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LAG Stuttgart: Antrag auf Entfernung einer Abmahnung aus Personalakte während Kündigungsprozesses nicht mutwillig

Eine nicht bemittelte Partei darf in der Regel im Rahmen eines Kündigungsprozesses auch einen Antrag auf Entfernung einer Abmahnung aus ihrer Personalakte stellen, ohne dass ihr dieses Prozessverhalten als mutwillig angelastet und ihr deshalb für diesen Antrag die Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt werden darf, sie hätte erst den Ausgang des Kündigungsprozesses abwarten müssen. Das hat das LAG Stuttgart, Urt. v. 28.8.2023 – 15 Ta 9/23, entschieden.

Es sei nicht als mutwillig anzusehen, wenn ein Arbeitnehmer, der sich im Wege der Klage gegen eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung wendet, im Wege der objektiven Klagehäufung gleichzeitig oder nachträglich durch Klageerweiterung zugleich die Entfernung einer oder mehrerer Abmahnungen aus der Personalakte verlangt, weil diese in der Sache unberechtigt seien. Die These, es sei ausreichend, zunächst den Ausgang des Kündigungsprozesses abzuwarten, verkenne die Bedeutung der zusätzlichen Dauer der möglichen Rechtsverletzung.
Diese nicht unwahrscheinliche Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts müsste die unbemittelte Partei infolge der Versagung der Prozesskostenhilfe besonders lange hinnehmen. Dafür gebe es keinen nachvollziehbaren Grund. Unabhängig davon sei es keineswegs höchstwahrscheinlich, dass sich das berechtigte Rechtsschutzinteresse des Klägers durch bloßes Abwarten des Ausgangs des Kündigungsschutzprozesses erledigen wird. Für eine begründete Erwartung im vorliegenden Einzelfall des Inhalts, dass die beklagte Arbeitgeberin die Abmahnungen im Falle des Obsiegens des Klägers im Bestandsschutzverfahren ohnehin, ohne den Druck eines hierauf gerichteten Gerichtsverfahrens, aus der Personalakte genommen hätte, gebe es keine Anhaltspunkte. Insbesondere habe die Beklagte Derartiges nicht angekündigt.
Überdies bestünden auch allgemein keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Partei, die ihren Prozess selbst finanziert, von der Stellung von Anträgen auf Herausnahme von Abmahnungen aus der Personalakte im Kündigungsprozess in aller Regel absieht und erst den Prozessausgang abwartet. Ein derartiges, generelles Arbeitnehmerverhalten entspreche ebenfalls keinem Erfahrungssatz. Im Ergebnis erweise sich die Einbeziehung von Anträgen auf Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte in den Kündigungsprozess nicht von vornherein und in aller Regel als ein Verstoß gegen das Gebot kostensparender Verfahrensführung. Im Gegenteil entspreche sie in vielen Fällen im Endeffekt sogar diesem Gebot, weil sie die durch getrennte Prozesse drohenden höheren Kosten vermeidet.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.09.2023 12:14
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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