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OLG Hamm v. 18.3.2024 - 18 U 80/23

Was ist ein Einfamilienhaus i.S.d. §§ 656a ff. BGB?

Eine Anwendung der §§ 656a ff. BGB auf Objekte mit mehreren Wohnungseigentumseinheiten unter dem Begriff „Wohnung“ scheidet aus. Im Rahmen der Prüfung, ob ein Objekt als „Einfamilienhaus“ i.S.d. §§ 656a ff. BGB zu qualifizieren ist, ist darauf abzustellen, ob eine Nutzung des Gesamtobjekts durch die Mitglieder eines einzigen Haushalts nach der Aufteilung des Gebäudes und dessen sonstigen Eigenschaften unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung objektiv angelegt ist.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine gewerbliche Maklerin. Sie hatte eine aus zwei Wohnungseigentumseinheiten bestehende Immobilie im Auftrag des damaligen Eigentümers im Internet zum Verkauf angeboten. Die Tätigkeit der Klägerin für den Eigentümer, der den Vermarktungsauftrag nach dem 23.12.2020 erteilt hatte, erfolgte vereinbarungsgemäß unentgeltlich.

Das zu vermakelnde Objekt stellte sich wie folgt dar: Eine etwa 95 m² große Wohnung nahm den Großteil des Erdgeschosses ein, die andere, etwa 145 m² große Wohnung den verbleibenden Teil des Erdgeschosses sowie das Ober- bzw. Dachgeschoss. Beide Wohnungen verfügten über separate Eingänge. Es existierte eine Verbindungstür zwischen dem Eingangsbereich der größeren Wohnung und einem damals als Wohn- und Schlafzimmer dienenden Raum der kleineren Wohnung. Vom Flur der kleineren Wohnung führte eine Treppe in den Keller. Ein weiterer Zugang zum Keller war über eine Außentreppe gegeben. Die einzelnen Kellerräume standen zum Teil im Gemeinschaftseigentum, zum Teil waren sie den einzelnen Wohnungseigentumseinheiten zugeordnet. Die Versorgung des Objekts mit Gas und Wasser erfolgte jeweils über einen einzigen Zähler.

Im Exposé wurde das Objekt als Zwei- bzw. Mehrfamilienhaus bezeichnet. Am 18.3.2021 kam es zu einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und den Beklagten, mit der sich diese für den Fall des Erwerbs des Objekts zur Zahlung einer Käuferprovision i.H.v. 7,14 % des Kaufpreises verpflichteten. Mit notariellem Kaufvertrag vom 31.5.2021 erwarben die Beklagten das Objekt zum Preis von 369.000 €. Die Klägerin stellte ihnen am 11.6.2021 eine Provision i.H.v. 26.346 €. Daraufhin stritten die Parteien darüber, ob die §§ 656a ff. BGB auf den von ihnen geschlossenen Maklervertrag Anwendung finden.

Das LG hat die Klage der Maklerin auf Zahlung abgewiesen. Es war der Ansicht, dass zwingende Voraussetzungen des § 656d BGB nicht erfüllt seien. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben.

Die Gründe:
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Maklerprovision gem. § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen die Beklagten zu.

Der Maklervertrag ist wirksam. Insbesondere führte der Umstand, dass die Klägerin auch für den Verkäufer tätig war, ohne eine Provision in gleicher Höhe mit ihm vereinbart zu haben, nicht zur Unwirksamkeit des Maklervertrags gem. § 656c Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 656c Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB. § 656c BGB ist zwar in persönlicher und zeitlicher Hinsicht auf den Maklervertrag der Parteien anwendbar, da die Beklagten als Verbraucher gehandelt hatten (§ 656b BGB) und der Vertrag – wie auch die Vereinbarung der Klägerin mit dem Eigentümer – nach dem 23.12.2020 geschlossen worden war (Art. 229 § 53 EGBGB). Jedoch war der sachliche Anwendungsbereich des § 656c BGB nicht eröffnet, da die Maklertätigkeit der Klägerin nicht den Kauf einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses i.S.d. §§ 656a ff. BGB betraf.

Die Begriffe „Wohnung“ und „Einfamilienhaus“ haben in § 656a BGB und § 656c BGB die gleiche Bedeutung. Die hier fragliche, als Ganzes verkaufte Immobilie stellt keine Wohnung i.S.d. §§ 656a ff. BGB dar. Eine Anwendung der §§ 656a ff. BGB auf Objekte mit mehreren Wohnungseigentumseinheiten unter dem Begriff „Wohnung“ scheidet aus, da der Gesetzestext von „einer“ Wohnung spricht und andernfalls auch die Beschränkung der §§ 656a ff. BGB auf Einfamilienhäuser in Abgrenzung zu Mehrfamilienhäusern ihre Bedeutung verlöre.

Im Rahmen der Prüfung, ob ein Objekt als „Einfamilienhaus“ i.S.d. §§ 656a ff. BGB zu qualifizieren ist, ist darauf abzustellen, ob eine Nutzung des Gesamtobjekts durch die Mitglieder eines einzigen Haushalts nach der Aufteilung des Gebäudes und dessen sonstigen Eigenschaften unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung objektiv angelegt ist. Das Vorhandensein einer zweiten Wohnung von untergeordneter Bedeutung steht der Qualifikation eines Objekts als „Einfamilienhaus“ i.S.d. §§ 656a ff. BGB nicht entgegen. Die Frage der Unterordnung ist anhand einer Gesamtbetrachtung der objektiven Gegebenheiten unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beantworten. Die Gestaltungs- und Nutzungsabsichten des Erwerbers spielen für die sachliche Anwendbarkeit der §§ 656a ff. BGB grundsätzlich keine Rolle, vielmehr kommt es grundsätzlich allein auf den vorbestehenden Zustand des Objekts an.

Zur Zeit der Vermakelung und des Verkaufs diente das streitgegenständliche Objekt nicht den Wohnzwecken der Mitglieder eines einzelnen Haushalts. Das Gebäude bestand nach der objektiv klar vorgegebenen Aufteilung des Erd- und Obergeschosses aus zwei grundsätzlich getrennten Wohneinheiten, die jeweils für die Nutzung durch einen eigenständigen Haushalt ausgelegt waren. Insbesondere verfügte jede Wohneinheit über einen gesonderten Eingang nebst Eingangsbereich, eine eigene Küche und ein eigenes, vollwertiges Badezimmer. Hinzu kamen jeweils weitere Räume zur Nutzung als Wohn-, Ess- und Schlafzimmer sowie ein eigener Außenbereich (Terrasse bzw. Balkon). Die im Erdgeschoss vorhandene Verbindung der Wohneinheiten über eine gewöhnliche Zimmertür stand einer Nutzung durch zwei eigenständige Haushalte nicht entgegen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.04.2024 16:13
Quelle: Justiz NRW

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