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Die Verordnungsentwürfe zum digitalen Euro und zu gesetzlichen Zahlungsmitteln (Strobel, ZIP 2024, 377)

Mitte 2023 hat die Europäische Kommission zwei Vorschläge zu Verordnungen zur Einführung des digitalen Euros sowie zu gesetzlichen Zahlungsmitteln vorgelegt. Damit soll zum einen mit dem digitalen Euro eine dritte Art von Zentralbankgeld eingeführt werden und zum anderen festgelegt werden, was europarechtlich normiert die gesetzlichen Zahlungsmittel sind. Aus beidem ergeben sich potentiell große Auswirkungen auf das geltende Geldsystem. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Rechtsfragen.

I. Einleitung
II. Hintergrund des digitalen Euros
III. Inhalt der Verordnungsentwürfe
IV. Zuständigkeit
V. Konzeption des digitalen Euros

1. Denkbare Konzepte
1.1 Wholesale- vs. Retail-Lösung
1.2 Möglichkeiten bei Retail-Lösung
1.2.1 Direkt
1.2.2 Synthetisch
1.2.3 Hybrid
1.3 Konten- oder tokenbasiert
2. Einordnung des Verordnungsentwurfs
VI. Weitere Fragen zum digitalen Euro
1. Keine Verzinsbarkeit
2. Höchstbetrag
3. Keine Programmierbarkeit
VII. Gesetzliche Zahlungsmittel
1. Ausgangspunkt
2. Digitaler Euro
3. Euro-Banknoten und -Münzen
4. Einordnung
VIII. Fazit


I. Einleitung

Die Europäische Kommission hat Mitte 2023 zwei Verordnungsentwürfe vorgelegt: Der erste betrifft die Einführung des digitalen Euros und legt dabei auch dessen Status als gesetzliches Zahlungsmittel fest. Die zweite regelt den Status von Euro-Banknoten und Euro-Münzen als gesetzliche Zahlungsmittel und ergänzt insoweit die erste Verordnung. Im Ergebnis führte das Inkrafttreten der Verordnungen dazu, dass mit dem digitalen Euro eine dritte Art von Zentralbankgeld (neben dem Bargeld und den Reserven) eingeführt und dieser digitale Euro neben dem Euro-Bargeld zum gesetzlichen Zahlungsmittel würde.

Das ruft eine Vielzahl an Rechtsfragen hervor, denen dieser Beitrag nachgeht. Dazu gilt es als erstes den Hintergrund des digitalen Euros darzustellen und einen Überblick über die Verordnungsentwürfe zu geben (s. unten II und III). Dann folgen eine Behandlung der Zuständigkeit (s. unten IV), der rechtlichen Konzeption des digitalen Euros (s. unten V) sowie weiterer rechtlichen Fragen (s. unten VI). Abschließend wird auf den Status des gesetzlichen Zahlungsmittels eingegangen, der mit den bislang behandelten Aspekten nahe verwandt, aber nicht identisch ist (s. unten VII).

II. Hintergrund des digitalen Euros
Um die Bedeutung und Tragweite des digitalen Euros zu erfassen, ist es notwendig, ihn in das geltende zweistufige Geldsystem einzuordnen sowie den Gründen für seine Einführung nachzugehen. Ausgangspunkt ist das geltende zweistufige Geldsystem: Demnach ist zu unterscheiden zwischen der Geldbasis (Basisgeld) als der ersten Stufe und dem Geschäftsbankgeld als der zweiten Stufe. Die Geldbasis bildet jedenfalls volkswirtschaftlich das „eigentliche“ Geld und besteht heute aus dem von der Zentralbank geschaffenen Geld (Zentralbankgeld). Zentralbankgeld ist ausfallsicher, wenn man von der Möglichkeit des ersatzlosen Untergangs der Zentralbank bzw. ihres Rechtsträgers absieht. Bis dato besteht Zentralbankgeld aus Bargeld (Noten und Münzen) sowie aus Reserven. Der Unterschied zwischen beiden Erscheinungsformen ist, dass ersteres auch Nichtbanken zugänglich ist, während für die Reserven ein Konto bei der Zentralbank vonnöten ist, welches im Grundsatz nur Banken sowie der Staat haben.

Geschäftsbankgeld tritt derzeit in Form von Giralgeld auf. Hierbei handelt es sich einen schuldrechtlichen Anspruch des Kunden gegen seine Bank, der auf die Lieferung von Basisgeld gerichtet ist (Bankeinlage). Ist der Kunde eine Nichtbank, so kann er also von der Bank (einzig) die Übergabe und Übereignung von Banknoten und Münzen verlangen. Alternativ kann der Kunde im Wege der Überweisung die Übertragung von Giralgeld verlangen, was rechtstechnisch nicht eine Zession, sondern eine Aktivdelegation darstellt. Daneben sind noch weitere Formen von Geschäftsbankgeld denkbar; hierunter fallen die historischen privaten Banknoten und ein tokenisiertes Geschäftsbankgeld, über das derzeit diskutiert wird. In jedem Fall trägt bei Geschäftsbankgeld der Bankkunde im Prinzip das Adressrisiko seines Vertragspartners.

Mit dem digitalen Euro soll eine dritte Art von Zentralbankgeld geschaffen werden. Eine wichtige Frage ist dabei, ob er mehr dem Bargeld oder mehr den Reserven ähneln soll, s. unten III. Die Gründe für die Einführung eines digitalen Euros sind vielschichtig. Insbesondere will die EZB eine öffentliche digitale Infrastruktur als Gegenpol zu den Angeboten Privater schaffen und auf den Rückgang bei der Nutzung von Bargeld reagieren. Ferner sollen der Datenschutz bei digitalen Zahlungen verbessert und ein Beitrag zur Aufrechterhaltung der Finanzstabilität geleistet werden.

III. Inhalt der Verordnungsentwürfe
Der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung des digitalen Euros untergliedert sich in 10 Kapitel: Gegenstand und Begriffsbestimmungen (Kapitel 1), Einführung und Ausgabe des digitalen Euro (Kapitel 2), Gesetzliches Zahlungsmittel (Kapitel 3), Bereitstellung (Kapitel 4), Nutzung des digitalen Euros als Wertaufbewahrungsmittel und als Zahlungsmittel (Kapitel 5), Bereitstellung des digitalen Euro außerhalb des Euro-Währungsgebiets (Kapitel 6), Technische Merkmale (Kapitel 7), Privatsphäre und Datenschutz (Kapitel 8), Bekämpfung der Geldwäsche (Kapitel 9) und Schlussbestimmungen (Kapitel 10). Der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Euro-Banknoten und Euro-Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel besteht aus 17 Artikeln.

Herausgegriffen werden soll im Folgenden, wer für die Einführung des digitalen Euros zuständig ist (s. unten IV), wie er ausgestaltet werden soll (s. unten V), welche weiteren Fragen entstehen (s. unten VI) und was es mit seinem Status als gesetzliches Zahlungsmittel auf sich hat (s. unten VII).

IV. Zuständigkeit
Als Rechtsgrundlage sieht der Verordnungsentwurf Art. 133 AEUV vor, in dem es heißt: „Unbeschadet der Befugnisse der Europäischen Zentralbank erlassen das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren die Maßnahmen, die für die Nutzung des Euro als einheitliche Währung erforderlich sind. Diese Maßnahmen werden nach Anhörung der Europäischen Zentralbank erlassen.“ Die Heranziehung von Art. 133 AEUV erfolgt dabei offenbar bereits mit Blick auf die Einführung einer neuen Art von Zentralbankgeld und nicht allein wegen ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.02.2024 09:51
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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