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EuGH: Beurteilung der Verbrauchereigenschaft im Sinne der Brüssel Ia-VO

Die Beurteilung der Eigenschaft als Verbraucher im Sinne der VO (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel Ia-VO) erfolgt nach dem Zweck des Vertragsschlusses und unabhängig davon, ob eine Person selbstständig oder in einem Arbeitsverhältnis tätig ist. Bei Zweifeln bzgl. der Begleitumstände kann die Gesamtwürdigung zugunsten der Person, die sich auf die Eigenschaft beruft, ausfallen. Das hat der EuGH, Urt. v. 9.3.2023 – C-177/22 – Wurth Automotive, entschieden. Die Urteilsaussprüche lauten:

„1. Art. 17 Abs. 1 der VO (EU) Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass für die Feststellung, ob eine Person, die einen unter lit. c dieser Bestimmung fallenden Vertrag geschlossen hat, als ‚Verbraucher‘ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, die mit dem Abschluss dieses Vertrags verfolgten gegenwärtigen oder zukünftigen Ziele zu berücksichtigen sind, und zwar unabhängig von der Frage, ob diese Person ihre Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis oder selbstständig ausübt.

2. Art. 17 Abs. 1 der VO Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass für die Feststellung, ob eine Person, die einen unter lit. c dieser Bestimmung fallenden Vertrag geschlossen hat, als ‚Verbraucher‘ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, der Eindruck berücksichtigt werden kann, den diese, sich auf die Verbrauchereigenschaft berufende Person durch ihr Verhalten bei ihrem Vertragspartner erweckt hat, das insbesondere darin bestand, dass sie auf die Vertragsbestimmungen, in denen sie als Unternehmerin bezeichnet wird, nicht reagiert hat, darin, dass sie den Vertrag über einen Vermittler abgeschlossen hat, der in dem Bereich, in den der Vertrag fällt, beruflich oder gewerblich tätig ist und der nach der Unterzeichnung des Vertrags die andere Partei gefragt hat, ob es möglich sei, auf der entsprechenden Rechnung die Mehrwertsteuer auszuweisen, und darin, dass sie den Gegenstand, auf den sich der Vertrag bezieht, kurz nach dessen Abschluss und eventuell mit Gewinn verkauft hat.

3. Art. 17 Abs. 1 der VO Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass das nationale Gericht, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen der Gesamtwürdigung der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bestimmte den Abschluss eines Vertrags begleitende Umstände, bei denen es sich insbesondere um Angaben in diesem Vertrag oder um die Einschaltung eines Vermittlers im Zuge des Vertragsabschlusses handelt, rechtlich hinreichend festzustellen, den Beweiswert dieser Informationen nach den nationalen Rechtsvorschriften zu beurteilen hat, und zwar auch im Hinblick auf die Frage, ob Zweifel der Person zugutekommen müssen, die sich auf die Verbrauchereigenschaft im Sinne dieser Bestimmung beruft.“



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.03.2023 15:21
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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