einen immateriellen Schaden darstellen, wenn es sich um einen realen und sicheren emotionalen Schaden und nicht nur um ein Ärgernis oder eine Unannehmlichkeit handelt.

EuGH, C 807/21: Schlussanträge des Generalanwalts vom 27.4.2023
Im Verfahren um ein Bußgeld nach der DSGVO gegen die Deutsche Wohnen SE iHv. 14,5 Mio € hat der EuGH-Generalanwalt seine Schlussan­träge gestellt. Danach ist die Verhängung einer Geldbuße gegen eine juristische Person, die für die Verarbeitung personenbezogener Daten verantwortlich ist, nicht von der vorherigen Feststellung eines Verstoßes durch eine oder mehrere individualisierte natürliche Person(en), die im Dienst dieser juristischen Person stehen, abhängig. Die Verwaltungsgeldbußen setzen jedoch voraus, dass festgestellt wird, dass das den geahndeten Verstoß begründende Verhalten vorsätzlich oder fahrlässig war.

BGH v. 14.3.2023 - II ZR 162/21
Der Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses erstreckt sich im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft. Die Haftung des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH einer GmbH & Co. KG erstreckt sich auch dann auf die Kommanditgesellschaft, wenn die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist.

ArbG Berlin v. 28.4.2023 - 21 Ca 10927/22
Das ArbG Berlin hat die Kündigungsschutzklage der Leiterin der Hauptabteilung Intendanz beim RBB abgewiesen.

LAG Berlin-Brandenburg v. 25.4.2023 - 16 Sa 868/22 u.a.
Das LAG Berlin-Brandenburg hat in zwei Verfahren entschieden, dass die durch den Lieferdienst Gorillas erklärten fristlosen Kündigungen gegenüber als Fahrradkurieren (sog. Rider) beschäftigten Arbeitnehmern wirksam waren. Beide Rider hatten sich im Oktober 2021 an einem „wilden“ Streik beteiligt und in diesem Zusammenhang fristlose Kündigungen erhalten.

BGH v. 12.1.2023 - I ZR 86/22
Angesichts der jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreuer Nachbildungen im Modellspielzeugbau und der Erwartung, die der Verkehr hieran stellt, besteht ein berechtigtes Interesse, ein in der Realität vorkommendes Fahrzeug nachzubauen und darauf nicht nur - wie in der Wirklichkeit - das Kennzeichen des Herstellers des jeweiligen Fahrzeugs, sondern auch Kennzeichen anzubringen, die Unternehmen auf solchen Fahrzeugen zum Zwecke der Werbung für ihre Dienstleistungen (hier:“ DACHSER“) verwenden.

OLG Düsseldorf v. 27.4.2023 - I-20 U 41/22
Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen den angegriffenen Text „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“ in Bezug auf die Warenklasse „Spirituosen“ lediglich als glatt beschreibenden Sachhinweis auf die Beschaffenheit des beworbenen Produkts - nämlich das „Ei“ als Kernzutat von Eierlikör – und nicht als einen Hinweis auf die Herkunft der Ware aus dem Unternehmen, das sich im Jahr 1979 die deutsche Wortmarke „Eieiei“ hat sichern lassen. Die fünffache Wiederholung des Wortes „Ei“ führte nicht zu einer entscheidenden Änderung dieses Verkehrsverständnisses.

BGH v. 16.3.2023 - IX ZR 150/22
Wird dem Schuldner rechtskräftig vorzeitige Restschuldbefreiung erteilt, steht das Vermögen, das der Schuldner nach Eintritt der tatbestandlichen Voraussetzungen für die vorzeitige Restschuldbefreiung erwirbt, ihm auch dann zu, wenn das Insolvenzverfahren vor Erteilung der Restschuldbefreiung aufgehoben worden ist; diesen Neuerwerb hat der Treuhänder bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag des Schuldners weiter einzuziehen, für die Masse zu sichern und nach rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung an den Schuldner herauszugeben. Kehrt der Treuhänder den von ihm nach Eintritt der tatbestandlichen Voraussetzungen für die vorzeitige Restschuldbefreiung eingezogenen Neuerwerb an die Gläubiger aus statt ihn nach rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung an den Schuldner herauszugeben, so hat er insoweit persönlich dem Schuldner Schadensersatz zu leisten.

