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Das neue EU Company Certificate – EU-Gesellschaftsbescheinigung (Jung/Siebeck, ZIP 2024, 781)

Am 14.2.2024 hat der Rat der Europäischen Union seinen Entwurf zur sog. Digitalisierungsrichtlinie II veröffentlicht. Die darin vorgesehene Einführung einer EU-Gesellschaftsbescheinigung ist die Antwort des EU-Gesetzgebers auf die bisherigen Herausforderungen im Umgang mit nationalen Handelsregisterdaten in der EU, welche aufgrund divergierender Standards in den Mitgliedsstaaten den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr erschweren. Ziel ist es, durch die EU-Gesellschaftsbescheinigung Informationskosten und Zeitaufwand bei grenzüberschreitenden Aktivitäten zu reduzieren, indem Kapital- und Personenhandelsgesellschaften ein verpflichtend anzuerkennender Nachweis über ihre Existenz, Rechtsfähigkeit und weitere wichtige Informationen zur Verfügung gestellt wird. Der Beitrag gibt einen detaillierten Überblick über die Hintergründe sowie die Konzeption der EU-Gesellschaftsbescheinigung und zeigt verbleibende (Auslegungs-)Fragen im Zusammenhang mit ihrer Ausgestaltung auf.

A. Einleitung
B. Hintergrund

C. Konzeption der EU-Gesellschaftsbescheinigung
I. Anerkennungspflicht der EUGB
II. Nachweisgegenstand der EUGB
1. Nachweis der Gründung und des (Fort-)Bestehens der Gesellschaft
2. Nachweis der weiteren enthaltenen Informationen
III. Sicherstellung der Aktualität der EUGB
IV. Beantragung und Ausstellung der EUGB
V. Sicherheitsmerkmale der EUGB
VI. Sprache der EUGB
D. Kritische Reflektion


A. Einleitung

Nationale Handelsregisterdaten sind im grenzüberschreitenden Verkehr bislang trotz der Regelungsbemühungen des EU-Gesetzgebers oftmals nicht zuverlässig vergleichbar. Denn die Auffassungen über die Bedeutung von Registerdaten und entsprechend auch über die Ausgestaltung der Register und den Umgang mit Registerdaten variieren in den Mitgliedstaaten. So gibt es bspw. immer noch Mitgliedstaaten (konkret Malta, Zypern und Irland), die keine hinreichend zuverlässigen Registerinformationen bereitstellen, was die Anerkennungsmöglichkeiten durch andere Mitgliedstaaten – wie bspw. durch Deutschland – beeinträchtigt. Darüber hinaus gibt es keine einheitlichen Offenlegungs- und Eintragungserfordernisse für Personenhandelsgesellschaften mit Sitz in der EU. In der Zusammenschau mit weiteren sprachlichen und administrativen Bürden führt dies zu nicht unerheblichen praktischen Hindernissen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr 6 und steht damit der Vollendung des Binnenmarkts entgegen.

Die Europäische Kommission hat auf diese Problematik am 29.3.2023 mit einem neuen Richtlinienvorschlag zur Erweiterung und Weiterentwicklung der Nutzung digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht reagiert (DigRL II-KOM/GesRRL-KOM). Der Gesetzgebungsprozess ist bereits weit vorangeschritten und seit dem 14.2.2024 liegt ein Entwurf des Rates der Europäischen Union vor (DigRL II/GesRRL-E). Durch die darin vorgesehene Einführung verbindlicher Mindestkontrollstandards (vgl. Art. 10 GesRRL-E) soll zunächst sichergestellt werden, dass die mitgliedstaatlichen Register zukünftig vertrauenswürdigere Inhalte bereitstellen. Das soll die grenzüberschreitende Anerkennung der im Register enthaltenen Angaben im Binnenmarkt verbessern und auf diese Weise Informationskosten und Zeitaufwand bei grenzüberschreitenden Aktivitäten senken. Teil des Maßnahmenpakets ist zudem ein harmonisierter Unternehmensregisterauszug, der als EU-Gesellschaftsbescheinigung (EUGB) – Englisch: EU Company Certificate (EUCC) – bezeichnet wird. Diese neue EU-Gesellschaftsbescheinigung soll – vergleichbar mit dem aktuellen Abdruck aus dem deutschen Handelsregister – zum Nachweis wesentlicher Gesellschaftsinformationen geeignet sein (Art. 16b Abs. 1 Satz 2 GesRRL-E). Der vorliegende Beitrag analysiert die Konzeption dieser Gesellschaftsbescheinigung (s. C) gemäß dem Ratsentwurf und reflektiert deren Einführung kritisch (s. D).

