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BGH: Befangenheit wegen Ehe

Mitunter, keineswegs allerdings sehr oft, sind auch die vom BGH entschiedenen Fälle so richtig aus dem Leben genommen – eingängig für jedermann, nachvollziehbar, geeignet für ein feinsinniges Schmunzeln. Zu dieser Kategorie lässt sich auch der Beschluss des BGH vom 9.2.2023 fassen (BGH, Beschl. v. 9.2.2023 – I ZR 142/22). Zugrunde lag eines von den nicht so recht beeinflussbaren „Missgeschicken“: Es ging um eine Klage auf Zahlung von Provision, die in der ersten Instanz Erfolg hatte. Die Beklagte ging jedoch in Berufung und erntete dort einen jener nicht gern gesehenen Beschlüsse nach § 522 Abs. 2 ZPO: Einstimmig erklärte der Senat, die Berufung habe „offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg“. An diesem Beschluss war auch eine Richterin beteiligt, deren Mann, Richter am BGH, nunmehr mit seinem Senat über eine Nichtzulassungsbeschwerde zu befinden hatte.

Prompt lehnte er sich selbst wegen Besorgnis der Befangenheit ab – und harrte dann der in Aussicht gestellten Entscheidung seines Senats. Dieser kam zu dem Ergebnis: „Die Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn der abgelehnte Richter als Mitglied des Revisionsgerichts im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Beschluss zu entscheiden hat, mit dem das Berufungsgericht die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen hat, und an diesem Beschluss die Ehefrau des abgelehnten Richters als Berufungsrichterin mitgewirkt hat.“

Für eine begründete Befangenheit eines Richters reicht schon der „böse Schein“ nach § 42 Abs. 2 ZPO aus, also „der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität“. Doch nach diesem Grundsatz folgt sofort die von der Rechtsprechung vorgenommene Einschränkung: „Allerdings stellt … die Mitwirkung des Ehegatten eines Rechtsmittelrichters an der angefochtenen Entscheidung keinen generellen Ablehnungsgrund gem. § 42 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar“ (Rz. 7). Wäre, so sinniert der BGH, die Ehefrau als Einzelrichterin in der Rechtsmittelinstanz tätig gewesen, dann wäre die Sache klar: Ihr Ehemann im zur Entscheidung berufenen Senat des BGH wäre als befangen anzusehen. Nicht aber dann, wenn die Ehefrau nur als Mitglied eines Kollegialgerichts entschieden hätte. Doch in der weiteren Argumentation erweist sich der Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO als nicht übersteigbares Hindernis; es ist ja danach „Einstimmigkeit“ aller Mitglieder des OLG-Senats erforderlich (Rz. 10).

Damit sind die Würfel für die erfolgreiche und notwendige Selbstablehnung des BGH-Richters gefallen, auch zugunsten der Klägerin, die ja obsiegt hatte. Denn die Richterin „hat damit nicht allein als – möglicherweise überstimmtes – Mitglied eines Kollegiums, sondern infolge der Einstimmigkeit des gefassten Beschlusses in nach außen erkennbarer Weise die Verantwortung für die angefochtene Entscheidung mit übernommen“ (Rz. 10).



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.03.2023 06:43
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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