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OLG Köln v. 16.3.2023 - 15 U 120/22 u.a.

Presseberichterstattung in Bezug auf Kardinal Woelki

Den Betreibern eines Online-Portals sowie dessen Chefreporter ist Verbreiten bzw. Verbreiten lassen einzelner Äußerungen in Bezug auf den Kölner Kardinal Woelki untersagt. Hinsichtlich einiger der vom Kardinal angegriffenen Äußerungen besteht indes kein Unterlassungsanspruch.

Der Sachverhalt:

+++ 15 U 120/22 +++

In diesem Verfahren verlangt der Kläger, Kardinal der römisch-katholischen Kirche und Erzbischof von Köln, von der Beklagten zu 1) als Betreiberin eines Online-Portals und dem Beklagten zu 2), dem Chefreporter des Portals, die Unterlassung von fünf Äußerungen aus einem Artikel sowie der Äußerung aus einem Kommentar, die sich mit der vom Kläger ausgesprochenen Beförderung eines Priesters befassen.

Das LG gab der Klage antragsgemäß statt (28 O 276/21) Auf die Berufung der Beklagten ändert das OLG die Entscheidung des LG dahingehend ab, dass es die Beklagten in Bezug auf vier von sechs angegriffenen Äußerungen zu unterlassen haben, diese zu verbreiten oder verbreiten zu lassen; im Übrigen wies das OLG die Klage ab.

+++ 15 U 131/22 +++
Auch in diesem Verfahren streiten die Parteien um die Zulässigkeit verschiedener Äußerungen. Das LG gab der Klage antragsgemäß statt (28 O 295/21). Auf die Berufung der Beklagten änderte das OLG das Urteil ab und wies die Klage teilweise ab.


In beiden Verfahren wurde die Revision zum BGH nicht zugelassen.

Die Gründe:

+++ 15 U 120/22 +++

Die sechs angegriffenen Äußerungen berühren den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. In Bezug auf vier der sechs Äußerungen liegt auch ein rechtswidriger Eingriff vor; im Rahmen der gebotenen Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers mit dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegt das Schutzinteresse des Klägers die schutzwürdigen Belange der anderen Seite. Dies ist hinsichtlich der zwei weiteren Äußerungen nicht der Fall.

Als unwahre Tatsachenbehauptungen unzulässig sind die Äußerungen, der Priester habe "der Polizei 2001 sexuelle Handlungen mit einem Minderjährigen gestanden" bzw. er habe "bei polizeilicher Vernehmung […] Sex mit dem obdachlosen und minderjährigen Prostituierten gestanden". Sie sind deshalb unwahr, weil ein unbefangener und verständiger Leser sie nur so verstehen kann, dass der Priester gegenüber der Polizei Angaben zur Minderjährigkeit seines Sexualpartners gemacht habe, was tatsächlich im Rahmen seiner (alleinigen) Vernehmung als Zeuge - nicht als Beschuldigter - nicht der Fall war. Die Beklagte musste zudem die Leser zur Vermeidung einer fehlerhaften Vorstellung darüber aufklären, dass das von dem Priester gegenüber der Polizei eingeräumte - zum damaligen Zeitpunkt nach staatlichem Recht unzweifelhaft nicht strafbare - Verhalten nicht Gegenstand eines staatlichen Ermittlungsverfahrens war.

Unzulässig ist auch die Äußerung "obwohl dieser zuvor Kindesmissbrauch gestanden hat". Es handelt sich um eine irreführende Meinungsäußerung mit einem unwahren Tatsachenkern. Namentlich ist im Rahmen der Zeugenvernehmung des Priesters, wie ausgeführt, die Minderjährigkeit von dessen Sexualpartner überhaupt nicht zur Sprache gekommen.

Auch die Äußerung "Ungeachtet dessen befördert […] diesen Sexualstraftäter nur zwei Jahre später […]." enthält mit der Bezeichnung des Priesters als "Sexualstraftäter" im Zusammenhang mit dessen im Artikel angegebenen angeblichen Äußerungen bei der Polizei, er habe Sex bzw. sexuelle Handlungen mit einem Minderjährigen bzw. Kindesmissbrauch gestanden, eine weitere irreführende und in Ermangelung einer Erläuterung ebenfalls unzulässige Meinungsäußerung. Sie verstärkt die Gefahr eines fehlerhaften Verständnisses dahingehend, dass die staatlichen Ermittlungsbehörden gegen diesen ermittelt hätten.

Um zulässige Meinungsäußerungen handelt es sich dagegen bei der von dem Kläger angegriffenen Artikelüberschrift "Obwohl er von den Vorwürfen wusste - Kardinal Woelki beförderte Missbrauchs-Priester" und bei der angegriffenen Äußerung aus dem Kommentar "Kardinal Woelki, der Erzbischof von Köln, hat einen Missbrauchspriester befördert". Zwar enthalten diese eine scharfe und zugespitzte Kritik an der Amtsführung des Kardinals. Diese Kritik muss sich der Kläger als Träger eines hohen kirchlichen Amtes aber u.a. im Lichte der breiten öffentlichen Diskussion um sein Verhalten im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche gefallen lassen.