Am 24.4.2023 hat das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt, Urt. v. 24.4.2023 – 16 U 10/22) Google als Betreiber einer Suchmaschine Recht gegeben und die Unterlassungsklage eines Unternehmers abgewiesen. Dieser hatte sich dagegen gewehrt, dass Google bei Eingabe des Vor- und Nachnamens des betreffenden Unternehmers – er ist immerhin Inhaber einer Unternehmensgruppe – über die Autocomplete-Funktion der Suchmaschine das Wort „bankrott“ erscheint. In der Tat hatten zwei zur Gruppe gehörende Unternehmen vor rund zehn Jahren im Zusammenhang mit der Ermittlung deutscher Steuerbehörden Insolvenz angemeldet. Sie waren danach im Handelsregister gelöscht worden. Der auf den Kläger Bezug nehmende Webseiteneintrag stammte von einem Inkassounternehmen, welches von einem Geschäftspartner des Unternehmers mit dem Einzug von Forderungen beauftragt worden war.

Der BGH, Urt. v. 24.4.2023 – VIa ZR 1517/22, hat entschieden: Eine von einer Finanzierungsbank verwendete Klausel in einer Sicherungsabtretung von Ansprüchen des Darlehensnehmers gegenüber dem Verkäufer und Hersteller eines „Dieselfahrzeugs“ erfasst auch deliktische Ansprüche auf Schadensersatz und ist unwirksam.

Aktuell in der ZIP
In jüngerer Zeit kam es häufig zu Auseinandersetzungen im Hinblick auf die Formulierung der nach § 492 Abs. 2 i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB geforderten Darstellung zur Art der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 BGB. Der BGH hält es für ausreichend, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt (BGH v. 5.11.2019 – XI ZR 650/18, ECLI:DE:BGH:2019:051119UXIZR650.18.0, ZIP 2019, 2396 = EWiR 2020, 35 (Berger/Nettekoven)). Demgegenüber fordert der EuGH, dass im Kreditvertrag die Methode für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens fälligen Entschädigung in einer konkreten und für einen Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbaren Weise anzugeben ist, so dass dieser die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der in diesem Vertrag erteilten Informationen bestimmen kann (EuGH v. 9.9.2021 – C-33/20, C-155/20, C-187/20, ECLI:EU:C:2021:736, ZIP 2021, 1957 = EWiR 2022, 1 (Omlor/Heine)). Die deutsche Instanzenrechtsprechung kam hier – auch bei identischen Klauseln in den Verträgen – zu vollkommen unterschiedlichen Ergebnissen. Für den Fall der Nichtabnahmeentschädigung existiert keine gesetzliche Vorgabe. Hier wird darüber diskutiert, ob § 502 BGB analoge Anwendung findet. Der Beitrag stellt die wesentlichen Argumfente dar und zeigt praktische Lösungsmöglichkeiten auf.

Der bloße Erwerb von Anteilen an einem Unternehmen und die Ausübung von Herrschaftsmacht über dieses Unternehmen durch ein anderes Unternehmen genügen nicht für die Annahme eines Übergangs von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen i.S.d. RL 2001/23/EG. Eine bloße Umfirmierung erfüllt die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs i.S.d. § 613a BGB mangels Wechsels des Betriebsinhabers nicht. Das hat das LAG Mainz, Urt. v. 22.2.2023 – 6 Sa 131/22, entschieden.

Maßgeblich für einen Betriebsübergang sei stets der Wechsel der Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers. Bleibt das Rechtssubjekt des Betriebsinhabers identisch, fehle es an einem Betriebsübergang. Damit berühre auch ein Wechsel der Gesellschafter die Identität der Gesellschaft als Rechtssubjekt nicht. Ein „Übergang“ i.S.d. RL 2001/23/EG erfordere eine Übernahme durch einen „neuen“ Arbeitgeber. Dies gelte auch für das Verständnis der Bestimmungen des nationalen Rechts, d.h. für § 613a BGB.


Das LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.2.2023 – 4 TaBVGa 1301/22, hat in einem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz den Antrag auf vorläufige Untersagung wahlvorbereitender Maßnahmen für eine geplante Betriebsratswahl zurückgewiesen.

