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Aktuell in der ZIP

Die elektronische Aktie nach dem Zukunftsfinanzierungsgesetz (Segna, ZIP 2024, 593)

Am 17.11.2023 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG) verabschiedet. Es wurde – nach Zustimmung des Bundesrats – am 14.12.2023 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist am Tag darauf in Kraft getreten. Mit dem ZuFinG hat der Gesetzgeber das deutsche Recht für die elektronische Aktie geöffnet. Der Beitrag stellt die neuen Regelungen zur elektronischen Aktie und den ihnen zugrunde liegenden konzeptionellen Ansatz vor und setzt sich kritisch mit ihnen auseinander. Sein Schwerpunkt liegt auf wertpapier- und depotrechtlichen Fragen.

I. Ziel und Entwicklungsgeschichte des ZuFinG
II. Konzeptioneller Ansatz

1. Pfadabhängige Ausgestaltung der elektronischen Aktie
1.1 Zusätzliche Gestaltungsoption
1.2 Keine neue Aktienart
1.3 Erweiterung des eWpG
2. Punktuelle Gesetzesänderungen
2.1 AktG
2.2 eWpG
2.3 DepotG
III. Ausgestaltungsformen
1. Elektronische Namensaktien
2. Elektronische Inhaberaktien
2.1 Nichtzulassung von Kryptoinhaberaktien
2.1.2 Referentenentwurf
2.1.2 Regierungsentwurf
2.2 Zentralregisterinhaberaktien „in Haussammelverwahrung“
3. Gesamtschau
IV. Entstehung der elektronischen Aktie
1. Verbriefungsausschluss in der Satzung
2. Begebungsvertrag
3. Eintragung
V. Elektronisches Wertpapierregister und Aktienregister
VI. Formwechsel

1. Wechsel zur elektronischen Form
2. Wechsel zur verbrieften Form
VII. Übertragung elektronischer Aktien
1. Übertragungstatbestände für elektronische Wertpapiere
1.1 Elektronische Wertpapiere in Sammeleintragung
1.2 Elektronische Wertpapiere in Einzeleintragung
2. Inhaberaktien
3. Namensaktien
3.1 Ausschluss der Übertragung durch Indossament
3.1.1 Allgemeines
3.1.2 Namensaktien in Einzeleintragung
3.1.3 Namensaktien in Sammeleintragung
3.2 Vinkulierte Namensaktien
VIII. Bewertung
IX. Zusammenfassung


I. Ziel und Entwicklungsgeschichte des ZuFinG

„Unser Land benötigt Investitionen in nahezu beispiellosem Umfang“. Ausgehend von diesem in markigen Worten formulierten Befund verfolgt das ZuFinG das Ziel, die rechtlichen Rahmenbedingungen für private Investitionen in Deutschland zu verbessern, um Deutschland auf die Digitalisierung einzustellen und die klimaschutzgerechte Transformation der Wirtschaft voranzutreiben. Insbesondere ist das Gesetz von dem Bestreben geleitet, Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) „als Treiber von Innovation“ den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern und die Attraktivität der Aktie zu erhöhen. Mit seinem „umfassenden Ansatz“ hat das ZuFinG zahlreiche Änderungen im Finanzmarktrecht, Gesellschaftsrecht und Steuerrecht mit sich gebracht. Ein eher kleiner Teil davon betrifft die Einführung der elektronischen Aktie, die im Zuge der Schaffung des am 10.6.2021 in Kraft getretenen Gesetzes über elektronische Wertpapiere (eWpG) unter Hinweis auf angeblich „erhebliche gesellschaftsrechtliche Auswirkungen“ noch zurückgestellt worden war.

Mit dem ZuFinG hat die Ampelkoalition ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag eingelöst, „die Möglichkeit zur Emission elektronischer Wertpapiere auch auf Aktien aus[zu]weiten“. Das Gesetzgebungsverfahren ist, zumindest was die elektronische Aktie betrifft, vergleichsweise reibungslos abgelaufen. Den Anfang machte der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums der Justiz vom 12.4.2023. Er knüpfte an das Eckpunktepapier der beiden Ministerien vom 29.6.2022 an. Der am 16.8.2023 beschlossene Regierungsentwurf enthielt zur elektronischen Aktie keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen. Nach der Verabschiedung durch den Deutschen Bundestag am 17.11.2023 und der Zustimmung des Bundesrats am 24.11.2023 wurde das ZuFinG am 14.12.2023 im Bundesgesetzblatt verkündet. Die Neuregelungen zur elektronischen Aktie sind am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten (Art. 35 Abs. 1 ZuFinG).