B. Hintergrund
Die Europäische Union bemüht sich bereits seit längerem um einheitlichere Standards für die mitgliedstaatlichen Handelsregister. Denn die mangelnde Vergleichbarkeit und Anerkennung der Handelsregisterinformationen im grenzüberschreitenden Verkehr stellt eine nicht zu unterschätzende Belastung für die betroffenen Wirtschaftsakteure dar. So erfordern bspw. zahlreiche alltägliche grenzüberschreitende Wirtschaftsaktivitäten (wie die Eröffnung eines Bankkontos) von der Gesellschaft den Nachweis ihrer Existenz (im Sinne ihrer Rechtsfähigkeit) sowie der Vertretungsmacht der für sie handelnden Personen. Dies kann im nationalen Kontext regelmäßig durch die Vorlage eines Handelsregisterauszuges erfolgen. Außerhalb rein nationaler Sachverhalte stellt sich die Situation hingegen ungleich komplizierter dar. Erste Schwierigkeiten treten insofern in der Praxis teils bereits bei der Frage der zuverlässigen Einordnung des Registers auf. Auch Handelsregisterauszüge aus anderen Mitgliedsstaaten werden in Deutschland teils mangels Gleichwertigkeit nicht als geeigneter Nachweis akzeptiert. Dies gilt z.B. für Auszüge aus dem maltesischen Handelsregister. Insbesondere im Fall der Beteiligung von Grundbuchamt, Handels- und/oder Partnerschaftsregister bedarf es in solchen Situationen daher eines den Anforderungen des § 415 ZPO genügenden Nachweises. Der regelmäßig zu beteiligende Notar (vgl. § 29 GBO, § 12 HGB, § 2 Abs. 2 GmbHG, § 23 Abs. 1 Satz 2 AktG) muss dann zusätzliche Beglaubigungen oder notarielle Vertretungsnachweise einholen und/oder (beglaubigte) Übersetzungen (vgl. § 13f Abs. 2 Satz 1, § 13g Abs. 2 Satz 1 HGB) erlangen, damit der erforderliche Nachweis gelingt. Das verursacht einen nicht unerheblichen Kosten- und Zeitaufwand für die betroffenen Unternehmen. Für den Nachweis gesellschaftsbezogener Informationen gegenüber Verwaltung und Gerichten geht die Kommission daher von rechtlichen Kosten i.H.v. rund ein- bis zweitausend Euro für betroffene Unternehmen aus. Selbst wenn der ausländische Handelsregisterauszug anerkannt wird, bleiben u.U. weiterhin Kosten aufgrund der ggf. notwendigen Übersetzungen und Beglaubigungen bestehen. Die Kommission rechnet für den Erhalt eines mitgliedstaatlichen Registerauszuges daher beispielhaft mit Kosten von bis zu 570 € und einer Dauer von bis zu 17 Tagen.

Dies gilt, obwohl sich die EU dieser Thematik aufgrund der hohen Bedeutung der Unternehmenspublizität für die Vollendung des Binnenmarkts früh angenommen hat. Bereits 1968 erließ die Europäische Gemeinschaft die sog. Publizitätsrichtlinie (die mittlerweile Teil der sog. Kodifizierungsrichtlinie (GesRRL) ist), die als Grundlage aller darauffolgenden Regelungsbemühungen der EU angesehen werden kann. Mit Erlass der sog. Registervernetzungsrichtlinie wurde 2012 schließlich das Europäische System der Registervernetzung (Business Registers Interconnection System – BRIS) eingeführt. Das Hauptziel des BRIS besteht darin, den elektronischen Zugang zu Unternehmensinformationen in der EU zu erleichtern und die Effizienz bei grenzüberschreitenden geschäftlichen Aktivitäten zu steigern. Es soll dazu beitragen, den Informationsaustausch von Unternehmensangaben zu vereinfachen und den administrativen Aufwand für Unternehmen, insbesondere im Kontext von grenzüberschreitenden Tätigkeiten, zu reduzieren. Seit seiner Einführung wird das BRIS stetig um weitere Informationen und Unterlagen erweitert und enthält inzwischen zahlreiche Daten über die in der EU ansässigen Gesellschaften. Das BRIS ist jedoch nicht als gleichwertiges Register zu den nationalen Handelsregistern der Mitgliedstaaten anzusehen. Denn eigene Eintragungen enthält das BRIS nicht. Es ermöglicht vielmehr den Zugang zu Unterlagen und Informationen, die von den jeweiligen nationalstaatlichen Registern veröffentlicht wurden. Das BRIS gewährt somit lediglich einen mittelbaren Zugriff auf die in den mitgliedsstaatlichen Registern enthaltenen Informationen und Unterlagen. Deshalb besteht das Problem der teilweise erheblich voneinander abweichenden Qualitätsstandards der einzelnen mitgliedsstaatlichen Register auch nach Einführung des BRIS fort.

C. Konzeption der EU-Gesellschaftsbescheinigung
In diesem Kontext möchte die DigRL II nun mit den Harmonisierungsbestrebungen voranschreiten und neben verbindlichen Mindestkontrollstandards (vgl. Art. 10 GesRRL-E) eine von den jeweiligen nationalen Registern auszustellende EU-Gesellschaftsbescheinigung (kurz EUGB, vgl. Art. 16b GesRRL-E) einführen. Nach der Konzeption des Richtlinienentwurfs soll die EUGB zukünftig ein „Ausweisdokument“ für Personen- und Kapitalgesellschaften in der EU darstellen. Die Anhänge II und IIB der GesRRL-E enthalten insofern eine abschließende Aufzählung der erfassten Gesellschaften (Art. 16b Abs. 1 Satz 1 GesRRL-E. i.V.m. Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 GesRRL-E). In Bezug auf ihren vorgesehenen Informationsgehalt (s. näher unter II) ähnelt die geplante EUGB dem aktuellen Abdruck (AD) im deutschen Handelsregister. Mangels einer Regelung zur Registerkontinuität bleibt die EUGB in ihrem Informationsgehalt allerdings deutlich hinter dem wesentlich umfangreicheren chronologischen Abdruck des deutschen Handelsregisters zurück. Denn allein der Status quo ist Gegenstand der EUGB. Europäischen Gesellschaften soll durch die Bescheinigung vor allem ermöglicht werden, im Ausstellungszeitpunkt (Art. 16b Abs. 1 Satz 2 GesRRL-E) ihre Existenz sowie weitere enthaltene Informationen (s. näher unter II) verlässlich nachzuweisen. Der Richtlinienentwurf regelt daher auch die Sicherstellung der Aktualität der Informationen (s. näher unter III). Grundvoraussetzung für die Nachweisfunktion ist zunächst die Einführung verbindlicher Mindestkontrollstandards (vgl. Art. 10 DigRL II), um zu gewährleisten, dass...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.04.2024 11:08
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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