Die Bezeichnung des Priesters als "Missbrauchs-Priester" ist - jedenfalls im Verhältnis der Beklagten zum Kläger - rechtmäßig. Die Frage, ob ein Verhalten als Missbrauch anzusehen ist, unterliegt der rechtlichen oder moralischen Bewertung. Mangels Vorliegens eines unwahren tatsächlichen Bestandteils steht den Beklagten die Bewertung als Missbrauch frei mit der Konsequenz, dass sie den Priester dementsprechend in einer zugespitzten Wertung als "Missbrauchs-Priester" bezeichnen kann. Bei der Äußerung, der Kläger habe "von den Vorwürfen" gewusst, handelt es sich auf der Grundlage des diesbezüglichen Parteivortrags ebenfalls um eine auf Tatsachen fußende Schlussfolgerung auf das Vorliegen einer inneren Tatsache.

+++ 15 U 131/22 +++
Ein Unterlassungsanspruch besteht hinsichtlich einzelner der vom Kläger angegriffenen Äußerungen.

Abgesehen von einem Äußerungsteil, der von dem titulierten Verbot auszunehmen ist, hat das LG zu Recht angenommen, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch zusteht bzgl. der - in Artikeln mit der Überschrift "Die Vertuschungs-Mafia‘ im Erzbistum Köln" und "VERTUSCHUNGS-MAFIA‘ im Erzbistum Köln" veröffentlichten - Äußerungen "DIESER bislang geheim gehaltene Bericht aus dem Giftschrank des Erzbistums Köln" und "wo er bis heute liegt".

Diese Äußerungen betreffen den Kläger; aus den Überschriften und dem weiteren Text der beiden Artikel ergibt sich, dass das fragliche Dokument - der in dem Artikel genannte Bericht eines anonymen Insiders - dem Kläger seit dem Jahr 2015 bekannt war. Die angegriffenen Äußerungen sind auch geeignet, sich abträglich auf das Ansehen des Klägers als Träger eines hohen kirchlichen Amtes auszuwirken. Denn dem Leser wird die Schlussfolgerung nahegelegt, er habe die Aufklärung der Vorwürfe, die in dem angeblich geheim gehaltenen Dokument erhoben bzw. wiedergegeben werden, nicht bzw. nicht ernsthaft betrieben. Die Äußerungen sind als unzulässige Meinungsäußerungen mit einem unwahren, jedenfalls aber nicht erweislich wahren Tatsachenkern einzuordnen.

In den Äußerungen vermengen sich tatsächliche und wertende Elemente in der Weise, dass die Äußerungen insgesamt noch als Werturteil anzusehen sind. Bei derartigen Äußerungen fällt bei der Abwägung der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht; ausgehend davon tritt hier das Grundrecht der Meinungsfreiheit hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn nach dem bewiesenen Vortrag des Klägers ist davon auszugehen, dass das von den Beklagten in Bezug genommene Dokument, nachdem es zuvor auch anderen Anwälten zur Kenntnis gebracht worden sein soll, im Jahr 2020 an die mit der Erstellung eines Missbrauchsgutachtens beauftragte Kanzlei übergeben worden ist. Eine andere Beurteilung ergibt sich aber auch dann nicht, wenn man von einem Tatsachenkern mit ungeklärtem Wahrheitsgehalt ausgehen will. Nach den im Verfahren maßgeblichen Tatsachenfeststellungen im landgerichtlichen Urteil ist im Übrigen davon auszugehen, dass die Kanzlei den Auftrag hatte, die gesichteten Dokumente, sofern zur Verfolgung konkreter Strafverdachtsmomente als notwendig erachtet, an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Der mit der Weitergabe der Informationen an eine solche Stelle verbundene Kontrollverlust ist mit der Annahme, die Informationen seien weiterhin geheim gehalten worden, auch unter Berücksichtigung erheblicher Wertungsspielräume nicht mehr vereinbar. Soweit das LG in diesem Zusammenhang einen weiteren, den damaligen Generalvikar betreffenden Äußerungsteil untersagt hat, ist dieser dagegen auszunehmen. Dieser ist äußerungsrechtlich in Bezug auf den Kläger nicht zu beanstanden.

Hinsichtlich weiterer verfahrensgegenständlicher Äußerungen ist bereits der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts des Klägers nicht berührt, da diese ihn entgegen der Auffassung des LG nicht betreffen. Dies gilt u.a. für die Überschrift "Die Vertuschungs-Mafia im Erzbistum Köln". Die Überschrift darf nicht isoliert von dem dazugehörigen Zeitungsbericht betrachtet werden. Der im Übrigen angegriffene Äußerungsteil "bringt Kardinal Woelki (64) in Erklärungsnot" betrifft zwar den Kläger, diesen muss er indes hinnehmen. Es handelt sich dabei um eine zulässige Bewertung der Umstände, dass der Kläger das Schreiben nicht zum Anlass genommen hat, von einer Beförderung abzusehen, und dass er auf Anfrage der Beklagten zu diesem Vorgang Stellung genommen hat.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung/News
Zur Berichterstattung über Kardinal Woelki
LG Köln vom 8.6.2022 - 28 O 295/21

Rechtsprechung:
Urteil
LG Köln vom 18.05.2021 - 28 O 276/21

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.03.2023 16:18
Quelle: OLG Köln PM vom 16.3.2023

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