Fluggäste, die über eine bestätigte Buchung verfügen, denen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fluggesellschaft aber kein durchsetzbarer Beförderungsanspruch mehr zusteht, reisen nicht kostenlos. Das hat der BGH, Urt. v. 9.3.2023 – IX ZR 91/22, entschieden.

Die in AGB vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr ist unwirksam. Das hat der BGH, Urt. v. 20.4.2023 – I ZR 113/22, entschieden.

BGH v. 9.3.2023 - IX ZR 150/21
Die allein auf die teilweise Erfüllung gestützte Erwartung, der Insolvenzverwalter werde auch die restliche Insolvenzforderung vollständig befriedigen, genügt nicht, um den das Insolvenzrecht beherrschenden Gleichbehandlungsgrundsatz hinter die Individualinteressen einzelner Gläubiger zurücktreten zu lassen.

OLG Celle v. 20.3.2023 - 9 W 24/23
Die nach § 8 Abs. 3, § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GmbHG abzugebende Versicherung eines Geschäftsführers, keinem Berufs- oder Gewerbeverbot zu unterliegen, darf sich nicht auf eine für das Registergericht nicht überprüfbare eigene rechtliche Bewertung unter Wiedergabe des Gesetzestextes beschränken, sondern muss eine konkrete subsumierbare Tatsachendarstellung enthalten. Die Versicherung kann bspw. mit Hilfe einer umfassenden, jegliche Art von gerichtlicher oder behördlicher Berufs- und Gewerbeuntersagung betreffenden Formulierung erfolgen.

LG Magdeburg v. 21.3.2023 - 2 O 1179/21
Da die Parteien Individualabreden zur variablen Verzinsung im konkreten Fall nicht behauptet haben, ist für die ergänzende Vertragsauslegung ebenso wie für die Auslegung und Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die typischen Vorstellungen der an Geschäften gleicher Art beteiligten Verkehrskreise abzustellen.

BGH v. 9.3.2023 - IX ZR 90/22
Eine Vereinbarung zwischen Gläubiger und Insolvenzverwalter über eine Insolvenzforderung kann nur dann eine Masseverbindlichkeit begründen, wenn es sich um eine schuldumschaffende Vereinbarung handelt oder die Vereinbarung zweifelsfrei einen Anspruch auf eine Vorwegbefriedigung aus der Insolvenzmasse begründet.

OLG Köln v. 23.12.2022 - 6 U 83/22
Die Bewertung eines Mitbewerbers durch Vergabe eines von möglichen fünf Sternen in einem Internetdienst ist auch dann ein pauschal herabsetzendes Werturteil im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG, wenn zwar ein beruflicher Kontakt bestand, dieser Kontakt aber gerade keine erkennbare Grundlage für die Bewertung war.

Das Bundeskartellamt hat entschieden, dass die Apple Inc., Cupertino, USA, ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb ist. Damit unterliegt Apple gemeinsam mit seinen Tochterunternehmen der erweiterten Missbrauchsaufsicht des § 19a GWB.

VG Hannover v. 20.2.2023 - 10 A 1101/22
Die Klage der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover gegen eine datenschutzrechtliche Verwarnung hatte Erfolg: Die Universität durfte im Rahmen eines Konkurrentenstreitverfahrens alle das Auswahlverfahren betreffenden Unterlagen ungeschwärzt an das zuständige Gericht übersenden.

BGH v. 24.4.2023 - VIa ZR 1517/22
Die in den AGB einer Finanzierungsbank enthaltene Klausel über die Sicherungsabtretung von Ansprüchen des Käufers und Darlehensnehmers gegen den Verkäufer und Hersteller eines Dieselfahrzeugs erfasst Ansprüche auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung und ist unwirksam.

LG Berlin v. 23.3.2023 - 67 S 9/23
Schließt der Unternehmer auf elektronischem Wege gleichzeitig mehrere Verträge mit dem Verbraucher ab, kommen die Verträge gemäß § 312j Abs. 4 BGB jeweils nur zu Stande, wenn der Unternehmer seinen Hinweispflichten nach § 312j Abs. 3 BGB für jedes Vertragsverhältnis gesondert gerecht geworden ist. Das erfordert gemäß § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB die Einrichtung mehrerer Schaltflächen, sofern der gesamte Bestellvorgang über eine Schaltfläche erfolgt (hier: Fehlender Vertragsschluss zwischen dem Betreiber eines Flugreise-Portals und einem Verbraucher über eine neben der Flugbuchung eingegangene „Prime- Mitgliedschaft“).

