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Rechts- und Gestaltungsfragen der W&I-Versicherung beim Unternehmenskauf (Armbrüster, ZIP 2023, 553)

In der M&A-Praxis wird mittlerweile verbreitet eine W&I (Warranty and Indemnity)-Versicherung abgeschlossen. Sie dient in ihrer klassischen Ausgestaltung dazu, die vom Verkäufer dem Käufer gegebenen Garantien abzusichern. Im Rahmen von Post-M&A-Streitigkeiten richtet sich der Blick dann weniger auf den eigenen Vertragspartner als auf den Versicherer. Im Folgenden sollen einige wesentliche Rechtsfragen erörtert werden, welche mit diesem Versicherungsprodukt verbunden sind. Zudem werden alternative Konzeptionen und aktuelle Produktentwicklungen erörtert sowie Gestaltungsempfehlungen gegeben.

I. Einführung
1. Interessenlage der Transaktionsbeteiligten
2. Wirkungsweise des W&I-Versicherungsschutzes
3. Praxisprobleme
a) Risikoprüfung
b) Besonderheiten des deutschen Rechts
II. W&I-Deckungskonzepte
1. Überblick
2. Verweisung auf den Kaufvertrag
a) Grundregeln
b) Zero-Liability-Versicherung
3. Synthetische Garantien
III. AGB-rechtliche Probleme
1. Qualifikation als AGB
a) Bedeutung
b) Anforderungen
c) Sonderproblem: Layer-Deckungen
2. Transparenzkontrolle
3. Materielle Wirksamkeitskontrolle
a) Risikoausschluss bei grob fahrlässiger Unkenntnis vom Garantiefall
b) Ausschluss für Vorsatz von Erfüllungsgehilfen
IV. Kenntnis und Kennenmüssen
1. Käufer
a) Überblick
b) Vorvertragliche Anzeigepflicht
c) Risikoausschlüsse
d) No-Claims-Declaration
2. Verkäufer
V. Beurkundungserfordernis
1. Ausgangspunkt
2. Share Deal mit GmbH-Geschäftsanteilen
3. Asset Deal mit Immobilien
4. Verhalten der Praxis
VI. Entschädigungsleistung
VII. Aktuelle Produktentwicklungen

1. New Breach Cover
2. Tipping Retention
3. Contingent Risk-Versicherungen
VIII. Fazit


I. Einführung

1. Interessenlage der Transaktionsbeteiligten

Bei Unternehmenstransaktionen spielen Garantien eine zentrale Rolle. Dies gilt insbesondere bei Kaufverträgen über Unternehmensträger oder deren Anteile (Share Purchase Agreement, SPA). Da in der Praxis derartige Kaufverträge ganz im Vordergrund stehen, sollen sie auch im Folgenden in den Mittelpunkt gerückt werden. Die Ausführungen gelten aber weitgehend auch für Asset Deals (zu Besonderheiten s. sub V 3).

Für den Käufer und ggf. auch für seine Darlehensgeber ist die Werthaltigkeit der Garantien von zentraler Bedeutung. Zugleich geht für den Verkäufer mit der Abgabe von Garantieerklärungen ein erhebliches Haftungsrisiko einher. Dementsprechend ist – im Grundsatz nicht anders als bei Kaufverträgen über andere Gegenstände – der Käufer an umfangmäßig und zeitlich möglichst weitreichenden Garantien interessiert, der Verkäufer hingegen an einer weitgehenden Haftungsbeschränkung. Letzteres gilt insbesondere dann, wenn es sich bei dem Verkäufer um einen Private Equity-Investor handelt, der nach Erreichung seines Renditeziels an einem „clean exit“ interessiert ist, also an dem raschen Ausstieg mit Auskehrung des Verkaufserlöses, ohne Vorsorge für Haftungsrisiken durch Rückstellungen, Sicherheiten etc. treffen zu müssen.

Ist der Verkäufer aufgrund der Marktsituation in der Lage, in den Verhandlungen mit Kaufinteressenten seine Ziele durchzusetzen, so ist ihm nach deutschem Recht ein weit reichender Haftungsausschluss möglich. Grenzen bestehen allein im Hinblick darauf, dass der Verkäufer sich auf einen Ausschluss nicht berufen kann, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Beschaffenheitsgarantie übernommen hat (§ 444 BGB). Zudem ist der Ausschluss der Haftung für eigenen Vorsatz (§ 276 Abs. 3 BGB) sowie – dies allerdings nur in AGB – für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit von Erfüllungsgehilfen (§ 309 Nr. 7b BGB: s. dazu noch sub III 3 b) unwirksam.

Ein Käufer mag darauf vertrauen, dass ihm etwaige Mängel rechtzeitig vor der vertraglichen Bindung im Rahmen einer sorgfältigen Prüfung der wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse der Zielgesellschaft (Due Diligence [DD]) auffallen, so dass er sie einpreisen oder zum Anlass nehmen kann, vom Kauf abzusehen. Die Praxis zeigt freilich, dass dies keineswegs stets der Fall ist. Dann erlangen die vom Verkäufer gegebenen Garantien – namentlich Fundamental‑, Bilanz‑, unternehmensbezogene und Compliance-Garantien – entscheidende Bedeutung. Hier kommt nun der Schutz durch eine W&I-Versicherung ins Spiel, welche den geschilderten Interessenwiderstreit weitgehend aufzulösen und die Transaktion damit wesentlich zu erleichtern – wenn auch nicht zu vereinfachen – vermag. Der Abschluss einer W&I-Versicherung bildet bei den Preisverhandlungen einen wichtigen Faktor, da die Risiken einer Bewertung zugeführt werden und Planungssicherheit geschaffen wird.

2. Wirkungsweise des W&I-Versicherungsschutzes
Die W&I-Versicherung (Gewährleistungsversicherung) ist ungeachtet ihrer – auch in schwankenden M&A-Märkten – hohen Praxisrelevanz im deutschen Schrifttum bislang nur wenig beleuchtet worden. Es handelt sich um ein ursprünglich im US-amerikanischen Markt (dort unter der Bezeichnung Representations [Reps] and Warranties Insurance [RWI]) entwickeltes Instrument, um die Beteiligten einer Unternehmenstransaktion von den damit verbundenen Risiken zu entlasten. Dabei steht die Abkürzung „W&I“ für „Warranty and Indemnity“ (Garantie und Freistellung). Neben der W&I-Versicherung, welche im vereinbarten Umfang die kaufvertraglichen Garantien absichert, gibt es auch Produkte, durch die sich..
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.03.2023 08:41
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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