Der vorliegende Beitrag wirft zunächst einen genaueren Blick auf den konzeptionellen Ansatz des ZuFinG (unter II) und stellt sodann dar, welche Ausgestaltungsformen den Emittenten für elektronische Aktien zur Verfügung stehen (unter III). Im Anschluss daran werden ausgewählte Fragen zur elektronischen Aktie behandelt, und zwar die Entstehung der elektronischen Aktie (unter IV), das Verhältnis zwischen elektronischem Wertpapierregister und Aktienregister (unter V), die Umwandlung von verbrieften Aktien in elektronische Aktien und umgekehrt (unter VI) sowie die Übertragung elektronischer Aktien (unter VII). Der Beitrag schließt mit einer kurzen Bewertung der Neuregelungen (unter VIII).

II. Konzeptioneller Ansatz

1. Pfadabhängige Ausgestaltung der elektronischen Aktie

Im konzeptionellen Ansatz setzt das ZuFinG voll und ganz auf die pfadabhängige Ausgestaltung der elektronischen Aktie.

1.1 Zusätzliche Gestaltungsoption
Im Unterschied zur Inhaberschuldverschreibung zählt die Aktie (i.S.d. Urkunde) nicht zu den konstitutiven, sondern zu den deklaratorischen Wertpapieren. Die Mitgliedschaft entsteht bereits mit der Übernahmeerklärung des Zeichners und der Eintragung der Aktiengesellschaft bzw. der Kapitalerhöhung in das Handelsregister. Abgesehen vom Sonderfall der bedingten Kapitalerhöhung (§§ 199, 200 AktG) ist die Verbriefung der Aktien aktienrechtlich nicht zwingend vorgegeben. Ungeachtet dessen war es Aktiengesellschaften nach bisherigem Recht nicht möglich, auf die Verbriefung der Anteile vollständig zu verzichten. Das lag zum einen an § 10 Abs. 5 AktG, der im Schrifttum so verstanden wurde, dass dem Aktionär zwar durch die Satzung das Recht auf Verbriefung „seines Anteils“ genommen werden kann, er aber in jedem Fall einen Anspruch auf Ausstellung einer Globalurkunde über sämtliche Aktienrechte behält. Zum anderen war um eine Verbriefung nicht herumzukommen, wenn die Aktien zu Wertpapieren im zivilrechtlichen Sinne gemacht werden sollten, um ihre Umlauffähigkeit zu steigern und ihre Girosammelverwahrfähigkeit herzustellen. Da unverbriefte Aktien nicht unter den engen Wertpapierbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 DepotG fallen und bislang auch nicht über § 1 Abs. 1 Satz 3 DepotG in den Anwendungsbereich des DepotG einbezogen waren, waren sie nicht girosammelverwahrfähig und damit auch nicht börsenfähig. Folgerichtig machte die Clearstream Banking AG als einzige deutsche Wertpapiersammelbank die Zulassung zur Girosammelverwahrung bei Aktien von der Einlieferung zumindest einer Globalurkunde abhängig.

Nunmehr haben Aktiengesellschaften die Wahl. Sie können „am bewährten System der Wertpapierurkunden“ festhalten oder Aktien – vorbehaltlich der aus § 1 Nr. 3 eWpG folgenden Einschränkung – in elektronischer Form ausgeben. Dass das eWpG der Devise „optionale statt obligatorische Dematerialisierung“ folgt, ergibt sich unmissverständlich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 eWpG, der bestimmt, dass ein Wertpapier „auch“ als elektronisches Wertpapier begeben werden kann. Dank der Einbeziehung vertretbarer elektronischer Wertpapiere in den Anwendungsbereich des DepotG (§ 1 Abs. 1 Satz 3 DepotG) können nunmehr auch unverbriefte Aktien in den Effektengiroverkehr eingegliedert werden, sofern die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 eWpG erfüllt sind.

1.2 Keine neue Aktienart
Die Schaffung einer eigenen Aktienart ist mit der Zulassung der elektronischen Aktie – entgegen einer Empfehlung aus dem Schrifttum – nicht einhergegangen. Wie für Inhaberschuldverschreibungen gilt auch für Aktien, dass elektronische Wertpapiere sich von herkömmlichen Wertpapieren nur durch ihre Begebungsform unterscheiden; an die Stelle der Ausstellung einer Urkunde tritt die ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.03.2024 09:26

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