BGH v. 16.3.2023 - III ZR 104/21
Gem. § 432 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 474 Abs. 1, § 479 Abs. 4 Sätze 2 und 3 StPO steht einer Partei grundsätzlich die Möglichkeit zur Verfügung, in einem anhängigen Zivilprozess (Teile von) Ermittlungs- bzw. Strafakten beiziehen zu lassen. Nach § 474 Abs. 1 StPO ist den Gerichten grundsätzlich Akteneinsicht zu gewähren. Maßgeblich für die Vorlagepflicht Dritter gem. § 429 Satz 1 HS. 1, § 432 Abs. 3 ZPO ist, ob die beweisführungsbelastete Partei im Verhältnis zu ihnen einen Vorlegungsanspruch hat.

Das EU-Parlament hat am 20.4.2023 die ersten EU-Vorschriften zur Rückverfolgung von Kryptowertetransfers, zur Verhinderung von Geldwäsche sowie gemeinsame Regeln für Aufsicht und Kundenschutz gebilligt.

LSG Baden-Württemberg v. 20.3.2023 - L 4 BA 2739/20
Die Tätigkeit einer Koordinatorin eines Jazzclubs, die in die Organisation und den Betrieb des Clubs eingegliedert ist und kein wesentliches eigenes Unternehmerrisiko trägt, ist eine abhängige und damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, auch wenn vertraglich eine freie Mitarbeit vereinbart ist.

EuGH, C 307/22: Schlussanträge des Generalanwalts vom 20.4.2023
Können betroffene Personen aufgrund der DSGVO Auskunft über ihre personenbezogenen Daten auch für datenschutzfremde Zwecke beantragen? Können die Mitgliedstaaten das Recht auf Erhalt einer Kopie der Daten beschränken, indem sie den betroffenen Personen in bestimmten Fällen die Kosten auferlegen, die dem Verantwortlichen für die Erstellung der Kopien entstehen? Müssen die Verantwortlichen Kopien aller Dokumente, die personenbezogene Daten enthalten, zur Verfügung stellen oder können sie die von den betroffenen Personen angeforderten Daten zusammenstellen? Zu diesen Fragen, die der BGH in einem Vorabentscheidungsersuchen aufgeworfen hat, bei dem es um die Möglichkeit für einen Patienten geht, unentgeltlich Kopien der in seiner Patientenakte enthaltenen Dokumente zu erhalten, hat der Generalanwalt am EuGH seine Schlussanträge gestellt.  

OLG Frankfurt a.M. v. 20.4.2023 - 16 U 10/22
Die Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Begriff „bankrott“ über die Autocomplete-Funktion im Rahmen der Google-Suche kann nach den Einzelfallumständen zulässig sein. Das Ergebnis der Autocomplete-Funktion ist erkennbar unbestimmt und enthält keine eigenständige Behauptung. Konkrete Bedeutung erlangt die Kombination erst nach weiteren Recherchen.

BGH v. 9.3.2023 - IX ZR 91/22
Fluggäste, die über eine bestätigte Buchung verfügen, denen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fluggesellschaft aber kein durchsetzbarer Beförderungsanspruch mehr zusteht, reisen nicht kostenlos. Werden im Zuge der vom Insolvenzverwalter vorgenommenen Erfüllung einer Insolvenzforderung andere Rechte oder Rechtsgüter des Insolvenzgläubigers verletzt oder geschädigt, sind die hieraus folgenden Ansprüche Masseverbindlichkeiten.

BGH v. 20.4.2023 - I ZR 113/22
Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr ist unwirksam. Dass der Reservierungsvertrag in Form eines gesonderten Vertragsdokuments geschlossen wird und später als der Maklervertrag zustande kommt, steht dem nicht entgegen.

BGH v. 22.3.2023 - IV ZR 95/22
Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages durch den Versicherungsnehmer stets zugleich den Widerruf der Bezugsberechtigung auf den Todesfall enthält, sondern diese Frage ist durch Auslegung der Erklärung im Einzelfall zu entscheiden.